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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Ratatösk – Malerei von Andrea Interschick in der EULENGASSE

Interschicks Werkgruppe als Abschlussarbeit

Andrea Interschick studierte von 2016-2021 an der Akademie für Malerei Berlin bei Ute Wöllmann und präsentiert ihre Abschlussarbeiten bis zum 28. NOV 2021 im Kunstverein EULENGASSE. Die Künstlerin pflegt die Tradition der Ölmalerei, weil es ihr wichtig ist, in einer Technik zu arbeiten, die ihr als Europäerin entspricht, mit der sie aufgewachsen und in die sie hineingewachsen ist. „Die Wahl der Technik führt sie auf Prägung, Erlebtes und Geerbtes zurück. Die geistige Art in dieser Technik zu arbeiten, sieht sie zudem als eine europäische Tradition“, sagte die Kunsthistorikerin Esther Erfert-Piel im Gespräch mit der Künstlerin anlässlich der Vernissage am 11. November 2021. Ratatösk, das Eichhörnchen, das zu den Tieren des Weltenbaums Yggdrasil gehört, spielt in der isländischen „Edda“ eine bedeutende Rolle.

Ratatösk. „Bote“, 2021, (Ausschnitt), Öl auf Leinen, 120 x 90 cm x 180 cm © Andrea Interschick

Esther Erfert-Piel: Nun sitzt Du, Andrea, mir gegenüber und trägst eine Kopfbedeckung, die etwas ungewohnt aussieht. Was hat es damit  auf sich?

Andrea Interschick: Die Eichhörnchenkappe ist von Ratatösk, dem Eichhörnchen aus der „Edda“, was mich inspiriert hat. Die Kappe setze ich auf, wenn ich als Künstlerin spreche.

Harald Etzemüller, Esther Erfert-Piel und Andrea Interschick mit der Eichhörnchen-Kappe; Foto: Barbara Walzer

Warum hast Du gerade das Eichhörnchen ‚Ratatösk‘ für Dich gewählt? Wie identifizierst Du Dich mit ihm?

Wenn ich ein Tier male, beschäftige ich mich mit immer auch mit seiner Rolle als Krafttier, mit seiner Symbolik. Dabei bin ich dann auf die Edda gestoßen. In der nordischen Mythologie bedeutet Ratatösk: Nagezahn oder auch Bohrerzahn. Der Adler lässt über das Eichhörchen Botschaften an den Drachen überbringen und umgekehrt der Drache dem Adler. Während der Adler  für den schöpferischen Aspekt der Natur und für Wachstum steht, ist der Drache zerstörerisch und sabotierend. Der Drache nagt an den Wurzeln der Weltenesche.

Du sagst, dass das Eichhörnchen eine Art Vermittler darstellt und es sich zwischen den Welten  –  grob gesprochen zwischen Gut und Böse – bewegen kann. Bedeutet das, dass Du Dich als Künstlerin auch als eine Art Vermittlerin fühlst? Oder wie siehst Du in dem Zusammenhang Deine Rolle als Künstlerin?

In meinen Bildern stehen sich zwei verschiedene Aspekte oder auch Ebenen gegenüber: auf der einen Seite die Schönheit, die Liebe zum Leben und auf der anderen Seite sind es die dunklen Ecken, die Angst, das verborgene Unheil, die Krankheiten und der Tod. Ja, zwischen diesen Welten sehe ich mich als Vermittlerin.

Vládmir Combre de Sena und Harald Etzemüller (EULENGASSE) mit dem stilisierten Eichhörnchen; Foto: Barbara Walzer

Du hast mir in den Vorgesprächen erzählt, dass Du Dich schon von klein an für indigene Völker interessiertest. Für Völker, die weit weg von uns wohnen. Nun hast Du Dich ein Jahr vor Deinem Abschluss  und im Rahmen der Entwicklung Deiner eigenständigen künstlerischen Position auf die Suche nach Spuren und Überlieferungen naturverbundener Völker in Deinem Heimatland Deutschland begeben.
Wie kam diese Entwicklung zum eigenen Land zustande? Was hat diesen Wandel ausgelöst oder ist es am Ende vielleicht gar kein Wandel, sondern lediglich eine konsequente Entwicklung dorthin? Worum geht es Dir dabei? 

Zweifellos geht es mir um eine Annäherung, um eine neue Beziehung zur Natur, auch zu der von Mensch und Tier, die bei den indigenen Völkern sehr viel stärker ausgeprägt ist. Sie haben in der Regel eine besondere Verbindung zur Natur. Das lässt sich in Märchen und in ihren Mythen nachlesen. So habe ich mich etwa im letzten Studienjahr mit der indigenen Kunst in Nordamerika beschäftigt, wo ich mir z.B. die Masken aus Nordamerika angeschaut habe. Ich wollte so etwas Vergleichbares schaffen und dafür eine eigene Form finden. Dabei wurde mir bewusst, wie sehr das etwas mit meiner Faszination für den Wald zu tun hat, und mit dem, wie ich aufgewachsen bin.
Für meine Abschlussarbeit diente mir als Basis eine komplette Bilderserie von Fotos aus dem Bayrischen Wald. Auch Findlinge interessierten mich, oder auch die Märchen, in denen verzauberte Menschen vorkommen, sie spielten für mich eine Rolle.
Besonders hat mich ein ARTE-Film “Mythos Deutscher Wald, Erkundungen einer Seelenlandschaft” beeinflusst ebenso sehr wie meine Begegnungen mit der Natur im Jahre 2013 in Schottland. Der Missbrauch der romantischen Gefühle dem Wald gegenüber durch den Nationalsozialismus ist mir dabei durchaus bewusst. Insofern geht es mir nicht nur um Deutschland.
Denn zweifellos handelt es sich bei dieser Spurensuche auch um ein europäisches Phänomen.Nachdem mir immer mehr bewusst wurde, wie sehr unsere Bilder von der Natur und vom Wald von den Nationalsozialisten missbraucht wurden, geht es mir auch darum, neue Bilder von der Natur zu schaffen, die friedlich und verbindend sind, als eine Art Gegengewicht zu den nationalistischen.

Publikum bei der Vernissage; Foto: Barbara Walzer

WEITERE TERMINE IM RAHMEN DER AUSSTELLUNG

So. 21. NOV 16h – »Tiergeschichten« mit Rahulla Torabi und Andrea Interschick
So. 28. NOV 16h – »Künstler unter sich« mit Daniel Scheffel und Andrea Interschick
19.-20. NOV – Besuchen Sie Andrea Interschick im Rahmen der Open Studios im

ATELIERFRANKFURT (Raum 4.22)

ÖFFNUNGSZEITEN
Fr. 15 – 18 h – Do. 17 – 21 h – So. 15 – 19 h

 

 

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