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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Barbara Feuerbach

Feurigrot wie Feuerbach – Barbara Feuerbachs androgyne Wesen

Von Erhard Metz

Darf Kunst – auch – heiter sein? intelligent-witzig? Spass machen? zum Schmunzeln bringen? kulinarisch sein?

Achtung! Hier kommt sie, die Kunst: Ist sie nicht fraulich-herrlich?

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Darf Kunst frei von Moralinsäure daherkommen? und durchaus figurativ? frei sein von – wenn uns dieser etwas frivole Ausflug in die Welt der Musik gestattet sei – der Genialität beethovenschen Ausmasses? vom rotwein- und zigarrenrauchschwangeren Übervaterwesen eines Brahms? von Wagners mythisch-überhöhter Götter- und Künstlerdämmerung? Warum fallen uns eigentlich hier nur Männer ein?

„Die Subversion des Lachens“ hiess, trefflich benamt, eine der Ausstellungen von Barbara Feuerbach, damals im Dortmunder Museum am Ostwall. Hier ist sie, diese wunder- wie lustvolle Subversion: Feurigrot wie Feuerbach!

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Doch Vorsicht: Erscheinen doch am unteren Bildrand bereits die ersten „Dunkelmänner“!

Barbara Feuerbach. Steckbrief: geboren 1952 im wetterauischen Friedberg. Ein wohlerzogenes, gelehrsames Mädchen, in ländlicher Umgebung aufgewachsen, mit Blumen, Gänsen und einer Grossmutter, die letzteren zum familiären Verzehr den Hals herumdrehte. Perfekt in Handarbeit – die Mutter war Schneiderin – (Exkurs: sie handwerkelt, die Künstlerin, so nebenbei, etwa im Winter, wenn die Temperatur im Atelier auf fragwürdige Werte absinkt, zu Hause auf’s Schönste an allerlei Decken, Beuteln, Pulswärmern und anderen wundersamen, den Alltag liebenswert machenden Wohlfühlsachen). Nach der Schule dann in den Jahren von 1975 bis 1980 Studium an der Staatlichen Hochschule für bildende Künste in Frankfurt am Main – bekannt als Städelschule. 1982 Aufenthalt und weiteres Studium in New York, Los Angeles und San Francisco, bevor sie sich, zurück in Deutschland, in verschiedenen Künstlergruppen engagierte und als freie Malerin niederliess. Aber nein, niederlassen, das passt so gar nicht recht zu ihr. Sagen wir: Ihr Feuer(bach)werk entfaltete, das bis zur Stunde wetterleuchtet und blitzt. Und immer wieder kleine, feine Raketen zündet. Da staunen die Zurückgebliebenen im Wetterauischen, und sie stecken die Köpfe zusammen und raunen sich vielbedeutend zu, dass es eine von ihnen zur bekannten Malerin im grossen Frankfurt gebracht hat.

Die Kunstszene, das Galeriepublikum, die Sammler, seien es private oder institutionelle – sie kennen Barbara Feuerbach nämlich seit langem, und sie zollen der bienenfleissigen Künstlerin viel Anerkennung und Respekt. Ihre Arbeiten bereicherten die Kunstmärkte und -foren in Dresden, Köln und Frankfurt am Main. Auch in Hamburg und Basel sind sie bekannt und geschätzt. Selbstverständlich erhielt die Künstlerin diverse Preise und Auszeichnungen. Die Zahl ihrer Einzel- und Gruppenausstellungen ist derart gross, dass wir es an dieser Stelle bei diesem Hinweis belassen müssen. Ihre Werke finden sich in vielen Sammlungen, unter anderem der Deutschen und der Dresdner Bank, der Deutschen Telekom und von Microsoft, München, der cash.life AG in Pullach, von Saatchi & Saatchi, Frankfurt, in der Sammlung Atlanta, USA, der Sammlung David Bowie, Grossbritannien, der Sammlung von Planta in der Schweiz, der Sammlung Michael Conrad & Leo Burnett in Frankfurt sowie im Funkhaus des Hessischen Rundfunks. Die renommierte Frankfurter Galerie ARTE GIANI betreut die Künstlerin seit vielen Jahren. In 2004 schliesslich hatte sie eine Gastprofessur an der Internationalen Sommerakademie für Kunst und Design „Pentiment“ in Hamburg.

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Nähern wir uns der Künstlerin und ihrem Werk. Viele haben bereits über sie geschrieben und sich dabei um Deutungen bemüht, die sich am Ende mitunter im bekannten Kunstsoziologen-Slang verhedderten, schlimmstenfalls unter Zuhilfenahme von Allzweckwaffen à la Sigmund Freud. Folgen wir dem nicht, sondern halten wir es mit dem Arzt, Ikonographen, Evangelisten und Schutzheiligen der Malerkünstler: mit Lukas (Kapitel 1, Vers 1 bis 3): „Sintemal sich’s viele unterwunden haben, Bericht zu geben von den Geschichten, so … habe ich’s auch für gut angesehen, … dass ich’s dir … in Ordnung schriebe“. Oder mit Pablo Picasso: „Das Geheimnis der Kunst liegt darin, dass man nicht sucht, sondern findet“. Lassen Sie uns also finden, ohne zu suchen!

Da ist zunächst die Person der Künstlerin. Sie kreiert ihrerseits Figuren, Personen, die auf den Leinwänden und anderen Malgründen ein Leben entfalten. Dann wir als Betrachter. Ein Kommunikationsdreieck. Und weil, in Feuerbachs Arbeiten, ihre Protagonistinnen und Protagonisten kaum jemals den Betrachter anblicken, gibt es da noch einen mit Personen erfüllten Raum neben, hinter, jenseits von uns? Wer mag sich wohl darin aufhalten? Unser alter ego? Heimliche Komplizen der Künstlerin? Oder doch niemand? Blicken die Figuren am Ende ganz und gar durch uns hindurch, als seinen wir aus Glas, vielleicht aber ein Brennglas?

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Sie malt, die Künstlerin, ausgestattet mit allen Möglichkeiten solider maltechnischer Fertigkeiten, mit dem Wissen um die Kraft der Formen und Farben mit lustvoll-sattem Pinselstrich, in Acryl wie in diversen Mischtechniken, auf den verschiedensten Malgründen einschliesslich Holz. Selbstverständlich entwickelt sie die Farben eigenständig aus Pigmenten. Man sieht, man fühlt, wenn man mit den Fingerkuppen über die Farbflächen streicht, wie gerne, wie lustvoll sie malt. Bienenfleissig sei sie, schrieben wir vorhin, das ist wahr: Die Zahl ihrer Bilder, allesamt kunstfertig wie sorgfältig ausgeführt, ist riesig, aus allen Regalen und Schränken ihres Ateliers zieht sie ihre Leinwände und Holztafeln hervor, und eine Serie besticht in besonderer Weise: Die Tafeln sind in farbenfrohen Taschen aus fantasievoll zusammengenähten Stoffresten verpackt, ein Gesamtkunstwerk.

Die Malerin gestaltet Frauen, Männer und Paare, also das vermeintliche Duo von Frauen und Männern. Und nun nähern wir uns dem Wesen dieses aus sich heraus sprudelnden Schaffens: Ist es das unleugbar Androgyne ihrer Figuren? Stellt sie die unterschiedlichen Wesenheiten von Mann und Frau in Frage? Wohl nicht. Vielmehr scheint es uns um ein existentielles Geheimnis des irdischen wie universellen Daseins zu gehen, der Ausprägung des Lebens in Geschlechtern nämlich, als Frau und als Mann, oder, wie es die Schöpfungsgeschichte schreibt, als Mann und Frau. Sie sind zum Zusammensein verurteilt, damit sich das Leben erhält und weiter entwickelt, und sind doch so voneinander verschieden, so weit voneinander entfernt. Wir mögen sie, diese Frauen mit ihren kräftigen Beinen und Armen (die den Gänsen den Hals herumdrehen können?), diese androgynen Männer (die solches offensichtlich nicht zu leisten imstande sind), diese einander in grotesker Mesalliance verbundenen Paare, wir mögen sie ob ihrer Komik, oder fröhlichen Tragik, weil sie uns eigentlich leidtun, oder weil wir uns einem Geheimnis auf der Spur wähnen, dessen Enthüllung uns Lust verspricht?

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Da sind zu allererst die Frauen mit ihren scheinbar sorglosen, fröhlich-kessen, sexy-frechen Gesichtern, eitel, selbstverliebt. Mal sitzen sie, so mädchenhaft, verschmitz-brav am Tisch, mit überdimensionierter rosaroter Schleife im Haar, als wollten sie ihren Eltern soeben die Nichtversetzung in die nächsthöhere Schulklasse eingestehen. Mal strahlen sie uns – oder jene Welten hinter und jenseits von uns – so unbeschwert und naiv an, sie hüpfen, sie tanzen und springen, sie strecken vor riesigen Lippenstiften unschuldig-schuldig lasziv ihre Beine in die Höhe, gleichsam in Champagnerprickeln gebettet.

Dann kommen die Männer, sie rennen dickbemuskelt, kraftstrotzend-komikhaft in grünen oder blauen Trikotagen hinter den Frauen – oder vor ihnen? – her. Oder sie sitzen – ebenso selbstverliebt wie die Mädels – in albern-gepunkteten Anzügen und mit phallisch-aufblühender Krawatte, mit ausgebreiteten überlangen Beinen und klumpigem Schuhwerk auf dem Präsentierstuhl. Auch ihr Blick geht in die Ferne, oder ins Leere, sicher aber nicht zur Partnerin. Ob sie sich nicht doch eine solche ersehnen? Klein erscheinen ihre Köpfe gegenüber den gewaltig dimensionierten Knien, lächerlich klein.

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Und dann die Paare, die sogenannten: Da reicht der einfältig-bemühte Adam vor blumigem Paradieshintergrund der listig wie melancholisch dreinblickenden Eva den Apfel – oder gibt er ihn ihr zurück? Wie hilflos sind die beiden im Anblick dieser Frucht. Und kann denn dieser Apfel tatsächlich am Baum der Erkenntnis gereift sein? Da stehen sie, er im blaugrünen Jakett, sie im feuerbachroten Kleidchen, ihre Blicke können sich nicht treffen, sie gehen vielmehr weit auseinander: Kann sein, dass sie ein Paar werden, verstehen werden sie sich in ihrer Ichbezogenheit nicht, niemals. Und, oh Schreck, was ist das? Adams Rechte hat nur drei Finger! Was für ein Mann ist er? Was für ein Spiel treibt die Malerin mit ihm?

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Jetzt kommen die „Dunkelmänner“, wir haben sie bereits kennengelernt. Der eine ergreift die blauäugige, einfältig-eitel dreinblickende Frau bei den unbekleideten Schultern, der andere, übergross, ein – sagen wir – smarter Geschäftsmann mit Krawatte, schaut lüstern, hinterhältig-wissend zu, er wird sich am Ende die Beute selbst sichern. Oder wirken beide in kollusiver Absicht zusammen, die Frau zu erobern? Noch schlimmer: Machen sich die beiden Dunklen in ihrem Gehabe nicht selbst lächerlich? Ein Paar jedenfalls wird auch aus diesem Dreiergeflecht niemals werden.

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Dieses Lächeln, dieses Grinsen, es ist ironisch, listig, sogar arglistig, es kann ins Boshafte, ins Böse, ins Abgründige umschlagen. Es richtet sich gegen Konventionen, gegen Mächte und Autoritäten. Da greift die gepflegt gekleidete Lady, mit ihrem Stirnband den üppig-kessen Haarwuchs auffächernd, zur Maschinenpistole, die aber ist goldbronziert. Ob sie auch schiessen würde, überhaupt schiessen könnte? Und hält sie das schreckliche Gerät nicht derart locker mit der Rechten, dass es ausschaut, als sei es ein Spielzeug und keine stählerne Waffe? Sie lehnt sich auf, dieses „Flintenweib“, sie zeigt es all den mächtigen, schrecklichen, mit den mittelalterlichen Menschen- oder Hexenfängern hantierenden weltlichen wie geistlichen Herrschern im hintergründigen Dunkel. Hier schiesst jemand mit dem Pinsel, und wir freuen uns über jeden Treffer.

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Wir nähern uns dem Jahr 2007: Barbara Feuerbach – ausgestattet mit einem Stipendium der Stadt Frankfurt am Main – arbeitete als „Artist in Residence“ in Strassburg. In einer Serie „Les Belles Strasbourgeoises“ entstanden unter dem Eindruck der altehrwürdigen steinernen Figuren des Strassburger Münsters Bilder von grosser Wirkmächtigkeit und Suggestivkraft zu dem immer wiederkehrenden Thema Frauen, Männer, Paare.

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Nicht gänzlich unverwandt mit der Serie der „Dunkelmänner“ erleben wir Beziehungen junger, attraktiver wie lebensfroher, dem Zeitgeist verhafteter Frauen mit den mächtigen, in Stein geschlagenen Herrschern dieser Welt. Niemals können sie sich in Fleisch und Blut begegnen. Gesteigert wird diese Wahrnehmung durch den Bastard, den die Frau, einem Schosshündchen gleich, in den Armen hält: ein Wasserspeier des Münsters, ein gespenstisches, irreales Kind des ungleichen Paares. Deutlicher wird man die Verwerfungen zwischen Mann und Frau kaum zum Ausdruck bringen können. Aber: Liegt in jeder Distanz nicht immer auch ein Schmerz? Schwingt nicht ein Hauch von Wehmut mit, von der Ahnung einer anderen Welt, die nicht erreichbar erscheint, einer fantasievoll gewirkten Welt vielleicht sogar in der Trinität von Vater, Mutter und Kind?

Ebenfalls aus dem zurückliegenden Jahr 2007 und damit aus dem jüngsten, zum Jahreswechsel bei ARTE GIANI präsentierten Schaffen der Malerin stammen einige der schönsten, wärmsten ihrer Bilder, und es will scheinen, als schliesse sich vorerst ein Kreis: Wir begegnen im Zyklus „Alice im Wunderland“ einer lebendigen Kindheit und Kindlichkeit, hier der Alice mit sieben Gänsen und der Alice mit Bonbons, und wir sind wieder zum so einzigartigen Feuerbachschen Feurigrot zurückgekehrt, das uns fortan nicht mehr aus seiner Wirkmacht entkommen lassen will.

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Wer mögen wohl die sieben Gänse sein? Wer die türkis- und rotfarbigen schemenhaften Gestalten? Schauen manche der Gänse nicht ähnlich dümmlich-selbstgefällig durch uns hindurch und an uns vorbei wie die vielen männlichen Gestalten der Künstlerin? Wer zwickt Alice am Zopf? Und was ist mit dem Löwenzahn, dem von Gärtnern gehassten, so sonnengleich goldgelbblühenden Gewächs, dem ersten Nahrungsspender der Honigbienen im Frühjahr, den geliebten kleinen Trötenstengelchen der Kinder, dem Augen- und Rheumaerkrankungen, Leber und Nieren heilenden Milchsaft? Wir sind uns gewiss: Alice weiss um die Schönheit und Wirkung des Löwenzahns; und Alice wird keiner der Gänse den Hals herumdrehen!

Und wir kennen auch diese Alice: Nein und abermals nein, die Bonbons will sie nicht.

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(Bildnachweis: © Barbara Feuerbach)

→  Starke Hände – starke Frauen: Barbara Feuerbach und das Bild der Frau in ihrer Malerei

→  Wer wagt sich auf’s Wasser mit Barbara Feuerbach?

→ Barbara Feuerbach: „von Geblüth“ in der Galerie ARTE GIANI

3 Kommentare zu “Barbara Feuerbach”

  1. claudia johann
    17. Februar 2008 08:51
    1

    Nach dem ersten Betrachten und dem Lesen des liebevoll begleitenden Textes, bekommt man Lust auf mehr… auf mehr Bilder zum eigenen Entschlüsseln und Verstehen.
    Welch ein Glück, dass Barbara Feuerbach ihre Quelle: „Die Subversion des Lachens“ entdeckt hat, sie dürfte unerschöpflich sein…

  2. ute raab
    20. Februar 2008 11:18
    2

    Und man/frau darf gespannt bleiben auf die nächsten Werke. Kaum eine textliche Einführung war so unterhaltsam und treffend formuliert. Mein Kompliment zu dieser Kombination. Liebe Barabara Feuerbach „mach‘ weiter so!“ und lieber Erhard Metz „Sie ebenso!“. Ein herrlicher Augen- und Leseschmaus – absolut empfehlenswert.

  3. kurt
    23. Juni 2008 18:26
    3

    Liebe Barbara,
    ich bin immer wieder entzückt von Deinen
    Menschenbildern. Schelmisch und zum
    Schmunzeln.
    Wann höre ich mal wieder von Dir?
    Kurt