home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Ein Konzert aus der Kreativschmiede von Dr. Hoch’s Konservatorium

„Das Lied soll schauern und beben“ – Kompositionen zwischen Klassik und Romantik

von Petra Kammann

Musikalische Kostbarkeiten von Robert und Clara Schumann sowie inspirierte und in Vergessenheit geratene Kompositionen aus der Zeit, veranstaltet von der Robert-Schumann-Gesellschaft im Institut für Stadtgeschichte

Das Duo Uranus (Christoph von Erffa, Violoncello, und Matthias Gräff-Schestag, Klavier), Einführung Dr. Ulrike Kienzle (rechts); Foto: Petra Kammann

Bürgerschaftliches Engagement hatte bereits im Frankfurt des 19. Jahrhunderts Konjunktur. Im Testament vom 14. Juli 1857 hatte der Frankfurter Stifter Dr. Joseph Hoch verfügt und dafür sein gesamtes Vermögen im Wert von 1 Million Goldmark zur Verfügung gestellt, dass nach seinem Tod ein Institut gegründet werden sollte, dass „die Förderung der Musik in jeder Weise und die unentgeltliche Unterweisung unvermögender musikalischer Talente in allen Zweigen der Tonkunst“ garantierte. Schon vier Jahre später wurde Dr. Hoch’s Konservatorium, die musikalisch-künstlerische Ausbildungsstätte für alle Altersstufen, in Frankfurt am Main eröffnet.

Rasch errang die neue Ausbildungsstätte dank der Berufung renommierter Dozenten ein hohes Renommee und genoss schon bald Weltruf. Erster Direktor wurde Joachim Raff (1878–1882), der hoch angesehene und experimentierfreudige Schüler von Franz Liszt, der nicht nur so begabte Schüler wie Hans Pfitzner nach Frankfurt lockte, sondern auch selber komponierte. Der Ruf der Schule zog auch später Persönlichkeiten wie Paul Hindemith, Ernst Toch oder Otto Klemperer an den Main. Zu seinen Lebzeiten galt Raff als einer der gefragtesten Komponisten des deutschen Kulturraums und wurde von Kritikern in eine Reihe mit Wagner und Brahms gestellt.

Weggefährten dieser Zeit waren unter anderem auch Julius Stockhausen und Clara Schumann (1819 -1896). 1878  war die international berühmte Pianistin, Komponistin und Ehefrau Robert Schumanns zur „Ersten Klavierlehrerin“ (heute würde man „Professorin“ sagen, so die Kuratorin Dr. Ulrike Kienzle) an das frisch gegründete Konservatorium berufen. Ihr ist zur Zeit im Karmeliterkloster, wo das Institut für Stadtgeschichte beherbergt ist, eine eigene Ausstellung gewidmet.

Viel beachtet war ebenfalls Bernhard Scholz (1835 – 1916), der so vielseitige wie produktive Nachfolge-Direktor des Hoch’schen Konservatoriums, der nach dem Tode Raffs 1883 auf Empfehlung von Johannes Brahms an das Hoch’sche Konservatorium berufen wurde. Er blieb bis 1908. Auch er komponierte, wenngleich seine Kompositionen, die über ein reiches Formenreservoire verfügen, ein wenig in Vergessenheit gerieten, vielleicht, weil sie einem der Tradition verhafteten Musikverständnis entsprechen.

Bleibt der „Hitzkopf“ Hans Pfitzner, der später versuchte, der ,Neuen Musik‘ jegliche Legitimität in der Musiktradition abzusprechen, der bereits aber 1888 noch als Studierender am Frankfurter Konservatorium seine gelungene romantische Cellosonate Opus 1 komponierte.

Die Musikwissenschaftlerin Dr. Ulrike Kienzle, die anlässlich des 200. Geburtstags Clara Schumanns in Kooperation zwischen dem Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main und der Robert-Schumann-Gesellschaft Frankfurt am Main im Dormitorium des Karmeliterklosters die sehr sehenswerte Clara Schumann-Ausstellung kuratiert hat und die künftig als Ko-Kuratorin für Musik im entstehenden Deutschen Romantik-Museum zuständig ist, hat nun das Duo Uranus aus Darmstadt eingeladen, die in Vergessenheit geratenen Stücke wie die virtuose Sonate für Violoncello und Klavier a-Moll op.81 von Bernhard Scholz (komponiert 1900), die Sonate für Violoncello und Klavier D-Dur op.183 von Joachim Raff (komponiert 1873) sowie die strengere Komposition der Sonate für Violoncello und Klavier fis-Moll op.1 von Hans Pfitzner (komponiert 1888) zu spielen.

Kienzle, die außerdem auch Literaturwissenschaftlerin ist, entwickelte die Konzeption dieses ungewöhnlichen Konzerts und erläuterte dem Publikum kenntnisreich die Hintergründe. Zugrundegelegt hatte sie für dieses Gesprächskonzert das Motto: „Das Lied soll schauern und beben“, das über dem Abend stand – ein Zitat aus der von Robert Schumann vertonten „Dichterliebe“ nach den Texten Heinrich Heines:

„Ich will meine Seele tauchen
In den Kelch der Lilie hinein;
Die Lilie soll klingend hauchen
Ein Lied von der Liebsten mein.

Das Lied soll schauern und beben
Wie der Kuß von ihrem Mund,
Den sie mir einst gegeben
In wunderbar süßer Stund’“

Das Duo Uranus (Christoph von Erffa, Violoncello und Matthias Gräff-Schestag, Klavier, beide renommierte Dozenten an der Akademie für Tonkunst in Darmstadt) spielte die liedhaft angelegte Komposition in der Transformation für Violoncello und Klavier auf sehr eindrücklich dialogische Weise, so dass ein ganzheitlich-harmonischer Eindruck entstand, der durch den warmen Celloton besonders unterstützt wurde. Gräff-Schestag brachte zunächst das zugrundeliegende Heine-Gedicht zu Gehör, was atmosphärisch dazu beitrug, dass die Idee des ,Romantischen‘ ganz präsent war.

Der Pianist Matthias Gräff-Schestag und der Violoncellist Christoph von Erffa bekamen viel Beifall 

Durch das intensive und leidenschaftliche Zusammenspiel der beiden Musiker dieser anspruchsvollen Kompositionen sowie durch die Moderation bekam man einen sehr lebendigen Eindruck von der vielfältigen und offenen Musikszene zur Zeit der Romantik gegen Ende des 19. Jahrhundert in Frankfurt, die teilweise Rückgriffe auf Mozart wie auf Mendelssohn und auf die Polyphonie Bachs machte, dessen Musik durch Mendelssohn erst wieder neu ins Bewusstsein gerufen worden war. Sie griff aber auch schon auf Elemente der sogenannten „neudeutschen Schule“ zurück, was eine Ahnung künftiger Musik der Moderne vermittelte.

Die Zugabe – die innig gespielte Romanze von Clara Schumann – nahm dann fast rondo-artig den Beginn des Konzerts mit Robert Schumanns „Dichterliebe“ wieder auf und hinterließ ein beglückt applaudierendes Publikum, das konzentriert dem fast dreieinhalbstündigen Konzert mit großer Aufmerksamkeit gelauscht hatte.

Nächste Veranstaltung:

MONTAG, 17. JUNI 2019 18 Uhr

Vortrag: „Dem Wahren, Schönen, Guten“. Aus dem Frankfurter Musikleben des 19. Jahrhunderts

„Das kann ich mir in Berlin nicht erlauben!“, staunte Kaiser Wilhelm I. nicht schlecht, als er das opulente neue Frankfurter Opernhaus erblickte. Neunzig Jahre zuvor hatte dagegen Wolfgang Amadeus Mozart nur wenig Zählbares aus der Krönungsstadt mitnehmen können. So konnte Felix Mendelssohn Bartholdy 1832 süffisant bemerken, am Main sei die Musik geschäftsmäßiger, aber viel weniger lustig als an anderen Orten. Der Vortrag blickt zurück auf das bewegte Frankfurter Musikleben im 19. Jahrhundert, dessen Spuren bis in die Gegenwart führen.

Referent: Dr. Andreas Bomba, Frankfurt am Main Ort: Karmeliterkloster, Dormitorium
Eintritt: 4 €, ermäßigt 3 €

https://robert-schumann-gesellschaft-frankfurt.de

 

Comments are closed.