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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Shortlist – nominierte Autoren für den Deutschen Buchpreis 2019

Netze und doppelte Böden

Alljährlich findet am Vorabend der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse die Preisverleihung des Deutschen Buchpreises im Kaisersaal des Frankfurter Römers statt, in diesem Jahr am 14. Oktober 2019. Mit dem Deutschen Buchpreis 2019 zeichnet die Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels den deutschsprachigen Roman des Jahres aus.

Autoren, die es in die Endrunde geschafft haben: v.l.n.r.: Raphaela Edelbauer, Norbert Scheuer, Tonio Schachinger, Jackie Thomae, Saša Stanišic, Miku Sophie Kühmel, Foto: Diether von Goddenthow

Seit Ausschreibungsbeginn haben sieben Jurymitglieder ganze 203 Titel gesichtet, die zwischen Oktober 2018 und dem 17. September 2019 erschienen. Die sechs Finalisten, die sie dabei ausgemacht haben, könnten unterschiedlicher kaum sein. Sie präsentierten sich am 29. September in Gesprächen und mit Lesungen im restlos ausverkauften Saal des Schauspiel Frankfurt und vermittelten dabei ein farbiges und vielfältiges Bild gesellschaftlicher Erfahrungen an imaginären wie an realen und verschiedensten Orten der Welt.

Das Interesse an den Autoren der Shortlist war gewaltig, Foto: Petra Kammann

Was verbindet die verwobenen Geschichten zwischen dem, was in dem winzigen Eifel-Dorf Kall passiert, wenn man nur genau hinschaut, hinhört und lange genug nachbohrt wie es seit Jahren schon der Autor  Norbert Scheuer tut, der in seinem neuen grandios erzählten Roman „Winterbienen“ (C.H.Beck) einem ehemaligen Lehrer, Bienenzüchter, Frauenhelden und Epileptiker, der 1944 Juden in Bienenkörben über die belgische Grenze schmuggelt, um damit Geld für seine Medikamente zu verdienen, ein Denkmal setzt, und den Geschichten von Großeltern in Bosnien, denen der 1978 in Višegrad (Jugoslawien) geborene und seit 1922 in Deutschland lebende Autor Saša Stanišic in seinem Roman „Herkunft“ (Luchterhand) auf so emphatische – wie auch unsentimentale – Weise nachspürt?

Was hat man zu erzählen, wenn man als Kind afrikanischer Eltern in der DDR aufgewachsen ist und einen der Weg über London und New York bis nach bis nach Südamerika führt wie Jackie Thomae in ihrem großabgelegten Debüt-Roman „Brüder“ (Hanser, Berlin), was, wenn man in New Delhi geboren, in Nicaragua und Wien aufgewachsen ist wie Tonio Schachinger, der das in seinem Erstlingswerk „Nicht wie ihr“ (Kremayr & Scheriau) verarbeitet, oder wenn man sich wie Miku Sophie Kühmel mit japanischen Kunsthandwerkstechniken wie Kintsugi beschäftigt hat. Beim „Kintsugi“ – so auch der Titel des bei S. Fischer erschienen Romans – wird ein goldener Faden an einer Bruchstelle eingelegt, um die Reparatur sichtbar zu machen. Die Autorin sieht diesen Vorgang als Metapher für ihr Schreiben und überträgt ihn auf die poetische Wahrnehmung: „Schönheit bedeutet dort, dass man an etwas oder jemandem ablesen kann, dass die Zeit vergeht“.

Oder zweifeln oder verzweifeln wir an unserer Wahrnehmung, wenn wir „Das flüssige Land“ der schwarzhumorigen Wienerin Raphaela Edelbauer, lesen, die sie uns in eine abgründig kafkaeske Topografie in den imaginären Ort Groß-Einland entführt?

Nach Meinung der Jury: die sechs besten deutschsprachigen Romane 2019

Die Jury, der Literaturkritiker wie Jörg Magenau, Daniela Strikt, Alf Menzner und Buchhändler/innen wie Petra Hartlieb und Björn Lauer sowie der Leiter des Frankfurter Literaturhauses Hauke Huckstädt angehören, filterten in ihren Diskussionen einen Trend heraus, den Jurysprecher Jörg Magenau folgendermaßen zusammenfasst:

„Die Shortlist bietet sechs herausragende Fundstücke, sechs Romane, die formal und stilistisch und in ihrer Klangfarbe unterschiedlicher nicht sein könnten, und die doch ein großes Thema eint: In allen geht es um familiäre Zusammenhänge, um den Ort in der globalen Welt, von dem aus das eigene Dasein zu begreifen ist. Dass dabei vor allem die Identität des Mannes problematisch geworden ist, beschreiben sie mal aus weiblicher, mal aus männlicher Perspektive. Vielleicht hat der Generationenwechsel, der sich mit drei Debüts im Finale andeutet, damit zu tun, dass die Jüngeren bei diesen Themen schärfer hinschauen.“

Die End-Entscheidung der Jury  am 13. Oktober dürfte nicht so leicht fallen. Und der darauffolgende Abend im Römer, der kann schon jetzt mit Spannung erwartet werden.

Petra Kammann

Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur übertragen die Veranstaltung live über den Sonderkanal „Dokumente und Debatten“ im Digitalradio und als Livestream auf www.deutschlandradio.de/debatten .

Ab 1. Oktober 2019 werden Auszüge aus den Shortlist-Titeln in englischer Übersetzung und ein englischsprachiges Dossier zur Shortlist auf dem Internetportal www.new-books-in-german.com  präsentiert.

Unter dem Hashtag #buchpreisbloggen stellen darüber hinaus 20 Literaturbloggerinnen und -blogger die nominierten Titel 2019 vor. Die Rezensionen werden unter www.deutscher-buchpreis-blog.de  veröffentlicht und über die Social-Media-Kanäle des Deutschen Buchpreises geteilt. Der Hashtag zum Deutschen Buchpreis lautet: #dbp19

Förderer des Deutschen Buchpreises ist die Deutsche Bank Stiftung, weitere Partner sind die Frankfurter Buchmesse und die Stadt Frankfurt am Main.

Die Deutsche Welle unterstützt den Deutschen Buchpreis bei der Medienarbeit im In- und Ausland. Interessierte können die Preisverleihung per Livestream unter www.deutscher-buchpreis.de  verfolgen.

 

 

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