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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Pascal Dubreuil mit Bachs Clavier-Übung I

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(Bildnachweis: RAMÉE)

JOHANN SEBASTIAN BACH

PARTITAS

CLAVIERBUNG I (1731) – BWV 825-830
P
ASCAL DUBREUIL, CEMBALO

Titus Crijnen, nach H.Ruckers, 1996, (2 CDs )

„Man hatte noch nie so vortreffliche Claviercompositionen gesehen und gehört. Wer einige Stücke daraus recht gut vortragen lernte, konnte sein Glück in der Welt damit machen; und noch in unserm Zeitalter wird sich ein junger Künstler Ehre damit erwerben können, so glänzend, wohlklingend, ausdrucksvoll und immer neu sind sie.“

Johann Nikolaus Forkel, der erste Biograph von Johann Sebastian Bach, schrieb diese Sätze 1802 in seiner Schrift „Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke“. Zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung sorgten die sechs Partiten unter den Musikliebhabern für einiges Aufsehen. Von vielen gefeiert, von anderen wiederum kritisiert, wurde das Werk immer als ein Meilenstein in der Kompositionsweise für Cembalo betrachtet. Die meisten Kritiker hoben vor allem die extrem hohen Ansprüche an das spieltechnische Niveau und die Komplexität der Komposition hervor.

Der französische Cembalist Pascal Dubreuil setzt jetzt mit seiner im Mai dieses Jahres erschienenen Einspielung neue Massstäbe in der Interpretationsgeschichte der Partiten. Verdienter Lohn des Künstlers wie auch des Labels RAMÉE: der renommierte und begehrte „Preis der Deutschen Schallpattenkritik“, dessen Aufgabe es ist, die Öffentlichkeit auf herausragende Aufnahmen des Tonträgerangebots aufmerksam zu machen.

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Pascal Dubreuil (Bildnachweis: RAMÉE)

Pascal Dubreuil studierte Cembalo bei Yannick le Gaillard. Anschließend vervollständigte er seine Ausbildung auf Meisterkursen, unter anderem bei Kenneth Gilbert und Gustav Leonhardt. Darüber hinaus studierte er Orchesterdirigieren bei Nicolas Brochot.

Dubreuil erhielt sowohl in den Sparten Cembalo als auch Generalbass den Premier Prix am Conservatoire National Supérieur de Musique in Paris. 1997 war er Preisträger beim Internationalen Wettbewerb in Brügge.

Der Künstler spielt bei Konzerten und Aufnahmen in Frankreich und Europa als Solist und Kammermusiker auf dem Cembalo ebenso wie auf dem Clavichord und dem Pianoforte. Er musizierte unter anderem mit dem Bratislavaer Barockorchester Musica Aeterna, mit Claire Michon, Patrick Ayrton, François Fernandez, Bruno Boterf sowie Ricardo Rapoport, ferner als Generalbassspieler auf dem Cembalo oder der Orgel mit Vokalensembles wie dem „Ensemble Vocal de l’Abbaye aux Dames de Saintes“ und „Sagittarius“. Er ist regelmäßig auf Festivals wie Printemps des Arts, Académies Musicales de Saintes, dem Festival Alter Musik in Barcelona oder dem Internationalen Festival in Bratislava zu hören. Weiter übernimmt er regelmäßig die künstlerische Aufnahmeleitung für CD-Einspielungen, insbesondere für das französische Ensemble „Les Witches“.

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Cembalo im flämischen Stil, Bildnachweis: Ratigan (instrument et photo)/wikimedia commons GFDL)

Pascal Dubreuil hat sich auch als Lehrer und Musikwissenschaftler einen Namen gemacht: Er lehrt Cembalo und Kammermusik am Conservatoire National de Région in Rennes, wo er die Abteilung für Alte Musik leitet. Am Centre de Formation des Enseignants de la Danse et de la Musique im Poitou-Charentes bildet er die Studierenden in den Fächern Kammermusik und musikalische Rhetorik des Barock aus. Regelmäßig wirkt er als Jurymitglied und in Meisterkursen in Frankreich und im Ausland.

Nach mehrjähriger Forschungsarbeit über musikalische Rhetorik gab er in Zusammenarbeit mit Agathe Sueur die erste vollständige französische Übersetzung des Traktats von Joachim Burmeister Musica Poetica (1606) sowie grundlegender Passagen der zwei anderen Abhandlungen dieses Musiktheoretikers heraus.

Nun liegt die Clavier-Übung in einer Vielfalt von Einspielungen vor, zumeist auf dem modernen Konzertflügel. Der Überlieferung nach war Johann Sebastian Bach im Dialog mit den Instrumentenbauern seiner Zeit stets auf der Suche nach dem „besten“ Instrument, und die Annahme geht sicherlich nicht fehl, dass auch er sich der gewaltigen heutigen Instrumente bedient hätte, hätte es sie bereits zu seinen Lebzeiten gegeben. Dennoch sind wir glücklich, das Opus – endlich einmal wieder – in einer Neueinspielung auf dem Cembalo zu hören. Gerade Dubreuil erschliesst auf diesem Instrument und mit seinem Verständnis des Werkes als einen Diskurs neue musikalische Welten.

Wiederum keine Überraschung, weil wir insoweit angenehm verwöhnt sind, stellt der äussere Auftritt der neuen Edition von RAMÉE dar: Umschlag und Aufmachung sind ein kleines Gesamtkunstwerk, das Textheft mit einem ausführlichen Beitrag des Interpreten bildet zusammen mit den anderen RAMÉE-Booklets mittlerweile bereits eine eigene musikhistorische Bibliothek.

„Glänzend, wohlklingend, ausdrucksvoll und immer neu“ zitiert Pascal Dubreuil den eingangs erwähnten Bach-Biografen Johann Nikolaus Forkel, und schreibt: „Könnte man die Quintessenz dieses Werkes nach mehr als zwei Jahrhunderten besser herausstreichen?“

Dubreuil spielte die Clavier-Übung auf einem klangmächtigen, brillianten Instrument des Cembalobauers Titus Crijnen ein, der sich auf Repliken berühmter Meisterinstrumente des 17. und 18. Jahrhunderts spezialisiert hat. Das besagte Cembalo basiert auf einem Instrument der Antwerpener Cembalobauer-Dynastie Ruckers.

Hans Ruckers, um 1555 in Mechelen geboren, übersiedelte 1575 nach Antwerpen, wo er sich als Instrumentenbauer niederliess. Seine Söhne Johannes und Andreas führten den väterlichen Betrieb fort, wobei Letzterer später eine eigene Werkstatt begründete, die sein Sohn, ebenfalls mit Namen Andreas (verstorben um 1655), fortführte. Ein Mitglied der Familie, Johannes Couchet, sowie dessen Nachkömmlinge setzten die Tradition des Ruckers’schen Cembalobaus fort.

Etwa 130 Instrumente verschiedener Bauarten der Flämischen Schule aus der Zeit zwischen 1580 und 1680 sollen auf den heutigen Tag überkommen sein, teilweise in einem ausgezeichnet restaurierten und spielfertigen Zustand.

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(Cembalo, Werkstatt Ruckers, 1624; Foto: Frinck51 wikimedia commons GFDL)

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