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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Uraufführung: „Zu der Zeit der Königinmutter“ am Akademietheater in der Wiener Burg

Afrikanische Geschichten, seltsam steif inszeniert

Von Simone Hamm

Fiston Mwanza Mujilaist im Kongo aufgewachsen, von dort über Belgien, Deutschland und Frankreich nach Österreich gekommen, lehrt heute an der Universität Graz afrikanische Literatur. Sein Roman „Tram 83“ stand auf der Longlist des Man Booker International Prize. „Zur Zeit der Königinmutter“ ist das erste Stück, das Fiston Mwanza Mujila auf Deutsch geschrieben hat.

Elena Todorova, Christian Pollheimer, Markus Hering, Simon Jensen, Sven Dolinski, Gertraud Jesserer, Foto: Elisabeth Gruber / Burgtheater

Die Jersey Bar könnte überall sein. Im Kongo, wo der Autor Fiston Mwanza Mujila geboren ist, irgendwo in Europa, sogar in Südamerika. Überall dort, wo Gestrandete sich versammeln, sie von alten besseren Zeiten palavern, Bier trinken und jeden Neuankömmling argwöhnisch beobachten. Eigentlich passiert nichts in der Jersey Bar.

Geschichten erzählen, das ist Fiston Mwanza Mujilas große Stärke. Und die Königsmutter ist immer dann spannend, wenn er die Schauspieler solche Geschichten präsentieren lässt.

Gertraud Jesserer erzählt von der Königinmutter, die dem Stück den Namen gegeben hat. Eine Übermutter, eine Barfrau, die ihre eigene Ermordung vorhersieht.

Markus Hering erzählt von einem Mann, der seine Gestalt wechseln kann, der vom Mann zur Ziege und zur Schlange wird und mordend und totschlagend solange durch ganz Europa zieht, bis ihm ein junger Mann, den er töten will, einen Handel anbietet.

Mirco Kreibich, Patrick Dunst, Christian Pollheimer, Elena Todorova, Simon Jensen, Markus Hering, Sven Dolinski, Gertraud Jesserer, Foto: Elisabeth Gruber / Burgtheater

Mirko Kreibich spielt die Geschichte von Solo. Solo, der so wie Adam der Genesis nach aus vier verschiedenen Erden aus Lehm geboren wurde, war von seinen Eltern eingeschärft worden, niemals in den Regen zu gehen, denn dann würde er zerfließen. Er hört nicht auf die Eltern, geht aus dem Haus, kommt in einen Regen. Er spürt, dass da ein Loch in seinem Kopf ist, dass Nase und Ohren ihm abfallen. Verzweifelt streicht er sich durch die Haare, fährt mit den Händen am Kopf entlang, überall Schlamm, auf den Haaren, den Beinen, dem Bauch, den Armen: er wird zu Schlamm. Das ist die eindrücklichste Szene des Abends.

Simon Jensen, Sven Dolinski, Gertraud Jesserer, Foto: Elisabeth Gruber / Burgtheater

Ansonsten treten die Schauspieler zum Rand der Bühne vor und sagen den Text auf. Es gibt kaum Dialoge, kaum Bewegung. Auch die drei Musiker (Schlagzeug, Gitarre Saxophon) Musik werden selten einbezogen. Als der Saxophonist einmal zum Solo ansetzt, als die Schauspieler zweimal unterbrochen werden vom Schlagzeuger, hofft man, jetzt könne da eine Interaktion kommen. Weit gefehlt. Es geht weiter wie bisher. Die Zuschauer erwachen nur aus ihrer Lethargie, wenn wieder eine afrikanische Geschichte erzählt wird. Das da ein Mann Tiergestalt annimmt, hätte man doch herrlich inszenieren können! Aber der Regisseur Philipp Hauß läßt Fiston Mwanza Mujila allein.

Am besten hat mir der Schauspieler in dem schwarzen, pelzigen Bärenkostüm gefallen. Er ging leise auf und ab, saß am rechten Bühnenende und gab dem Ganzen einen dadaistischen Touch. Den Bären hätte man am allerwenigsten in der Jersey Bar erwartet. Und in der Bärenhaut steckte Regisseur Philipp Hauß.

Regie: Philipp Hauß, Bühne und Kostüme: Katrin Brack, Musikalische Leitung: Patrick Dunst, Licht: Norbert Piller, Dramaturgie Eva-Maria Voigtländer

https://www.burgtheater.at

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