56. Biennale Arte Venedig 2015 (2)
2015, September 20.Zum Empfang schwarzer Trauerflor von Oscar Murillo, muffig riechende Säcke von Ibrahim Mahama:
Die diesjährige 56. Kunstbiennale von Venedig – was ist mit ihr los?
Von Erhard Metz
Eröffnet wurde die Esposizione Internazionale d’Arte di Venezia bereits am 9. Mai 2015, die üblichen Preview-Tage waren deshalb vom 6. bis 8. Mai vorgeschaltet – das Ganze fand einen Monat vor den in der Vergangenheit üblichen Zeiten Anfang Juni statt, warum, ist uns nicht recht plausibel geworden, es soll einen Zusammenhang mit der Eröffnung der Expo 2015 am 1. Mai 2015 in Mailand gegeben haben.
Nun, in der deutschen Tagespresse und im deutschen Kunstzeitschriften-Blätterwald fand die zu den weltweit bekanntesten und bedeutendsten Kunstausstellungen zählende Biennale dieses Jahr nur eine erstaunlich geringe Resonanz, und, sofern es eine solche überhaupt gab, war sie eher zurückhaltend, lustlos bis kritisch. Dies gilt auch für den deutschen Pavillon, auf den wir noch zurückkommen werden.
Nun darf man die Dinge nicht mit den beiden vorangegangenen Biennalen vergleichen, die aus deutscher Sicht unter einem besonderen Vorzeichen standen und eine überaus breite Beachtung in den hiesigen Medien fanden: In den Jahren 2011 und 2013 war diese Aufmerksamkeit zweifellos der Tatsache geschuldet, dass Susanne Gaensheimer, die Direktorin des Frankfurter Museums für Moderne Kunst MMK, die Aufgabe der Kommissarin/Kuratorin des deutschen Pavillons bekleidete und dass sie 2011 mit einer Präsentation der Arbeit des kurz zuvor verstorbenen Christoph Schlingensief auf Anhieb (und für viele nicht unerwartet) den Goldenen Löwen gewann. Da hat es der diesjährige Kommissar/Kurator des deutschen Pavillons, Florian Ebner vom Folkwang Museum Essen, um einiges schwerer.
Was uns dieses Jahr besonders nervte: Die sogenannten Preview-Tage – anderenorts der Fachwelt und den Pressevertretern vorbehalten – sind vollends entwertet: Hinz und Kunz vom Enkel bis zum Ur-Opa zeigten ihre Einlassbescheinigungen vor und machten in diesen Tagen die Ausstellungsstätten zu einem völlig überfüllten, italienisch-temperamentvoll familiären Volksfest – Bella-Italia-Trubel ist ja schön, aber welcher Teufel reitet da die Biennale-Organisation?
Und: Der Zentralpalast – Palazzo dell’Esposizione Internazionale – , der „Padiglione Centrale“ der Biennale also, erschien noch unübersichtlicher und labyrinthischer als je zuvor: Er war von oben bis unten und von links bis rechts vollgestopft mit Arbeiten bis zum „Es-geht-nicht-mehr“ – da half auch der in den Presseunterlagen gereichte Lageplan in Mikroschrift nicht – eine Lupe zusätzlich zur Lesebrille hatte wohl kaum jemand zur Hand.
Düster, ja dunkel empfangen der zentrale Ausstellungspalast in den Giardini und die Arsenale den Besucher:
Der bekannte Schriftzug „la Biennale“ über dem Säulenportal des Palastes ist mit einer Schrift-Skulptur „blues, blood, bruise“ (Depression/Traurigkeit, Blut, Quetschung/Prellung/Verletzung) überbaut, einer Arbeit des US-amerikanischen Künstlers Glenn Ligon (1960 im New Yorker Stadtteil Bronx geboren) „A small Band“ aus dem Jahr 2014. Nicht genug damit: Zwischen und hinter den vier Rundsäulen des Portals hängen 20 schwarze Riesenleinwände wie übermächtige Fahnen schlaff von der Decke herab und konterkarieren subversiv die neoklassizistische Fassade des 1894 errichteten und seitdem mehrfach von renommierten italienischen Architekten umgebauten und erweiterten Gebäudes – ein Werk des 1986 in La Paila geborenen, in London lebenden kolumbianischen Künstlers Oscar Murillo mit dem Titel „signaling devices in now bastard territory“.
Oscar Murillo, signaling devices in now bastard territory (Ausschnitt), 2015, paintings of oil, oil stick, thread and dirt on canva, Courtesy the Artist and David Zwirner, New York and London; Weiterlesen