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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

60 Jahre Steuben-Schurz-Gesellschaft – 60 Jahre gelebte deutsch-amerikanische Freundschaft

„Providing stability and friendship in a challenging environment“

Wie kaum eine andere Einrichtung verkörpert die Steuben-Schurz-Gesellschaft e.V. in Frankfurt am Main als die älteste deutsch-amerikanische Freundschaftsorganisation die Idee von Austausch, Verständigung und Zusammenhalt zwischen den beiden Völkern über den Atlantik hinweg – trotz mancher Irritationen und Turbulenzen der letzten Jahre zwischen Deutschland und den USA vor allem in der „hohen“ Politik. Die Gesellschaft konnte unlängst ihren 60. Geburtstag feiern – und kein anderes Ambiente schien für diesen Festakt angemessener als der berühmte Kaisersaal im altehrwürdigen Frankfurter Römer.

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Präsidentin Ingrid Gräfin zu Solms-Wildenfels dankt Bundesminister a. D. Klaus von Dohnányi für seine Festrede zur transatlantischen Zusammenarbeit

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Festgesellschaft im Kaisersaal des Frankfurter Römer

„Die Gesellschaft dient den Verständigungs- und Friedensbestrebungen unter den Völkern durch die Pflege freundschaftlicher Beziehungen zwischen Deutschland und den USA. Die Verwirklichung dieser Aufgabe erfolgt durch Vorträge, Konzerte und Veranstaltungen mit amerikanischen Einrichtungen sowie die Begegnung mit Amerikanern“ lesen wir in § 2 der im etwas spröden Bürokratendeutsch der 50er Jahre formulierten Satzung. Welches reichhaltige Leben hat die Gesellschaft inzwischen diesem Satzungstext eingehaucht, in welch einem weit ausgebreiteten Spektrum hat sie das Satzungspostulat im Alltag des deutsch-amerikanischen freundschaftlichen Zusammenwirkens gerade auch zwischen den jüngeren Generationen realisiert!

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Präsidentin Ingrid Gräfin zu Solms-Wildenfels am Neujahrsempfang 2008

Rund 45o Mitglieder deutscher und US-amerikanischer Nationalität zählt die Steuben-Schurz-Gesellschaft (SSG), in der sich auch eine spezielle Damen- sowie eine Juniorengruppe gebildet haben. Der SSG gehören ein Landesverband Berlin-Brandenburg und eine Landesgruppe Sachsen-Anhalt an. Mit dem Abzug eines grossen Teils der US-amerikanischen Streitkräfte aus Deutschland stellten sich Veränderungen in der Mitgliedschaft und damit zugleich einige Herausforderungen ein, die die SSG erfolgreich gemeistert hat. Insbesondere freut sie sich über die aktuelle Gründung des New York Chapter als Brückenkopf der Gesellschaft in den USA; deren erstes Ehrenmitglied ist der hessische Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten Volker Hoff.

Ein kurzer Blick auf die Geschichte der SSG: Am 1. August 1948 in Wiesbaden mit dem Namen „Steuben-Schurz-Gesellschaft e.V.“ vereinsrechtlich begründet, fusst sie auf der 1933 nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten aufgelösten Berliner „Steuben-Gesellschaft“. Ebenfalls 1948 hatten Frankfurter Persönlichkeiten eine „Deutsche Carl-Schurz-Gesellschaft“ gegründet, die 1950 mit der Steuben-Schurz-Gesellschaft verschmolz. Im gleichen Zuge verlegte die fusionierte Steuben-Schurz-Gesellschaft e.V. ihren Sitz nach Frankfurt am Main.

Woher nun der Name Steuben-Schurz-Gesellschaft?

Baron Friedrich Wilhelm von Steuben, 1730 in Magdeburg geboren, nahm auf Preussischer Seite als Infanterie- und Generalstabsoffizier am Siebenjährigen Krieg teil. Nach dem 1763 unterzeichneten Frieden von Hubertusburg, der den Krieg beendete, begab er sich 1777 auf eine Empfehlung von Benjamin Franklin, dem Mitunterzeichner der Unabhängigkeitserklärung der 13 ehemaligen britischen Kolonien vom 4. Juli 1776 und seinerzeit Gesandter dieser 13 vereinigten Staaten in Paris, nach Amerika, wo er in die Kontinentalarmee eintrat. Schon kurze Zeit darauf wurde er deren Generalinspekteur im Rang eines Generalmajors. Als Befehlshaber der Dritten Division hatte er massgeblichen Anteil am Sieg der Truppen über die britische Armee in der Schlacht von Yorktown Mitte Oktober 1781. George Washington, Kommandeur der Kontinentalarmee und erster Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, würdigte Steubens Verdienste mit allen militärischen Ehren.

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George Washingtons Bildnis auf der 1-Dollar-Note; Bildnachweis: wikimedia commons

Steuben, anschliessend Inhaber verschiedener öffentlicher Ämter, lebte in New York sowie auf seinen Landsitzen in Oneida County im Bundesstaat New York, bevor er 1794 dort verstarb. Noch heute erinnert neben einem Denkmal vor dem Washingtoner Capitol die jährlich Ende September auf der Fifth Avenue in New York verstaltete Steuben-Parade an den einstigen Feldherren.

Carl Schurz, 1829 in Liblar geboren, wurde als Teilnehmer der März-Revolution und des Sturmes auf das Siegburger Zeughaus in der Festung Rastatt inhaftiert. 1849 gelang ihm dort die Flucht. Über mehrere Stationen in der Schweiz, in Frankreich und in England reiste er 1853 über New York nach Philadelphia und übersiedelte 1856 nach Watertown, Wisconsin. Er engagierte sich an hervorgehobener Stelle in der Republikanischen Partei. Nach deren Wahlsieg 1860 ernannte ihn Präsident Abraham Lincoln zum Botschafter in Spanien. Im amerikanischen Sezessionskrieg trat er 1862 in die Unionsarmee ein und stieg zum Generalmajor und Divisionskommandeur des Freiwilligenkorps auf. Nach dem Ende des Krieges gründete Schurz zunächst in Detroit und anschliessend in St. Louis diverse Zeitungen, bevor er mit Sitz in St. Louis zum Senator von Missouri gewählt wurde. Als Secretary of the Interior (1877 bis 1881) unter Präsident Rutherford Hayes wirkte er moderierend in der amerikanischen Indianerpolitik.

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Carl Schurz-Park in New York City (Foto: Steffen Wurzel wikimedia commons GFDL)

Die menschliche Freiheit, die Aufhebung der Sklaverei und die Wahrung der Rechte der indianischen Bevölkerung standen im Zentrum seiner politischen Arbeit. Schurz starb 1906 in New York.

Seine Frau Margarethe Meyer, eine Schülerin des Pädagogen Friedrich Wilhelm Fröbel, die er 1852 geheiratet hatte, gründete 1856 in der Freien Gemeinde in Watertown, Wisconsin den ersten Kindergarten in den USA. Heute zählt Wisconsin zu den Partnerstaaten des Landes Hessen.

Nach dieser Exkursion zurück zur Steuben-Schurz-Gesellschaft: Was sie auszeichnet, ist – es klang bereits zu Beginn unserer Betrachtung an –  die „gelebte“ deutsch-amerikanische Verständigung und Freundschaft, über die Amtszeiten von US-amerikanischen Administrationen hinaus:

An der Spitze möchten wir die Förderungsprogramme der Gesellschaft nennen, also das USA-interns Program, ein deutsch-amerikanisches Studentenprogramm, das unter anderem Praktika bei Unternehmen in den USA und in Deutschland vermittelt. Es wurde 1999 gegründet und vom US-Konsulat in Frankfurt am Main und vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst unterstützt.

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Luftbrücke-Stipendiatin Courtney O’Brien aus Milwaukee, Wisconsin mit Präsidiumsmitglied und Initiator des Stipendiums Klaus Scheunemann

Weiter gibt es das Berliner-Luftbrücken-Stipendium für Studentinnen und Studenten aus den USA. Es wird in Erinnerung an die Toten der damaligen Luftbrücken-Aktion jährlich an eine amerikanische Studierende oder einen Studenten vergeben. Die Verleihung des Stipendiums erfolgt traditionsgemäss während des jährlichen Thanksgiving-Dinners.

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Thanksgiving-Dinner 2007 und Verleihung des Luftbrücken-Stipendiums im stilvollen Ambiente des Schafhofs in Kronberg/Taunus (Foto: Juliane Adameit)

Das Von Falkenhausen-Stipendium fördert Ingenieur-Studenten der Universität von Minnesota. Und schliesslich ist das Dr. Albrecht Magen-Stipendium für Studenten des naturwissenschaftlichen Bereichs der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main zu nennen.

Von grossem Renommee ist der deutsch-amerikanische Medienpreis, den die SSG seit 1988 an Personen vergibt, die in Presse, Hörfunk und Fernsehen sowie innerhalb der Musikszene und dem Theater die deutsch-amerikanische Verständigung gefördert haben.

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Klaus Dieter Frankenberger, FAZ, erhält den Medienpreis 2008; links im Bild Werner Holzer, Träger des Medienpreises 2007

Was aber wäre die Steuben-Schurz-Gesellschaft ohne ihre Mitglieder, Förderer und Freunde in Deutschland? Ein vielgestaltiges und hochqualifiziertes Veranstaltungsprogramm steht neben der Mitgliedschaft auch den Gästen offen, und viele Gäste sind unter dem Eindruck der intellektuellen wie auch kulinarischen Verführungen dieses reichhaltigen Angebots zu Mitgliedern geworden.

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Klaus Scharioth, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in den USA, zu Gast bei der Steuben-Schurz-Gesellschaft; in der Bildmitte US – Konsul James W. Seward, Public Affairs (Foto: Michael F. Jung)

Das Programm umfasst monatliche Vorträge und Diskussionsveranstaltungen mit interessanten und hochkompetenten Referenten zu politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Fragen, immer mit der Absicht, über die Vereinigten Staaten zu informieren und die interkulturellen Beziehungen zu fördern.

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Sommerfest mit Barbecue im Frankfurter Golf Club im Anschluss an das Orientierungs-Seminar USA-Interns

Ein sommerliches Barbecue mit jungen Amerikanerinnen und Amerikanern kann mehr zum deutsch-amerikanischen Verhältnis beitragen als hundert dicke Bücher oder der Blick in manche Fernsehnachrichten. Die SSG organisiert Besichtigungen und kulturelle Geselligkeiten vielfältiger Art, aber auch gemeinsame Reisen innerhalb Deutschlands und Europas und natürlich in die USA.

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2007: Delegation der Steuben-Schurz-Gesellschaft in New York; Vernissage in der Alp-Galerie mit Maria Anna Alp (Mitte) und Thomas Grosse, American-German Club New York (links)

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2007: Besuch beim Director for Career Services der German-American Chamber of Commerce, Thomas Dzimian

Die Damengruppe organisiert monatliche Veranstaltungen mit eigenen Schwerpunkten, während sich die Juniorengruppe um junge Menschen zwischen 18 und 30 Jahren kümmert. Beide Gruppierungen gestalten ihr eigenes Programm, wobei die gesamte Mitgliedschaft auch bei den Veranstaltungen der Damen und der Junioren herzlich willkommen ist.

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Feierstunde 60 Jahre Berliner Luftbrücke (US-Botschafter in Deutschland William Timken, Verteidigungsminister Franz Josef Jung, Oberbürgermeisterin Petra Roth, „Candy Bomber“ Gail Halvorsen, Ministerpräsident Roland Koch, Präsident der amerikanischen Luftbrücken-Veteranen Earl Moore, Fraport-Chef Wilhelm Bender, Air Force Europe-Kommandeur General Roger Brady (Foto: Gunnar Schanno)

Freundschaft und Verständigung mit unseren amerikanischen Verbündeten und die transatlantische Gemeinschaft sind ein bedeutender Faktor der gesamteuropäischen wie der nationalen gesellschaftspolitischen Entwicklung der Staaten Europas. Viele, sehr viele von diesem Grundsatz und von den unveräusserlichen Grundwerten eines gesellschaftlichen Zusammenlebens Überzeugte, wie sie in der Unabhängigkeitserklärung von 1776 festlegt sind, mussten sich durch manche Entscheidungen der derzeitigen Bush-Administration einer harten Belastungsprobe ausgesetzt sehen. Umso dankbarer sind wir den Aktivitäten und Zielen der Steuben-Schurz-Gesellschaft in Frankfurt am Main verbunden: auch und gerade vor dem 4. November 2008, dem Tag der Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten von Amerika.

(Bildnachweis, falls nicht gesondert gekennzeichnet: Steuben-Schurz-Gesellschaft e.V.)

→ Medienpreis der SSG an Robert B. Goldmann
→ Das Berliner Luftbrücke-Stipendium der Steuben-Schurz-Gesellschaft
→ Thanksgiving 2008 der Steuben-Schurz-Gesellschaft Frankfurt am Main

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