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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Lulu in den Zeiten von‚ #metoo. Plakatives Theater an der Volksbühne

von Simone Hamm

„Lulu“ von Frank WedekindRegie: Stefan Pucher,mit: Sandra Gerling, Lilith Stangenberg (Projektion), Foto: Julian Röder, 2019

Über dreißig Jahre ist es her. Da stand Susanne Lothar auf der Bühne des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg und war Lulu – in einer Inszenierung von Peter Zadek. Wer alt genug ist und das Glück hatte, diese Lulu zu sehen, der hat sie nie vergessen. Mit Zadeks Lulu, der lustvollen, mächtigen, sinnlichen Susanne Lothar muss sich jede Schauspielerin messen lassen, mit Zadeks Interpretation dieser starken Frau, jede Inszenierung.

Geradezu entschuldigend heißt es im Programmheft, dass unter einem männlichen Intendanten (Klaus Dörr), ein männlicher Regisseur (Frank Pucher) und ein männlicher Dramaturg (Florian Feigl) ein Stück eines männlichen Autoren (Frank Wedekind) inszeniert hätten. Allerdings nicht ohne weibliche Hilfe. Sie zitieren aus Virginie Despentes King Kong Theorie und aus Anna Giens und Marlene Starks Porno „M“.

Wedekinds Text hingegen hat Pucher stark eingedampft.

„Männer wollten das Objekt ihrer Phantasien nicht aus dem besonderen Rahmen heraustreten sehen, in den sie es einsperrten“, heißt es bei Despentes. Barbara Ehnes hat einen weißen, begehbaren Rahmen auf die Bühne gestellt, in dem vier kleinere Rahmen stecken. Groß genug ist die Projektionsfläche also, auf die fast pausenlos Videos projiziert werden, etwa Lulu und King Kong, Lulu schlürft Spargel, Lulu überlebensgroß.

Lilith Stangenberg, lange Jahre Volksbühnenschauspielerin, kehrt an die Volksbühne als Lulu zurück. Bei Wedekind wird sie am Ende von Jack the Ripper erstochen. Mit ihr sterben die Phantasien ihrer Männer und ihrer Geliebten und ihre eigenen Begehrlichkeiten gleichermaßen. Pucher zieht Lulu vom Ende her auf. Gleich zu Beginn des Theaterabends wird sie ermordet und stürzt aus den fünf Rahmen herunter auf die Bühne. Da liegt sie blutend und doch irgendwie malerisch hingegossen.

Lilith Stangenberg als Lulu, Foto: Julian Röder, 2019

War Susanne Lothar noch nackt, und zwar weniger frivol als vielmehr unbekümmert nackt, unverhüllt, unverhohlen, bleibt Lilith Stangenberg immer angezogen in ihren kurzen Röckchen und mit high heels. Sie trägt wechselnde Perücken. Mal ist sie kühl und blond, mal strubbelig schwarzhaarig und lieblich, dann trägt sie einen roten Pagenschnitt und ist die femme fatale. Sie ist stets das, was die Männer in ihr sehen.

Sie kann sanft und verführerisch sein oder die herrische Domina geben. Sie spielt mit den Männern, die allesamt lächerlich sind – traurige Abziehbilder.

Trotzig steht Lulu am Bühnenrand und deklamiert. Ziemlich laut. Überhaupt: Es wird unaufhörlich geschrieen. Das Gebrüll ist zudem technisch übersteuert. Aus dem Orchestergraben wird eine Band hochgefahren. Und auch der Gesang ist zu schrill und zu laut.

Pucher lässt Lulu einfach nicht sterben. Seine Lulu endet in einer Mischung aus Bonnie und Clyde und Thelma und Louise. Lulu und ihre Geliebte, die Gräfin von Geschwitz, ziehen die Waffen und erschießen alle Männer – so auch auch Wedekind. Sie versuchen, die Volksbühne in Brand zu stecken und fliehen auf den nächtlichen Straßen Berlins.

Obwohl da auf der Bühne so einiges abgeht, will der Funke nicht so recht überspringen. Diese Lulu in den Zeiten von #metoo ist zu laut, zu unreflektiert, zu plakativ, zu politisch korrekt.

 

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