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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Elisabeth-Norgall-Preis des Frankfurter International Women‘s Club für Chungja Agnes Kim

Bildung für Kinder und Jugendliche: Die koreanische Opernsängerin und Professorin Chungja Agnes Kim hat ihre ‚Lebensaufgabe‘ in Malawi gefunden.

von Renate Feyerbacher

Der Pianist Joong Bae Jee, Preisträgerin Chungja Agnes Kim und die Violinistin Heri Kang; Foto: Renate Feyerbacher

„Korea ist meine Heimat, Deutschland die Heimat des Geistes, Afrika die Heimat meiner Seele“, so die Worte von Changja Agnes Kim bei der kleinen Pressekonferenz. Drei Tage nach dem Geburtstag der Frankfurter Lehrerin Elisabeth Norgall (10. März 1887 bis 31. August 1981) und Gründerin des International Women’s Club (IWC) 1946, wurde Chungja Agnes Kim von zahlreichen Frauen für ihre malawischen Projekte in Kultur und Bildung gefeiert. Sowohl Stadträtin Alibina Nazarenus-Vetter und Laudatorin wie auch IWC-Vizepräsidentin Yong-Hi Yim-Siegels ehrten die Preisträgerin mit persönlichen Reden.

Erste IWC-Vizepräsidentin Yong-Hi Yim-Siegels, Preisträgerin Chungja Agnes Kim und IWC-Präsidentin Cornelia Klaus, Foto: Renate Feyerbacher

Ein Blick auf das bewegte Berufsleben von Chungja Agnes Kim:

Über die Grenzen hinweg spielte sich das Leben der einst renommierten Opernsängerin und Professorin ab. In Südkorea wurde sie 1944 geboren, ihre 75 Jahre sind ihr allerdings nicht anzusehen. Dann folgte in den 60er Jahren Deutschland und Österreich, wo sie Gesang und Klavier studierte. 1970 folgte das erste Engagement an der Oper Bern, dann Rückkehr nach Korea, weil die Eltern erkrankten. Wieder zurück in Deutschland, debütierte sie in der „Frau ohne Schatten“ in Karlsruhe.  Schließlich gehörte sie einige Jahre zum festen Ensemble der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf. Re Young Kim, so ihr Künstler-Name, war die erste koreanische Mezzosopranistin in Deutschland. Im Großen Sängerlexikonvon K.J.Kutsch / Leo Riemens wird sie geführt, allerdings mit falschem Geburtsdatum. Als sie 50 Jahre alt wurde, trieb sie das Heimweh nach Korea, wo sie an der Korean National University of Arts in Seoul Professorin wurde. Vor ihrer Rente dachte Chungja Agnes Kim über ihr weiteres Leben nach, reiste durch die Welt, um eine Aufgabe zu finden.

Chungja Agnes Kim vor dem großem Blumenstrauß, Foto: Renate Feyerbacher

Sie fand ihre Lebensaufgabe in Karonga, einer kleinen Stadt in Malawi. An Wissenschaft interessierte Frankfurter*innen kennen den Ort. Dort beziehungsweise in der Nähe war Friedemann Schrenk, heute Professor an der Goethe Universität / Forschungsinstitut Senckenberg, schon vor Jahren auf der Suche nach dem Ursprung des Menschen. Durch den Fund eines Unterkiefers von einem Urmenschen konnte das Rätsel unseres Ursprungs wieder etwas mehr entschlüsselt werden. 2004 war Schrenk maßgeblich an der Gründung des dortigen Kultur- und Museumszentrum  Karonga (CMCK) beteiligt.

Karonga ist der Ort, den Chungja Agnes Kim für ihre Lebensaufgabe wählte. 2010 verließ sie die Universität in Seoul, verkaufte ihr Haus und siedelte nach dort über. „Man muß dort leben und sehen, wo das Geld hinfließt.“ Erst bei der Norgall-Preisverleihung realisierte sie, dass mit der Ehrung 6.000 Euro verbunden sind. Sie war überwältigt.

Wie kommt eine Frau mit diesem Lebenslauf dazu, sich in einem der ärmsten Länder dieser Welt zu engagieren und dort auch zu leben? Die Antwort muß wahrscheinlich in ihrer Kindheit gesucht werden: Chungja Agnes Kim ist ein Kriegskind. 1950 begann der drei Jahre andauernde Koreakrieg, der Millionen Tote forderte und die Teilung von Nord- und Südkorea nach sie zog. Sie wurde katholisch und von einem irischen Priester gefördert, der ihr Klavierunterricht gab. „Glaube zu Gott, Liebe zu Menschen, Leidenschaft, Disziplin und vor allem Dankbarkeit“ haben sie angetrieben. „Früchte teilen und anderen geben, macht das Leben reich.“  Es ist diese christliche Weisheit und der Glaube, die sie leiten.

Die Urkunde des IWC, Foto: Renate Feyerbacher

Es ist einzigartig, was Changja Agnes Kim in Karonga geschaffen hat. Unterstützt wurde sie von ihrem Sohn Daniel Glatzel, Musiker in Berlin. Lebendig erzählt sie anhand von bildlichen Projektionen von dem, was entstanden ist.

Bei der Lusubilo Orphan Care Gemeinschaft begann sie zunächst mit Aidswaisen zu arbeiten. Dann kam ihr die Idee, eine Musikschule aufzubauen. Daraus ging die Lusubilo (das bedeutet Hoffnung)  Band hervor, die mittlerweile in Malawi sehr bekannt ist, die in Korea, in Frankfurt (Senckenberg Museum) und Berlin bereits gastierte.

Die Schüler, die vier Jahre unterrichtet werden, zahlen kein Schulgeld, bekommen Instrumente gestellt, für die sie kleine Beträge bezahlen. Das hält sie für wichtig, damit sie lernen, Verantwortung zu übernehmen. Sie fordert von ihnen Disziplin, das heißt: üben, üben, üben. Nach zwei Jahren gehören die Instrumente den jungen Menschen, die nach dem Ende der vierjährigen Ausbildung als Lehrer an der Schule übernommen werden können.

Die Musikschule war Chungja Agnes Kims erstes Projekt, das sie ins Leben rief, aber ihre Aktivitäten ruhten nicht. Sie gründete eine Zeichenschule, ermöglichte Mädchen den Schulbesuch. 2015 konnte im Dorf sogar eine Grundschule mit acht Klassen und Lehrerunterkünften eröffnet werden. Das ersparte 400 Kindern den täglichen stundenlangen Fußmarsch bis zur nächsten Schule. Der Schulalltag beginnt mit einem Frühstück, das von Müttern zubereitet wird.

In Malawi, das über 17 Millionen Einwohner hat, haben die meisten Menschen weniger als zwei US Dollar täglich zur Verfügung. Laut Volkszählung soll es 190 000 Aidswaisen geben. Fast zehn Prozent der 15 bis 49-Jährigen sind HIV-infiziert.

Stadträtin Albina Nazarenus-Vetter und IWC-Präsidentin Cornelia Klaus, Foto: Renate Feyerbacher

Chungja Agnes Kim ließ bauen, schreinern, kochen, unterrichten und brachte so einige Menschen in Arbeit. All diese Aktivitäten sind sicher nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber die Tropfen summieren sich. Daneben vermittelt sie, wie wichtig auch die Eigeninitiative ist und hofft, dass diese weiter Wurzeln schlägt, denn Eigeninititiaive ist meist wirkungsvoller als es die Gelder für Entwicklungshilfe sind, die häufig in ominöse Kanäle fließen. All ihre Projekte finanziert sie mit den Spenden von Freunden weltweit und ein Auge hat sie auf alles.

Im kommenden Jahr will Chungja Agnes Kim das Management in afrikanische Hände legen, aber weiterhin in Karonga leben. „Ich träume weiter für meine Kinder. Es wird schon irgendwie weitergehen.“ Sie hat es inzwischen erreicht, dass die Gehälter für Lehrer von der Regierung gezahlt werden.

Hin und wieder entflieht sie den hohen Temperaturen in Malawi, die auf 50 Grad hochklettern können, und tankt in Deutschland und Korea ihre Kräfte auf.

Präsentation eines musikalischen Projektes, Foto: Renate Feyerbacher

Außerdem ist Chungja Agnes Kim ‚Präsidentin‘ von drei Fußballmannschaften, denen sie Fußballbälle, Trikots, aber vor allem Fußballschuhe aus Deutschland mitbrachte. Des Weiteren ermöglichte sie den Bau von insgesamt 24 Brunnen. Eine wichtige Maßnahme, die Kindern und Frauen das stundenlange beschwerliche Wasserholen abnimmt.

Es ist schon beeindruckend, was Changja Agnes Kim in kurzer Zeit geschaffen hat, nachdem sie ihre Habe in Korea komplett verkauft und mit diesem Geld Bildungszentren für Kinder und Jugendliche in einem der ärmsten Länder der Welt aufgebaut hat. Es macht sie reich und glücklich, weswegen sie Freude, Glück, Hoffnung und Zuversicht ausstrahlt. Begeisterten Beifall spendete sie dem jungen Duo, der Geigerin Heri Kang, die im Orchester des Staatstheaters Darmstadt spielt, und ihrem Mann Joong Bae Jee, Pianist und Dirigent, welche die Feier musikalisch umrahmt hatten. Gerne ließ sie sich daher auch mit den jungen Künstlern fotografieren.

Abermals hat der IWC eine außergewöhnliche Norgall-Preisträgerin gefunden.

 

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