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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Warum brauchen wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk?

Rundfunk, also Fernsehen und Hörfunk, ist lebenswichtig. Er gehört zur Daseinsvorsorge. Rundfunk kann, vor allem in gesellschaftlichen und politischen Krisenzeiten oder bei äusseren und inneren Konfliktsituationen, sogar überlebens-wichtig sein.

Dem Rundfunk soll, ja muss man vertrauen können. Dieses Bedürfnis ist in der Gesellschaft verankert. Die in der Medienforschung seit langen Jahren gestellte „Inselfrage“ belegt: Vor die Wahl gestellt, welches einzige Fernsehprogramm sie auf eine einsame Insel mitnehmen möchten, entschieden sich auch in der jüngsten repräsentativen Trend-Untersuchung 22 % der Befragten für das Erste Deutsche Fernsehen. Die Mehrheit der an verlässlicher und seriöser Information interessierten Bevölkerung schaltet vorzugsweise die Nachrichtensendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, also von ARD und ZDF ein: tagesschau und tagesthemen, heute und heute-Journal sowie die zahlreichen Informationssendungen des Hörfunks. Letztere auch im Blick auf das landesspezifische und regionale Geschehen. Vergleichbares gilt für die zwei bundesweiten Programme des von ARD und ZDF getragenen DeutschlandRadio.

Das war nicht immer so. Im „Dritten Reich“ war der Rundfunk unter der Herrschaft des Nationalsozialismus gleichgeschaltet und wurde zunehmend und am Ende ausschliesslich als politisches Propagandainstrument missbraucht. Wer sich damals objektiv über das politische und kulturelle Geschehen informieren wollte, musste dazu ausländische Sender einschalten (was später sogar verboten und unter Strafe gestellt war).

Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit, Unabhängigkeit, Orientierung, Wertevermittlung: Diese Qualitäten prägen nicht nur die Informationssendungen, sondern auch die öffentlich-rechtlichen Programme in den Bereichen Kultur, Bildung und Unterhaltung. Diese Sparten kennzeichnen den Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Alle Rundfunk- und Mediengesetze in Deutschland legen ihn in dieser Weise ausdrücklich fest. Das Bundesverfassungsgericht hat ihn in mehreren Entscheidungen mit Nachdruck bestätigt.

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(Foto: rupp.de wikimedis commons GFDL)

Ein funktions- und leistungsfähiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist, wie das Bundesverfassungsgericht wiederholt formulierte, als „Medium und Faktor“ des freien Meinungsbildungsprozesses in der demokratischen Gesellschaftsordnung die unerlässliche Voraussetzung dafür, dass es neben ihm einen privatwirtschaftlich betriebenen, kommerziellen Rundfunk geben kann.

Kommerzieller Rundfunk ist legitim und akzeptiert. Wie funktioniert er? Er finanziert sich allein durch Werbung. Das heisst: Die Anzahl an Zuschauern und Hörern, sprich die Reichweite, die er der werbungtreibenden Wirtschaft nachweist, wird an diese verkauft. Der Preis für diese Werbereichweite geht über die Werbebudgets der Unternehmen in die Kalkulation der Produkte ein und wird von deren Käufern mit dem Kaufpreis entrichtet. Was folgt daraus? Private Rundfunkprogramme sind keinesfalls „gratis“.

Privatwirtschaftlicher Rundfunk soll und muss sich rechnen. Also muss er Gewinne erwirtschaften. Entsprechend müssen seine Produkte, also die Programme, beschaffen sein. Er zielt auf den Verkaufserfolg am „Markt“. Er kann deshalb nicht unabhängig sein. Zumal ihn grosse, zumeist auch international konzernverflochtene Unternehmenskonfigurationen mit ihren geschäftspolitischen Zielen betreiben.

Der auf die Erfahrungen mit dem nationalsozialistischen Rundfunk hin nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland gegründete, aus allgemeinen Gebühren solidarfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk ist demgegenüber der Gesellschaft verpflichtet, der er letztlich „gehört“. Die Kontrolle über ihn üben unabhängige Rundfunk- und Verwaltungsräte aus. Sie bestehen aus Vertretern der gesellschaftlich wichtigen Guppen: Kirchen und Religionsgemeinschaften; Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände; Hochschulen und Einrichtungen der Erwachsenenbildung; Verbände der bildende Künste, der Musik und Literatur; Sportinstitutionen, Elternvertretungen, Ausländerbeiräte, Frauenvereinigungen … die Aufzählung liesse sich länger fortsetzen. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk sollte und muss zugleich staatsfrei sein, insbesondere frei vom Zugriff politischer Parteien. So jedenfalls das Ideal.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist für alle da und muss allen Kreisen der Bevölkerung angemessene Angebote unterbreiten. Die Programme müssen das gesamte Meinungsspektrum umfassen und in der Summe ausgewogen sein. Dazu zählen auch finanziell aufwendige Hör- und Fernsehspiele, die oft kein zahlenmässig grosses Publikum erreichen können und die der kommerzielle Rundfunk deshalb schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht anbieten kann.

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