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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Verführung aller Sinne – ein Streifzug durch Museen an der Côte d’Azur

Die Côte d’Azur – eine Landschaft zum Träumen und Verweilen. Aber es gibt dort noch viel mehr zu entdecken … Die bekannte Rundfunkjournalistin Renate Feyerbacher führt uns in das Reich der küstennahen Museen.

Von Renate Feyerbacher

Côte d’Azur und Provence waren und sind Heimat vieler bedeutender Künstler. Vincent van Gogh faszinierten die Farben der Provence. Paul Cézanne, Vater der Moderne, lebte in Aix-en-Provence und übernahm die Farbenpracht in seine Bilder. Auguste Renoir war in den letzten zwölf Jahren seines Lebens in Cagnes zu Hause und Pierre Bonnard in Le Cannet bei Cannes.

Der in Nizza geborene Louis Bréa (1450 bis 1523) schuf im 15./16. Jahrhundert Meisterwerke in Kirchen entlang der Mittelmeerküste von Nizza bis Genua. Bréa wurde der provenzalische Fra Angelico genannt. Heute lässt sich sein Schaffen zum Beispiel im Franziskanerkloster unweit des Musée Henri Matisse in Nizza-Cimiez – hier ist es ein Pietà-Bild – bewundern.

Matisse lebte 16 Jahre bis zu seinem Tod in Nizza. Das ihm gewidmete Museum, das auf dem Gelände der römischen Siedlungsanlagen in einer alten Villa untergebracht ist, besitzt Gemälde, Grafiken, fast alle der von Matisse geschaffenen Plastiken und auch Keramikwerke. Interessant: hier kann man auch die Vorarbeiten zur Chapelle du Rosaire verfolgen. Die Chapelle du Rosaire – die Rosenkranzkapelle – schuf er im benachbarten Vence für die Dominikanerinnen-Kongregation. Die intensiven Farben blau, grün, gelb der Fenster spielen mit den weissen Keramikkacheln. Sie widmen sich der Geburt Christi, dem Kreuzweg und dem Ordensgründer Dominikus. Matisse war bereits 77 Jahre alt, als er 1947 die Chapelle zu planen begann. Er nannte sie „das Ergebnis eines Lebens, das ganz der Wahrheitssuche gewidmet war“.

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Saint-Paul de Vence

Saint-Paul de Vence, nur wenige Kilometer entfernt, ist ein malerischer Ort mit alten Mauern, Torbögen, Treppen, Brunnen, Boutiquen, Antiquitätenläden und Galerien. Hier in Saint-Paul de Vence, wo Marc Chagall 1985 starb, hat sich eine der bedeutendsten privaten Kunststiftungen angesiedelt. Es ist die Foundation Marguerite und Aimé Maeght.

Die Sammlung, die vor allem wegen ihrer Miró- und Giacometti-Skulpturen immer einen Besuch wert ist, überrascht mit der interessanten Ausstellung: Barcelone 1947 – 2007. Für die Journalistin aus Frankfurt eine wunderbare Einstimmung auf die Frankfurter Buchmesse, die Katalonien zu Gast hat.

Insgesamt 47 Künstler sind vertretend für die Kunst Barcelonas ausgestellt. Einer von ihnen ist José Manuel Broto (*1949), der durch seine ausgefallenen Arbeiten im Gedächtnis bleibt. Besonderes Augenmerk legt die Ausstellung mit 150 Gemälden, Skulpturen, Objekten, Fotografien und einem sehr witzigen Video von Carles Santos auf die Künstlerbewegung / Künstlerzeitung Dau al Set (Würfel mit Sieben). Zu dieser kleinen Gruppe, die 1947 gegründet wurde, gehörten bildende Künstler, Literaten und ein Philosoph. Namen wie Antoni Tàpies und Joan Brossa sind mit ihr verbunden. Joan Brossa (1919 bis 1998), Mitbegründer der Gruppe, hat wie kaum ein anderer Poet die katalanische Literatur des 20. Jahrhunderts beeinflußt. Er war nicht nur Poet, sondern auch Objektkünstler und begeisterte sich für Theater und Magie. Mit Seife, Spiegelei, Messer, Schuh und weiteren alltäglichen Objekten, die als visuelle Poesien zu verstehen sind, ist er in der Ausstellung vertreten. Von Tàpies (*1923), der gerne mit Naturalien arbeitet, ist neben faszinierenden Gemälden sein Materialbild der Müllsäcke zu sehen. Modest Cuixart (* 1925) ist mit den interessanten Gemälden Ibsen und Reiter dabei. Alle Künstler der Bewegung Dau al Set vertraten eine klare politische Position gegen das Franco-Regime.

Auch Joan Miró (1893 bis 1983) war ein Gegner Francos. Er, einer der Urväter der katalanischen Kunst, darf in dieser Schau natürlich nicht fehlen. Seine surrealistische Leichtigkeit hat Tàpies zunächst entscheidend geprägt.

Die Ausstellung Barcelone 1947 – 2007 ist noch bis zum 4. November 2007 in der Foundation Maeght zu sehen. Informationen gibt es unter www.maeght.com/editions/.

Wo das Auge hinschweift – Picasso und Chagall. Eng waren diese Künstler mit der Côte d’Azur verbunden. Im Château Grimaldi von Antibes hatte Picasso 1946 ein Atelier, das heute das Picasso-Museum beherbergt. Unweit von Antibes in der Poterie Madoura in Vallauris schuf er zwischen 1947 und 1971 seine unnachahmlichen Keramiken. Vallauris ist heute noch mit rund 100 Künstlerateliers eine Hochburg keramischer Kunst. Im Château von Vallauris hat die kleine Stadt ein Keramik-Museum eingerichtet, das mit ausgewählten Exponaten einen Überblick über diese Kunstrichtung gibt. Die derzeitige Sonderausstellung Marc Chagall & La Ceramique ist dem Künstler gewidmet – eine „Offenbarung“.

Auch Chagall hatte in den Töpfereien des Südens gearbeitet, hatte jedoch im Gegensatz zu Picasso Wert darauf gelegt, dass jedes Stück ein Unikat ist. Seine berühmten Liebespaare, Vögel, biblischen Szenen, Chimären hat Chagall auf Vasen, Schalen, Teller, mit der von seinen Bildern bekannten Farbintension gemalt. Die Formen sind feingliedrig, das Träumerische, Mysteriöse seines Stils kommt auch hier voll zur Entfaltung. „La terre est si lumineuse“ (der Ton ist so außergewöhnlich) beschrieb er seine Erfahrung mit dem Werkstoff. Noch bis zum 30. September ist der Keramiker Chagall im Musée Vallauris vetreten.

Und wer noch mehr von Chagall sehen will, muss nach Nizza ins Musée national Marc Chagall fahren. Dort widmet sich eine Ausstellung den Monstern, den Chimären und Hybriden im Werk des Künstlers. Bis zum 29. Oktober täglich ausser dienstags von 10 bis 18 Uhr ( www.musee-chagall.fr).

Pablo Picasso wird in diesem Kultur-Sommer in Saint-Tropez geehrt. 100 Arbeiten des Künstlers dokumentieren die Kulturgeschichte des Mittelmeeres. Landschaftsgemälde – auch sehr frühe – , Bilder zum Stierkampf und Mythen des Südens sowie Keramiken hat die Ausstellung Picasso et la Méditerranée von überall her zusammengetragen. Noch bis zum 15. Oktober im Musée de l’Annonciade – ausser dienstags von 10 bis 19 Uhr.

Cannes feierte in diesem Jahr das 60jährige Bestehen seines Filmfestivals. Im Kunstzentrum La Malmaison an der Croisette zeigt Robert Combas seine schrillen, anarchistischen Film-Bilder datiert aus 2007. Es ist eine Hommage an berühmte Filmstars wie Elizabeth Taylor, Anita Ekberg oder Roberto Fellini. Die poppigen, grellen Farben, die grobe Ornamentik seiner Acryl-Gemälde verwirren. Cinéphage à Gogo zeigt La Malmaison bis 25. November (www.cannes.com).

Und wenn man schon an der Croisette ist und mal Natur und nicht Kunst erleben will, dann ist eine Schifffahrt zur Insel Ste-Marguerite genau das Richtige. Die grösste der Iles de Lérins bietet schöne Eukalyptus- und Kiefernwälder. Die sanften Hügel lassen sich gut erwandern. Das Fort aus dem 17. Jahrhundert auf der Nordseite der Insel diente lange Zeit als Gefängnis. Der Mann mit der Eisernen Maske, dessen Identität nie gelüftet wurde, war hier eingekerkert. Die Insel Ste-Honorat mit ihrem alten Kloster ist nicht mehr für den Tagestouristen zugänglich. Klosterferien mit langen Anmeldezeiten sind wohl noch möglich.

Zurück zur Kunst. Von Combas‘ Supermoderne in Cannes zu asiatischer Archäologie in Nizza. Im Musée des Arts Asiatiques wird zur Zeit ein wahrer Goldschatz, der sonst in georgischen Tresoren lagert, gezeigt. Es ist Schmuck: Broschen, Armbänder, Diademe, Ketten, Knöpfe, die in den Gräbern von Vani aus dem 8. bis 1. Jahrhundert v.Chr. gefunden wurden. Der Mythos der Argonauten, jener Helden um Iason, die nach Kolchis am Schwarzen Meer fuhren, schwebt über den Exponaten. Es heißt, mit Hilfe von Medea holten die Krieger um Iason das von einem Drachen bewachte Goldene Vlies nach Griechenland. Was in Nizza gezeigt wird, ist geradezu sensationell und gibt dem Mythos vom Goldenen Vlies Nahrung. Es ist kaum zu glauben, wie fein, wie ikonografisch ideenreich schon damals gearbeitet wurde. Goldschmiede-Kunst aus Georgien beherbergt das asiatische Museum in Nizza nur noch bis zum 2. September – ausser dienstags täglich von 10 bis 18 Uhr. ( www.arts-asiatiques.com).

Auf dem Weg nach Monaco, wo zur Zeit eine Ausstellung über Grace Kelly die Gemüter bewegt, geht es vorbei an Eze. Dieses auf einem kegelförmigen Felsen kühn gelegene Dorf mit Burgruine, Stadtmauern aus dem 17. Jahrhundert und einem Exotischen Garten fordert zum Halt auf. Ebenso der Nachbarort La Turbie mit seiner Trophée des Alpes, den Überresten eines römischen Denkmals zu Ehren Kaiser Augustus. Von der Terrasse des Monumentes kann der Blick kilometerweit über die französische sowie italienische Mittelmeerküste und direkt auf Monaco schweifen.

Grace Kelly alias Fürstin Gracia Patricia ist vor 25 Jahren auf dem Weg von La Turbie nach Monaco in einer engen Straßenkurve tödlich verunglückt. Bis heute ranken sich Mythen um den Unfall wie z.B. die Frage wer das Auto steuerte – die Fürstin oder die 17jährige Stéphanie, wie gemunkelt wird?

Der ehemaligen Oscar-gekrönten Hollywood-Filmschauspielerin und späteren monegassischen Fürstin ist nun im Grimaldi-Forum eine opulente Schau gewidmet. Zu Recht, denn Monaco hat sich seit ihrer Ankunft und ihrer Hochzeit mit Fürst Rainier 1956 grundlegend zum Positiven verändert. Ihr Anteil an der Entwicklung von Monaco zu einem ernst zu nehmenden Partner im Staatengebilde ist nicht zu unterschätzen. Das Image vom Seeräuber-Fürstentum ist endgültig ausgelöscht.

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Nun hat sich das fürstliche Privatarchiv geöffnet und Dokumente sowie Gegenstände für diese Ausstellung freigegeben. An die zweitausend Objekte sind es: u. a. sehr persönliche Fotos des Kindes und der jungen Frau Grace; kleine Filmausschnitte, die sie später von ihren eigenen Kindern Caroline, Albert und Stéphanie machte. Wer etwas vom Glamour des Hollywood-Stars und der späteren Fürstin erfahren will, kommt voll auf seine Kosten: die lindgrüne Robe, die sie bei der Oscar-Verleihung trug, ist ebenso ausgestellt wie das Hochzeitskleid und die luxuriösen Roben, die zu Staatsempfängen getragen wurden. Der schwarze Rolls Royce, in dem das Paar nach der Trauung die Kathedrale verließ, gehört zu den Prunkstücken des nachempfundenen Spiegelsaals. Die Kinofreunde werden durch kurze Filmausschnitte entschädigt. Es hätten jedoch mehr sein können. Die Umstände ihres Todes bleiben dagegen vollkommen ausgespart. So bleiben auch die Gerüchte.
Gezeigt werden auch Teile ihrer Korrespondenz mit Regisseur Alfred Hitchcock, mit dem sie drei Filme drehte. Die Beiden blieben lange in Kontakt. Der Regisseur versuchte, die Kelly auch wieder zu Filmaufnahmen zu bewegen. Sie verzichtete. Staatsraison oder Überzeugung?

Die Ausstellung Les années Grace Kelly – Princesse de Monaco kann noch bis 23. September täglich von 10 bis 20 Uhr im Grimaldi-Forum besichtigt werden -Donnerstag und Samstag sogar bis 22 Uhr (www.grimaldiforum.mc).

Der Streifzug durch Museen an der Côte d’Azur ist nur fragmentarisch. Mehr als nur ein paar Zeilen verdient das einzigartige ozeanografische Museum in Monaco. In seinen Aquarien sind 3000 Kilometer lebende Korallenriffe der warmen Gewässer angelegt. Es müssten Biot und sein Museum Fernand-Léger, Nizza und sein Musée d’Art Moderne et d’Art Contemporain und das Musée des Beaux Arts erwähnt werden. Und Menton und Villefranche verlangen nach Aufmerksamkeit für Jean Cocteau.

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