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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Harald Sohlbergs unendliche Landschaften im Museum Wiesbaden

Stimmungsvolle norwegische Szenerien – eine echte Entdeckung

Von Hans-Bernd Heier

Anlässlich des 150. Geburtstags des Malers Harald Sohlberg stellt das Landesmuseum Wiesbaden erstmals auf dem europäischen Festland in einer großen Retrospektive Arbeiten des norwegischen Künstlers vor. Unter dem Titel „Mittsommernacht: Harald Sohlberg – Ein norwegischer Landschaftsmaler“ sind in der hervorragenden Schau 53 Gemälde und elf Zeichnungen und grafische Arbeiten versammelt. Einige Werke aus Privatkollektionen waren bislang noch nie ausgestellt. Seine stimmungsvollen Bilder laden zu einer Reise durch das Land ein.

Harald Sohlberg (1869-1935), Landstraße II, Öl auf Leinwand, 103×138 cm, Privatbesitz, Foto: O.Vaering /Eftf.AS

„Bisher ist der Name Sohlberg noch nicht in Deutschland aufgeschlagen“, sagt Direktor Dr. Alexander Klar. Das erstaunt umso mehr, als Harald Sohlberg (1869–1935) neben Edvard Munch (1863–1914) und Nikolai Astrup (1880–1928) zu den wichtigsten Künstlern Norwegens an der Schwelle zur Moderne gehört. Sein Hauptwerk „Winternacht in Rondane“ wurde seit dem Jahre 1918, als ein Sammler das großformatige Kunstwerk dem Nationalmuseum Oslo schenkte, noch nie ausgeliehen. Jetzt ist es in Wiesbaden zu bewundern! Das faszinierende Gemälde mit seinen geheimnisvollen, blau getönten Schneeflächen ist Norwegerinnen und Norwegern seit Generationen vertraut, ist es doch in vielen Schulbüchern abgebildet. Diese „Ikone“ zählt zu den beliebtesten Kunstwerken Norwegens, das in diesem Jahr Ehrengastland der Frankfurter Buchmesse sein wird.

„Winternacht in Rondane“,1914, Öl auf Leinwand, 160 x 180,5 cm, Nasjonalmuseet, Oslo; © Nasjonalmuseet / Børre Høstland, Jacques Lathion

Die künstlerischen Wurzeln Harald Sohlbergs, der 1869 als Sohn eines Pelzhändlers in Kristiania (Oslo) zur Welt kam, liegen in der Dekorations- und Theatermalerei. Nach vier Jahren klassischer Handwerkerlehre an der Königlichen Kunst- und Handwerksschule in Kristiania beschloss er, sich ganz auf eine Karriere als Maler zu konzentrieren. Seine künstlerischen Intentionen beschrieb er so: „Ich habe alle meine Fähigkeiten mobilisiert, um diese schwierige Aufgabe zu lösen: Die Details, das Monumentale und die großen dekorativen Effekte, zu einer Gesamtheit zu kombinieren, wie ich es am persönlichsten sehe und fühle. Dies ist der zentrale Punkt meiner Kunst“.

“Selbstporträt“, 1896, Öl auf Leinwand, 39 x 28,5 cm; Privatbesitz¸© Nasjonalmuseet / Jacques Lathion

Sohlberg bereiste Ende des 19. Jahrhunderts Kopenhagen, Paris und Weimar. Während er vom Aufenthalt in Paris keine Spuren in seiner künstlerischen Arbeit hinterließ, beeindruckte ihn bei Besuchen der Kunstschule Weimar (1896/97) insbesondere das Umfeld um Arnold Böcklin (1827–1901). Sein Interesse am Symbolismus spiegeln speziell die verschiedenen Fassungen der „Meerjungfrau“ in den Jahren 1893 bis 1897 wieder. Auch die romantischen Werke Caspar David Friedrichs (1774–1840) beeinflussten Sohlbergs künstlerisches Schaffen.

„Meerjungfrau“, 1896, Öl auf Leinwand, 51 x 89 cm, Privatbesitz; © Nasjonalmuseet / Jacques Lathion

Er lotete verschiedene Techniken und Malstile aus, bevor er sich noch vor der Jahrhundertwende seinen eigenen Stil erarbeitete. Mit dem Gemälde „Abendrot“ von 1893 gelang ihm der künstlerische Durchbruch. Seine Kunst erfährt in den Folgejahren durch internationale Ausstellungsbeteiligungen, darunter in Helsinki, Rom, Wien, New York, London und Barcelona Anerkennung. Da Sohlberg ein akribischer Maler war und für seine Arbeiten lange Zeit benötigte, sagte er Einzelausstellungen wegen des zu geringen Bildervorrats ab. Sein Œuvre ist durchaus überschaubar und in Deutschland besitzt nur ein öffentliches Museum, das Museum „Kunst der Westküste“ auf Föhr, ein Gemälde von ihm.

„Nacht“, 1904, Öl auf Leinwand, 113 x 134 cm, Trondheim Kunstmuseum MiST; © Trondheim Kunstmuseum

In der großartigen Wiesbadener Schau, die Sohlbergs Schaffen in seiner ganzen Breite und Vielschichtigkeit zeigt, beeindrucken vor allem seine meist menschenleeren, lichtdurchfluteten, farbenprächtigen Landschaften. „Die packenden Werke stehen künstlerisch zwischen der traditionellen Landschaftsmalerei und der Moderne. In ihnen verbinden sich Elemente der Romantik, des Symbolismus und der Neuen Sachlichkeit“, erläutern die Kuratoren Dr. Roman Zieglgänsberger und Lea Schäfer. Unter den grafischen Arbeiten befinden sich Studien für Gemälde, aber auch Experimente, mit denen Sohlberg neue Techniken erprobte.

„Aus der Gegend von Ranviken / Mittsommernacht“, 1910, Öl auf Leinwand, Museum Kunst der Westküste, Alkersum/Föhr; Foto: Hans-Bernd Heier

Der Künstler bereiste auch Regionen Norwegens, denen andere Künstler zuvor wenig Aufmerksamkeit schenkten. Von den Landschaften fertigte er häufig Zeichnungen, Fotografien und Farbstudien an. Diese Vorlagen setzte er dann später in seinem Atelier als Gemälde um. Allerdings malte er auch vor Ort unter freiem Himmel. Als er sein Hauptwerk „Winternacht“ malte, blies ein so heftiger Wind, dass er die Leinwand sogar an die Staffelei anbinden musste. Bei den stimmungsvollen Landschaftsbildern fällt die Abwesenheit von Menschen auf. Allerdings gibt es Hinweise auf menschliches Leben, wie bestellte Äcker, vereinzelte Gebäude, Straßen oder Telefonmasten.

Kurator Roman Zieglgänsberger vor dem Gemälde „Landstraße“ von 1905; Foto: Hans-Bernd Heier

Sohlbergs Kunst war, so die Kuratoren, ganz und gar abhängig von der Beziehung, die er zu seinen Motiven aufbaute. Er wartete oft lange auf passende Lichtverhältnisse und die richtige Atmosphäre. Die Intensität seiner Gemälde, die den Betrachter sofort emotional anspricht, mag auch daraus resultieren, dass er jedem Werk eine eindeutig dominierende Farbe gab, um die er die anderen Farben gruppierte. Er selbst beschrieb den Malprozess so: „Ich versuche, die Hauptfarben stärker und brillanter als die Realität zu machen, d. h. sie zu übertreiben, ohne sie zu verfälschen, und daher kann ich auch die anderen Farben des Bildes in Bezug auf die angenommene Hauptfarbe verstärken, aber alle anderen Farben müssen sich der Hauptfarbe unterordnen“. Sohlberg bannt Lichtstimmungen wie kaum ein anderer auf die Leinwand.

„Sommernacht“, 1899, Öl auf Leinwand, 114 x 135,5 cm, Nasjonalmuseet, Oslo; © Nasjonalmuseet / Børre Høstland, Jacques Lathion

Auch seine selteneren Stadtansichten sind fast immer menschenleer. Dadurch konzentriert sich der Blick des Betrachters ganz auf die Details der harmonischen Architektur, so wie bei den Gemälden „Straße in Røros im Winter“ und „Nacht“.

„Straße in Røros im Winter“, 1903, Öl auf Leinwand, 60,5 x 90,5 cm, Nasjonalmuseet, Oslo; © Nasjonalmuseet / Børre Høstland, Jacques Lathion

Neben dem profunden Begleitkatalog, der ersten deutschsprachigen Monografie, ist auch ein Kinderbuch erschienen „Der Maler und sein Hund. Eine Erzählung über Harald Sohlberg“. Anhand persönlicher Begebenheiten aus dem Leben des Malers wird sehr lebendig und kindgerecht seine Malweise erklärt.

Die Ausstellung, die nach Oslo und London derzeit in Wiesbaden gezeigt wird, ist in enger Kooperation mit dem Nationalmuseum Oslo und der Dulwich Picture Gallery, London, entstanden und wurde gefördert durch den Kulturfonds Frankfurt RheinMain und die Sparebankstiftelsen DnB. Schirmherr ist Ministerpräsident Volker Bouffier.

Neben dieser Sonderausstellung sind im Landesmuseum noch die ständige Gemäldesammlung sowie die neue grandiose Jugendstil-Präsentation zu sehen. Außerdem zeigt die Sonderschau „Mit fremden Federn“ farbenprächtigen Federschmuck und kulturelle Erzeugnisse verschiedenster Regionen, darunter Masken, Kopfbedeckungen und Armschmuck. Und das alles zu einem Gesamteintrittspreis von 10 Euro, ermäßigt 7 Euro (Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren haben freien Eintritt) – mehr Kunstgenuss ist im gesamten RheinMain-Gebiet für diesen Preis einfach nicht zu haben!

„Mittsommernacht: Harald Sohlberg – Ein norwegischer Landschaftsmaler“ ist bis zum 27. Oktober 2019 im Hessischen Landesmuseum für Kunst und Natur zu sehen; weitere Informationen unter: www.museum-wiesbaden.de

Bildnachweis (soweit nicht anders bezeichnet): Museum Wiesbaden

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