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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Quo vadis, Bayreuth?

Zurückgekehrt vom „Grünen Hügel“, noch das den Auftritt der Regisseurin Katharina Wagner begleitende, fast schon tumultartige Buh-Gebrüll erboster Wagnerianer, festspielgeübter Wichtigmacher und notorisch Spass-am-Buh-Habender nach der letzten Bayreuther „Meistersinger“-Aufführung am vergangenen Mittwoch in den Ohren, schien es eventuell doch noch einmal spannend zu werden vor der Sitzung des Stiftungsrats am 1. September, dem Tag nach dem Rückzug des legendären Wolfgang Wagner von der Festspielleitung.

Das Ergebnis ist – Minuten nach seiner Verkündung – landauf, landab bekannt: Mit 22 Stimmen bei zwei Enthaltungen betraute das 24köpfige Gremium die beiden Wolfgang Wagner-Töchter Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wagner mit der Gestaltung des künftigen Geschehens auf dem Grünen Hügel. Beide wollen erklärtermassen in Kooperation mit dem Dirigenten Christian Thielemann als künstlerischem Berater „die Festspiele wieder zum weltweit führenden Theater der Wagner-Interpretation machen“.

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(Richard Wagner Festspielhaus am Grünen Hügel in Bayreuth; Foto: Rico Neitzel wikimedia commons CC)

Ja, spannend wurde es schon deshalb, weil Katharina Wagner mit ihrem letztjährigen Bayreuther Regiedebut und damit einer in der Kritik heftig umstrittenen Arbeit alles andere als einen eindeutigen und bejubelten Erfolg gelandet hatte. Spannend aber auch deshalb, weil das grosse deutsche Print-Feuilleton – Sie wissen ganz sicher, welches, weil es seit Wochen über die gegenwärtigen Inkarnationen wagnerischen Wesens in nicht immer feiner Weise herzieht – pausenlos und noch in seiner Ausgabe vom Tag der Zusammenkunft des Stiftungsrats die Werbetrommel für das Bewerberpaar Nike Wagner / Gérard Mortier geschlagen und die Bewerbung der beiden jetzt siegreichen Wolfgang-Töchter mit einem regelrechten Flächenbombardement belegt hatte. Vielleicht war das am Ende dann doch zu plump geraten.

Sicher – Gérard Mortier, weltweit renommiert und auch dem Frankfurter Publikum wohlbekannt, hätte seine beispiellosen Erfahrungen als Opernchef und Festspielleiter in eine künftige Arbeit in Bayreuth einbringen können. Aber Hand auf ’s Herz: Ein fast Fünfundsechzigjähriger, begleitet von der dreiundsechzigjährigen Nike – hätte das wirklich den ersehnten Aufbruch in eine innovative Bayreuther Zukunft bedeuten können, wie auch andere deutsche Feuilletons bezweifeln?

Katharina Wagner hat mit ihren „Meistersingern“ einen faszinierenden – sicher nicht rundum geglückten, vom genannten grossen deutschen Feuilleton zu Unrecht gnadenlos in Grund und Boden gerammten – Versuch unternommen, das Opus von seinem durchaus schweren Erbe zu befreien, schliesst das Werk doch etwa mit Texten wie diesem:

“ … Habt acht! Uns dräuen üble Streich’!
Zerfällt erst deutsches Volk und Reich,
in falscher welscher Majestät
kein Fürst bald mehr sein Volk versteht;
und welschen Dunst mit welschem Tand
sie pflanzen uns in deutsches Land.
Was deutsch und echt, wüsst’ keiner mehr,
lebt’s nicht in deutscher Meister Ehr’ … „

Nein, dazu muss man im sich integrierenden Europa der Jahre 2007 und 2008 – und immer auch noch im Bewusstsein der nicht unbelasteten Geschichte der Wagner-Tradition und der Festspiele selbst – Antworten finden, die über die bekannten Interpretationsansätze und ausgetretenen Pfade hinausgehen. Die dreissigjährige Katharina Wagner hat sich mit ihrer Inszenierung auf diesen schwierigen Weg begeben und zu bemerkenswerten, wenn auch in Teilen provozierenden und nicht nur deshalb umstrittenen Lösungen gefunden.

Wir freuen uns auf erfrischenden Wind, der das in so vielem behäbige Haus auf dem Grünen Hügel ebenso wie die Köpfe seines Publikums durchlüften kann, und auf weiter spannende Inszenierungen von Katharina Wagner – die im bevorstehenden Herbst in Bremen Wagners „Rienzi“ auf die Bühne bringen wird und sich im Jahr 2015 in Bayreuth mit der Regie von „Tristan und Isolde“ präsentieren soll.

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