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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Frisch und frech wie eh und jeh – 25 Jahre Kammeroper Frankurt

„ Der verkehrte Braut“ von Rossini

 von Renate Feyerbacher (Text und Fotos)

Ralf Simon mit Rainer Pudenz, Gründer, Leiter, Regisseur der Kammeroper Frankfurt

Die Voraussagen fürs Wetter waren nicht günstig, aber eine Stunde vor Opernbeginn im Musikpavillon des Palmengartens gab es noch Hoffnung, dass es trocken bleibt. Dann aber ist im Garderobenraum der Künstler die Mitteilung zu hören: „Es wird schon umgebaut.“ Das heißt, das Orchester, das sonst vor der Bühne spielt, muss auf der Bühne Platz nehmen, also keine lebendige Inszenierung, sondern eine ‚konzertante‘.

Aber stopp: es gibt zwar kein Bühnenbild von Frank Keller / Mateo Vilagradsa, aber wer Rainer Pudenz, Gründer, Leiter, Regisseur der Kammeroper Frankfurt, der einzigen freien Opernbühne weit und breit, kennt, ahnt, dass da keine starren Protagonisten vor dem Orchester stehen und ihre rossinischen Töne zelebrieren.

Zeitweilig prasselt der Regen auf die Regenschirme und verschluckt Töne. Aber die Leute bleiben und Pudenz bedankt sich am Ende fürs Ausharren.

Schminkecke in der Garderobe

In der Garderobe herrscht kurz vor Beginn eine lockere Atmosphäre. Da stehen die Schminktische (Maske Viviana Vilalobos). Noch hat Dzuna Kalnina, die Ernestina singt, die Lockenwickler im Haar und wartet aufs Schminken. Sie muss schön aussehen, denn um sie dreht sich alles in der verrückten Handlung. Louise Fenbury als Rosalia, Angestellte bei Gamberotto, ist bereits fertig gestylt.

Louise Fenbury als Rosalie

Die junge australische Mezzosopranistin wurde von der legendären Mezzosopranistin, Intendantin und Regisseurin, Strauss-Spezialistin Brigitte Fassbaender, zum Meisterkurs des Strauss-Festivals nach Garmisch-Partenkirchen eingeladen. Sie fühlt sich ‚geadelt‘.

Noch hängen einige Kostüme, die Claudia Krauspe, assistiert von Marvin Heppenheimer, Simon an den Haken.

Sänger Ralf Simon alias Ermanno, der arme Jüngling, der sich in Ernestina verliebt hat, um sie buhlt, trägt mittlerweile sein blumiges Hemd. Sein Konkurrent, Buralicchio, der reiche Jüngling. Ernestinas Verlobter, gesungen von Bariton Timon Führ, groß, eine stattliche Erscheinung, die Haare zum kleinen Zopf geflochten, zieht sich an.

Timon Führ als Buralicchio 

Chorleiter Armin Rothermel lässt derweil die Mitglieder des Chores ihre Stimmen lockern.

Schließlich kommt Dirigent Daniel Stratievsky, intoniert ein paar Töne und wirft sich ins obligatorische Schwarz. Es sei gut, dass ich jetzt käme, denn nun sei die Aufführung rund, Musik und Gesang bestens. Seine musikalische Assistenz Julija Domaseva sehe ich nicht.

Wohl aber Harald Mathes, der den stummen Diener des Herrn Gamberotto spielt und diesen immer wieder zu beruhigen versucht, ist mit seiner Perücke kaum wieder zuerkennen.

Auch den Dramaturg der Kammeroper Bert Bresgen, Autor von Hörspielen und Theaterstücken, kann ich nicht sichten.

Wie dann anschließend auf dem schmalen Streifen vor dem Orchester gespielt, gerauft wird, das ist lebendig, witzig, kurios, fresch. Eine Inszenierung mit viel Esprit von Rainer Pudenz und seinen jungen Assistenten Filiz Senel und Eva Höckendorff.

Die Technik verantwortet Dirk Keller.

Thomas Peter, der das Libretto von Gaetano Gasbarri ins Deutsche übersetzte, modern, keck, manchmal vulgär und ruchlos, singt den Vater Gamberotto, einen geadelten Bauer, der natürlich gerne den reichen Jüngling zum Ehemann der Tochter hätte. Er überzeugt mit seiner prägnanten Basstimme.

Die lesefreudige, an Philosophie interessierte Ernestina, fühlt sich jedoch mehr zu dem armen Jüngling Ermanno, einem Philosophielehrer, hingezogen, der überzeugend von Ralf Simon mit seiner eindringlich-klaren Tenorstimme interpretiert wird. Larmoyant, aus Liebeskummer fürchterlich leidend, suizidgefährdet, erst später als Ehemann vorstellbar, so zeigt er sich.

Die Sänger Peter, Simon und Führ, die freischaffend unterwegs sind wie alle anderen, haben an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt studiert.

Führ hat übrigens nach dem Studium einen Meisterkurs bei Johannes Martin Kränzle absolviert, der schon mal als Geiger im Orchester mitspielte.

Dzuna Kalnina beim Abschminken

Mezzosopranistin Dzuna Kalnina, die einst aus Riga kam, ist schon lange eine feste Größe bei der Kammeroper Frankfurt. Geradezu umwerfend ist ihr Spiel als Ernestina. Ihre Stimme setzt sie variierend ein – sehr schön in der Höhe aufblühend, manchmal bewusst kratzbürstig verändert.

Zweieinhalb Stunden standen sie und die anderen Interpreten auf der Bühne und das bei dieser Feuchtigkeit und zunehmenden Kühle…

Wie kommt denn das Töchterchen des Herrn Gamberotto, der sie ganz schön unter der Fuchtel hat, doch noch zu der Erfüllung ihres Liebeswunsches?

Rosalia, seine Angestellte, und Frontino, sein Freund, aber mit Ermanno vertraut, mischen kräftig zugunsten von Ernestina mit. Frontino, erfrischend gesungen von dem jungen Litauer Ilja Aksionov, der an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf studiert hat, behauptet in einem Brief, Ernestina sei in Wirklichkeit ein Mann und als Kind von ihrem Vater kastriert  worden. Natürlich findet Buralicchio, der reiche Jüngling, den Brief und öffnet ihn. Jetzt will er nichts mehr mit der Verlobten zu tun haben und zeigt sie sogar als Deserteur an. Aber Ende gut – alles gut.

Der Mutter von Gioachino Rossini (1792 -1868), der eine schöne Gesangsstimme hatte, wurde mal geraten, ihren Sohn kastrieren zu lassen. Die kluge Frau, eine Sängerin, sah aber bereits den Niedergang der Kastraten, wohl aber das kompositorische Talent ihres Sohnes. Als Rossini zwölf Jahre alt war, präsentierte er bereits seine erste Komposition.

Die Opera buffa „Die verkehrte Braut“ L’equivoco Stravagante schrieb er mit 19 Jahren. Sie wurde 1811 in Bologna uraufgeführt. Für Frankfurt 2019 eine Erstaufführung.

Orchesterdirigent Daniel Stratievsky

Das Kammeroper Orchester: Die Musiker des Kammeroper Orchesters sind allesamt studierte Instrumentalisten, ausgesuchte, freie professionelle Musiker aus dem RheinMain Gebiet. Seh gut auch die Bläser. Sie bieten einen feinen Rossini, Daniel Stratievsky ist ein im ganzen Land beschäftigter Dirigent. Der gebürtige Leningrader ist seit 2016 2. Kapellmeister und Solorepetitor der Theater und Orchester GmbH Neubrandenburg/Neustrelitz.

Einfühlsam, die Sänger*Innen, nicht übertönend. Unkonventionell, locker leitet Stratievsky das Orchester und den Chor manchmal vom Cembalo /Keybord aus. Dabei kommt der rossinische Sound voll zur Geltung.

Noch dreimal gibt es Gelegenheit, „Die verkehrte Braut“, Dramma giocoso“ in zwei Akten – in Deutsch gesungen und immer verständlich – zu erleben: am 14., 16.und 17. August um 19.30 Uhr im Palmengarten.

Hörgenuss und Opernspaß lassen sich auch nicht bei strömendem Regen vertreiben. Munter kreiste unter Freunden eine Flasche Wein. Das sind auch Vorzüge einer Open-Air- Vorstellung.

 

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