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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Papier = Kunst?

Von Erhard Metz

Kann Papier Kunst sein? Keine Sorge, liebe Leserinnen und Leser, die Frage ist rein rhetorischer Natur und kann getrost mit einem Ja beantwortet werden, zumal in Aschaffenburg, genauer gesagt im dortigen Neuen Kunstverein mit seiner aktuellen Ausstellung „papier=kunst 6“.

Zum sechsten Mal präsentiert der Neue Kunstverein Werke von Künstlerinnen und Künstlern, die das Papier nicht nur als Träger und Plattform für ihr künstlerisches Schaffen nutzen, sondern in seiner Materialität als ein eigenständiges Medium in den Mittelpunkt ihrer Arbeiten stellen. Zu sehen sind Skulpturen und Kollagen ebenso wie raumgreifende Installationen aus Pappen und Papieren aller Art einschliesslich handgeschöpften und Materialien aus selbst angebautem Flachs, aus Japan- wie Seidenpapieren, aus Zeitungen und Zeitschriften und sogar aus Büchern. Der Verein knüpft mit dieser Thematik an eine alte Tradition Aschaffenburgs an, das – Dank seiner geografischen Lage im waldreichen Spessart – ein Zentrum der Papierherstellung und -verarbeitung war und auch heute noch ist.

Zu den ausgewählten Künstlerinnen und Künstlern dieser Ausstellung zählt Ina Holitzka, den Leserinnen und Lesern dieser Seite bereits bekannt (Räume, Abformungen, Schritte – Ina Holitzka erkundet die Raumzeit). In einer der Traditionen ihres spezifischen Schaffens nimmt sie „Abformungen“ mittels feinem Seidenpapier, dieses Mal vom ausdrucksstarken Dielenfussboden des von ihr ausgesuchten Raums im Kunstverein. Ihre „Simili – Parzellen 2008“ sind aus diesen Abformungen gebildet, deren buchstabenhafte Ausschnitte wiederum als kommunizierende, gleichwohl eigenständige Gebilde erscheinen: Intellektuelle Arbeiten von hoher Inspiration und Sensibilität.

Hildegard Mann arbeitet überwiegend mit Japanpapier, aus dem sie – aktuell ganz in einem leuchtenden dunkel-warmen Rot – nicht minder sensible Objekte formt.

Einen Kontrast nicht ohne Witz und Ironie – mit aller feinherben Bitterkeit jedoch, die jeglicher Ironie innewohnt – bilden die Puppen weiblicher Körper von Marion Michell, aus Zeitungspapier und Tesakrepp gefertigt: Kraft und Selbstbewusstsein spiegeln sich in ihnen ebenso wider wie Verletztsein, Schmerz und Versehrtheit.

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Marion Michell, Figur

Paradieshaften Muscheln ähnelnd, von antikisierender Anmutung sind die Arbeiten von Wilhelm Morat. Sie könnten auf den ersten Blick auch aus Alabaster oder Marmor sein, obgleich sie federleicht im Luftzug bei sommerlicher Wärme geöffneter Fenster und Türen schweben, sich drehend und verneigend. Morat bereitet seinen Werkstoff aus selbst angebautem Flachs, den er in einer Vielzahl von Arbeitsprozessen zu seinen bemerkenswerten, anmutigen Gestaltungen formt.

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Wilhelm Morat, Torso klein, Papierobjekt aus Flachs, 2008

Nicht minder sehens- und hervorhebenswerte Arbeiten von John Fraser, Wolfgang Hein, Norbert Pfeiffer, Irmgard Potthoff, Hans-Jürgen Simon und Bruno Sutter runden die Ausstellung ab, von der man schon jetzt sagen kann, dass sie eine äusserst geglückte ist. Die Leiterin des Neuen Kunstvereins Aschaffenburg, Elisabeth Claus, führte das zur Eröffnung zahlreich erschienene Publikum kompetent-einfühlsam in die einzelnen Werkgruppen ein. Ein qualifizierter Katalog wird, kündigte sie an, im Laufe des Juli erscheinen. Gottlob läuft die Ausstellung bis zum 24. August dieses Jahres, so dass ausreichend Zeit bleibt, sie aufzusuchen. Versäumen sollte man sie keinesfalls!

Neuer Kunstverein Aschaffenburg, Ausstellungshaus KunstLANDing, Landingstrasse 16, 63739 Aschaffenburg

(Bildnachweis: Neuer Kunstverein Aschaffenburg; © jeweilige Künstler)

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