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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Denglisch“-Quatsch … zum Zweiten

Geert Teunis in der Hauptversammlung der Volkswagen AG am 3. Mai 2006:

Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich vertrete eigene Aktien …

Ich habe vor einigen Monaten einen Passat bestellt und dabei erfahren, dass man fundierte Englischkenntnisse braucht, um alles zu verstehen, was angeboten wird. Bei der Ausstattung kann man wählen zwischen Trendline, Highline, Sportline und Comfortline.

Bei den Motoren gibt es u. a. TDI und FSI. Was „FSI“ bedeutet, weiß der Berater nicht genau; es heiße wohl „Full Selected Injection“ oder so. In Wirklichkeit heißt es natürlich „Fuel Stratified Injection“.

Es gibt weiterhin den FSI 4MOTION. Meine Nachfrage nach der Bedeutung von „4MOTION“ lautet: „Das ist doch klar: unser Allradantrieb!“ Der Berater weiß nicht, dass die korrekte Übersetzung für Allradantrieb „Four wheel drive“ ist. „4MOTION“ ist eine grammatikalische Unmöglichkeit und stellt eine böse Verstümmelung der englischen Sprache dar. Denn „Motion“ für Bewegung kann morphosyntaktisch nicht mit einer Zahl kombiniert werden. Im Englischen ist das genau so unmöglich, wie es „4Bewegung“ im Deutschen wäre. Bei den Farben ist es so bunt, dass es mir wegen der vielen englischen Qualifizierungen einfach zu bunt wird, bei denen man sich offenbar nicht die Mühe gemacht hat, nach deutschen Äquivalenten zu suchen. Ich darf wählen aus Candy-Weiß, Granite Green, Arctic Blue Silver, Wheat Beige, Shadow Blue, United Silver usw. Gibt es wirklich keine treffenden deutschen Namen für unser deutsches Produkt? Wo bleibt die Kreativität unserer Werbeabteilung?

(Beifall)

Darüber hinaus bietet die Volkswagen Individual GmbH ein individuelles Designpaket aus Sensitive-Leder, in Snow Beige und Türinserts in zeitlosem Design. Und dann zum Entertainment: Ich darf bestellen: Multimedia-Kit, PhatBox und Rear-Seat- Entertainment-Geräte. Bei all den englischen Vokabeln, die ich höre und lese, frage ich mich: Ist das eine Beratung für einen deutschen Kunden oder einen englischen Kunden? Nun fahre ich ihn, den Passat, und muss mich zurechtfinden mit Bezeichnungen wie TIM für Traffic Information System, TMC für Traffic Message Channel, EPC für Electronic Power Control, ACC für Adaptive Cruise Control, mit MUTE, DEST, NAV, MAP, Scan und Autostore, mit Autohold, Reset, SPEED, CANCEL,

(Heiterkeit und Beifall)

mit KESSY für Keyless Entry Start Exit System. – Es ist ein Graus, meine Damen und Herren!

(Beifall)

Es gibt nicht nur die unverständlichen Abkürzungen, sondern unter dem Navigationssystem prangt ein Satz: PASSENGER AIR BAG OFF. – Zu Deutsch, frei übersetzt: Passagier Luft Sack aus.

(Heiterkeit)

Ohne Englischkenntnisse und intensives Studium des Bordbuches kommt man nicht mehr zurecht! Warum steht auf dem Zündschloss der Schriftzug „ENGINE Start/Stop“? Es ging doch Jahrzehnte ohne diesen völlig überflüssigen und unverständlichen Hinweis!

Nach der Übergabe des Fahrzeugs war früher der Kundendienst für mich zuständig. Nun ist er umbenannt worden in After Sales Service.

(Heiterkeit)

Das ist absolut nicht einzusehen. Das ist nicht nur rücksichtslos, sondern es erscheint mir auch verkaufsstrategisch gesehen als dumm, so mit deutscher Kundschaft umzugehen.

(Beifall)

Ich empfehle, sich ein Beispiel an McDonald’s zu nehmen. McDonald’s hat in Deutschland bis vor gut einem Jahr mit „Every time a good time“ geworben. Eine Marktanalyse ergab, dass dieser Werbespruch von der Bevölkerung nicht verstanden wurde. McDonald’s hat seinen Werbespruch geändert in „Ich liebe es!“.

(Heiterkeit und Beifall)

Aus demselben Grund hat auch unsere Konzerntochter Audi umgeschwenkt von „Driven by Instinct“ auf „Pur und faszinierend“.

Herr … , auch Ihre Mitarbeiter in der Produktion verstehen nur unzulänglich Englisch. Sie haben trotzdem vier „Product Units“ ? abgekürzt PUs ? für vier selbständig wirtschaftende Einheiten eingeführt. Es sind dies die PU A-Klasse, die PU Presswerk, die PU Trim und die PU Fahrsysteme – ein schönes Mischmasch aus Deutsch und Englisch! Gemeint sind aber offensichtlich gar nicht „Product Units“, sondern „Production Units“. Abgesehen von diesem Fehler empfehle ich, die jetzt von Ihnen eingeführte Bezeichnung „Product Unit“ wieder zurückzunehmen. Die bisher gebräuchliche „Fertigung“ kann genau so wirtschaftlich arbeiten wie eine „Product Unit“.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, wenn der Kunde nachhaltig an Volkswagen gebunden werden soll, muss die Sprache stimmen. Die ist für deutsch Sprechende nun mal Deutsch und kein deutsch-englisches Mischmasch.

(Beifall)

Außerdem hat jeder das Recht, nicht Englisch zu können.

(Beifall)

Herr … , ich habe abschließend zwei Fragen und einen Vorschlag. Meine erste Frage: Beabsichtigen Sie, im deutschen Volkswagen Konzern, der bereits seit Jahrzehnten global agiert, jetzt zunehmend englische Bezeichnungen einzuführen, insbesondere auch dann, wenn es gute deutsche Wörter gibt? Meine zweite Frage: Ist schon einmal geprüft worden, welche Haftungsrisiken bestehen, falls ein des Englischen nicht mächtiger Kunde den im Zweifel lebenswichtigen Warnhinweis „PASSENGER AIR BAG OFF“ nicht berücksichtigen konnte?

Und nun mein Vorschlag: Herr … , Sie haben vor gut einem Jahr einen neuen Namen für unseren deutschen Volkswagen Konzern gesucht, um eine Abgrenzung zu Volkswagen Aktiengesellschaft zu erreichen. Ich habe auf der letzten Hauptversammlung „People’s Wagon Group“ vorgeschlagen. Dieser Vorschlag wurde abgelehnt.

(Beifall)

Ich versuche es heute mit einem anderen Vorschlag. Falls Sie eine englische Bezeichnung für unseren Betriebsrat suchen sollten, ich habe ein Angebot: „Work Council“ mit der Abkürzung „WC“.

(Große Heiterkeit und Beifall)

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass Ihnen mein Vorschlag so gut gefällt. Dann dürfen wir zusammen auf die Antwort von Herrn … gespannt sein. Falls der Vorschlag angenommen wird, kann der Worker an der Finishline künftig während oder nach seiner Shift zu seinem vertrauten WC gehen.

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche allen Volkswagen-Fahrern eine gute Zusammenarbeit mit ihrem After Sales Service.

(Heiterkeit und Beifall)

narrenturm-in-wien.jpg

(Sogenannter Narrenturm, weltweit erster Spezialbau zur Unterbringung von Geisteskranken, auf dem Gelände des Wiener Allgemeinen Krankenhauses; Foto: Gryffindor wikimedia commons GFDL)

7 Kommentare zu “„Denglisch“-Quatsch … zum Zweiten”

  1. claudia johann
    30. März 2008 22:15
    1

    Vielleicht sollte man sich die Betriebsanleitung eines importierten Autos anschauen. Die Übersetzung wär‘ möglicherweise überraschend verständlich.
    Wenn jedoch die Entscheidung für oder gegen ein Produkt von der Verständlichkeit der Anleitung abhängt, dann stellt sich der Hersteller ein Armutszeugnis aus.

    Schöne Grüße. :-)

  2. Ursula Günther
    31. März 2008 13:30
    2

    Mit „Flash-Rot“ ist die Farbe meines funkel-nagel(?)-neuen VW angegeben. Seither bewegt mich die Frage, ob es rote Blitze gibt. „Knallrot“ finde ich treffender und vom Wort her viel schöner, es wirft allerdings eine neue Ungereimtheit auf: kann ein Knall rot sein?

  3. Dojč « Ute & Christian’s Blog
    31. März 2008 23:04
    3

    […] Übringens. Auf dem Blog von Erhard Metz gibt es noch eine thematische Fortsetzung. […]

  4. Helmut Schmitz
    1. April 2008 09:21
    4

    Das Problem ist doch. dass die Erfinder gar nicht korrekt Englisch sprechen können. Gegen Denglisch ist so lange nichts einzuwenden, als es einen Mehrwert bietet. So lange eine Frau einen Lover statt einen Liebhaber hat, hat dies doch eine andere Konnotation. Aber Unwissenheit hinter Floskeln, Schlagwörter und unverständlichen Ablürzungen zu verstecken ist das Schlimmste. Hinzu kommt. dass VW offensichtlich sein Personal nicht schult, um diese Neukreationen weiter zu geben. Noch ein zeichen von Dummheit.

  5. claudia johann
    1. April 2008 22:04
    5

    Vor langer Zeit hatte VW auch mal „Phönix-Rot“.
    Ein Fahrzeug… aussehend wie ein feuerroter, gerade der Asche entstiegener Phönix!
    Da kommt „Flash“ irgendwie nicht mit! :-(

  6. Ursula Günther
    3. April 2008 20:19
    6

    Phönix-Rot? Das hat mich interessiert, nicht vom Mythos, sondern vom Namen her! Ich habe im Altgriechisch-Wörterbuch nachgesehen: phoinios= blutrot, rot, blutig. Phönix-Rot wäre also doppelt-gemoppelt.

  7. claudia johann
    5. April 2008 15:17
    7

    Hab‘ gedacht, Phönix wäre der Name des Vogels! Jetzt gibt’s nochmals einen Minuspunkt an VW wegen des Doppelt-Gemoppelten! So…!!! :-)