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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

70 Jahre DFF und Eröffnung des Fassbinder Center

„Wir sehen ziemlich gut aus!“

Seit etwa 124 Jahren gibt es den Film und seit 70 Jahren das Deutsche Filminstitut & Filmmuseum, (DFF) in Frankfurt. 1949 in Wiesbaden als Deutsches Institut für Filmkunde gegründet, begleitet es seitdem die Entwicklung des Films, forschend und sammelnd…

Frauenpower: Monika Grütters, Juliane Maria Lorenz-Wehling, Ellen Harrington, Angela Dorn, Ina Hartwig

Text und Fotos: Renate Feyerbacher

„Wir sehen ziemlich gut aus!“ Euphorische Worte in der Begrüßung von Ellen Harrington, die seit Januar 2018 Direktorin des DFF ist. „Ja, Sie sehen gut aus“, bestätigte Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur und Medien, eine Liebhaberin des Films, die von Berlin angereist war, um dieses Ereignis und die Eröffnung des Fassbinder Centers zu feiern. Gekommen waren auch Wissenschafts- und Kulturministerin Angela Dorn, Oberbürgermeister Peter Feldmann und Kulturdezernentin Ina Hartwig, die als Gastgeschenk einen lange verschollenen Mitschnitt der Generalprobe von „Der Müll, die Stadt und der Tod“ mitbrachte, dessen Uraufführung im Schauspiel Frankfurt 1985 durch eine Bühnenbesetzung verhindert wurde.

Natürlich war auch Juliane Maria Lorenz-Wehling, die Präsidentin der Rainer Werner Fassbinder Foundation (RWFF), die von Fassbinders Mutter Liselotte Eder vier Jahre nach dem Tod ihres Sohnes gegründet wurde, da. Sie kennt sein Werk, denn sie war seit 1976 Schnittmeisterin vieler seiner Filme und später seine Lebensgefährtin.

Drangvolle Enge herrschte im zum Festsaal umfunktionierten Lesesaal, der den Namen des Mäzens Giersch trägt. Glücklich, wer noch einen Platz auf dem ausgefallenen, aber unbequemen Fassbinder-Designer-Ledersofas erwischte.

Unter den Gästen war auch Claudia Dillmann, die das Haus 20 Jahre lang leitete. Erinnert wurde an Kulturdezernent Hilmar Hoffmann (1925 – 2018), dessen Initiative die Gründung des Deutschen Filmmuseums erst ermöglichte.

Feier des 90. Geburtstags von Hilmar Hoffmann 2015; hier mit Claudia Dillmann

Dabei auch Hans-Peter Reichmann, der Filmhistoriker, der die Schätze sammelt, hütet und Ausstellungen kuratiert. Er holte den Curd Jürgens- und den Maximilian Schell- Nachlass ins DFF.

Unter den Gästen Jan Harlan sowie Filmregisseur Sönke Wortmann („Frau Müller muß weg“ 2015 1.Staffel der TV –Serie „Charité“ 2017 und „Der Vorname“ 2018).

Und der weltbekannte Filmemacher Volker Schlöndorff, ein Meister der Literaturverfilmung, war gekommen. Seinen 80. Geburtstag hatte der gebürtige Wiesbadener Anfang April im Wiesbadener Caligari-Kino gefeiert. Aufgewachsen in Schlangenbad, besuchte er nach einem französischen Schüleraustausch ein Internat in der Bretagne und beendete die Schullaufbahn mit dem Abitur, dem Baccalauréat, in Paris. Er studierte zunächst Jura, aber seine Leidenschaft für den Film war größer. Er arbeitete unter anderem als Regieassistent von Louis Malle und Alain Resnais. Sein erster eigener Film „Der junge Törless“ (1966), nach dem Roman von Robert Musil „Die Verwirrungen des Zöglings Törless“, den er in der Bundesrepublik und in Frankreich drehte, wurde gleich ein Erfolg. Für „Die Blechtrommel“ – eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Günter Grass – erhielt er 1980 den Oscar und viele weitere Auszeichnungen. Häufig konzntrierte er sich auf ein historisches Ereignis unter politischen Gesichtspunkten. Dazu zählt sein Film „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“, bei dem er eng mit dem Kölner Schriftsteller Heinrich Böll zusammenarbeitete.

Im Herzen fühle er, der auch in den USA lebte und arbeitete, nach dem Mauerfall  aber nach Potsdam kam, immer noch französisch. „Bei uns gehört Film, im Gegensatz zu Frankreich, nicht zur Kultur, nicht zum Bildungswissen“, bedauerte er 2009 in einem Interview mit der Bundeszentrale für politische Bildung.

Volker Schlöndorff in seinem Archivraum im DFF

Schlöndorff engagierte den 24-jährigen Fassbinder für die Rolle des Dichters und Anarchisten Baal in der Fernsehverfilmung des gleichnamigen Theaterstücks von Bertolt Brecht. Es war die erste Zusammenarbeit der beiden, die acht Jahre später mit anderen Regisseuren in dem Film „Deutschland im Herbst“ zusammenarbeiteten. Brechts Witwe Helene Weigel verbot die erneute Ausstrahlung von „Baal“. Fast 50 Jahre sollte es dauern, bis die Brecht-Familie die Sperre aufhob.

Schlöndorffs Archivraum liegt zwischen den Räumen von Romuald Karmakar und Rainer Werner Fassbinder.

Archivraum im Fassbinder Center

Dicht sind die etwa 180 Archivboxen auf den Metallgestellen gestapelt. In ihnen ist das wertvolle Schriftgut von Rainer Werner Fassbinder (1945 – 1982) gesammelt: Arbeitsdrehbücher, handschriftliche Szenenfolgen, Szenenaufstellungen, Dialoglisten, Finanzierungspläne, Verträge und Briefe. 2018 wurden sie mit Unterstützung der Hessischen Kulturstiftung, der Kulturstiftung der Länder und des Landes Hessen vom RWFF angekauft und dem Fassbinder Center im DFF übergeben. Einige hundert tausend Euro, es heißt 750 000 Euro seien geflossen. War dieser Betrag für Berlin zu viel, wo doch die RWFF residiert?

Die gesamte übrige Sammlung des RWFF-Produktionsunterlagen – Werkarchiv, Fotoarchiv, Videoarchiv sowie alle Interviews mit Fassbinder und Dokumentationen über ihn – befindet sich als Dauerleihgabe im DFF. Das Fassbinder Center liegt in der Eschersheimer Landstrasse. Für die Studenten des Masterstudiengangs „Filmkultur: Archivierung, Programmierung, Präsentation“ der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt ist es nur ein kurzer Weg dorthin. „Ich bin schon gespannt auf die Früchte wissenschaftlicher Arbeit, die dieses Haus hervorbringen wird“, so Juliane Maria Lorenz-Wehling.

In dem Beitrag anlässlich von Fassbinders Ausstellung JETZT in Frankfurt und im Gropius Bau Berlin wurde bereits über das Werk von Rainer Werner Fassbinder geschrieben.

44 Filme, mehrere Fernsehproduktionen und Bühnenstücke, Hörspiele hat Rainer Werner Fassbinder in 14 Jahren produziert. Er ist einer der bedeutendsten Filmemacher der Nachkriegszeit, die das deutsche Kino zu Ansehen in der Welt verhalf. Seine Radikalität, sein Lebensstil wurden oft abgelehnt, sein politisches Credo aber war eindeutig und klar.

www.dff.film

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