home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Gerd Winter – Farbfelder

Ein Beitrag der Ausstellungskuratorin Brigitta Amalia Gonser über den Maler Gerd Winter

Gerd Winters künstlerisches Motto lautet, angelehnt an das Credo von Max Ernst „Ich finde nicht, ich suche …“, in Umkehrung der Aussage Pablo Picassos. Denn Winters Arbeitsweise beinhaltet das Tastende, erst einmal vorsichtig Formulierte, das Suchende, Vorläufige, das Offene. Ohne zu wissen, was unbedingt rauskommt, lässt er sich gerne überraschen. Doch das fertige Kunstwerk muss funktionieren und überzeugen.


Andante Comodo Mahler, 2005, Mischtechnik auf Leinwand, 100×120 cm

1951 in Groß-Gerau geboren, absolvierte Gerd Winter 1984, nach einem Studium der Kunstpädagogik an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main, sein Studium der Malerei an der Frankfurter Städelschule, bei Hermann Nitsch, Ernst Caramelle, Bernhard Jäger, Peter Klasen und Thomas Bayrle. Danach wurde ihm 1993 der Titel eines Meisterschülers der Städelschule verliehen. Seit 1995 ist er aktives Mitglied der Darmstädter Sezession. Zu seinen Auszeichnungen zählen der Georg-Christoph-Lichtenberg-Preis für Bildende Kunst des Landkreises Darmstadt-Dieburg und der Wilhelm-Loth-Preis der Stadt Darmstadt. Er lebt und arbeitet seit 1984  in Roßdorf bei Darmstadt.

Galerien aus Frankfurt am Main, Darmstadt, Kassel und Luxemburg haben die Arbeiten Gerd Winters kontinuierlich ausgestellt und auf internationalen Kunstmessen präsentiert. So wird er von der Galerie Barbara von Stechow aus Frankfurt am Main, der Galerie Netuschil aus Darmstadt und der Kunstagentur Karin Melchior aus Kassel vertreten. Erstere zeigte sein Werk zwischen 1996-2005 regelmäßig auf der ART Frankfurt und die Galerie Schweitzer aus Luxemburg auf der ART Paris.  Zahlreiche seiner Werke befinden sich in öffentlichen und privaten Sammlungen.

Seine Ausbildung an der Städelschule hat Gerd Winter 1979 in der Klasse des Wiener Malers und Aktionskünstlers Hermann Nitsch begonnen. Der der Ansicht war, dass die Leute locker werden und einen sinnlichen Bezug zur Farbsubstanz bekommen sollten. Damit eröffnete er Winter eine Schule der sinnlichen Erfahrungsmöglichkeiten.


Dialog, 2015, Mischtechnik auf Leinwand, 100×120 cm

So ist seit Mitte der 1990er Farbe ein eigenständiges Thema für ihn geworden, wobei er Farbe zum autonomen Bildgegenstand erkoren hat. Denn Gerd Winter ist ein Vertreter der Farbfeldmalerei, die oft auch als „Essentielle Malerei“ bezeichnet wird, weil sie nichts weiter sein will als reine Malerei mit einer ruhigen, kontemplativen Wirkung. Es ist ihm wichtig, mit seinen Bildern dem „Lauten“ etwas entgegen zu setzen.


An W.T. gedacht I, 2013, Mischtechnik auf Leinwand, 100×150 cm

Das führt bei Winter zu klaren, ruhigen Kompositionen von kräftigem und pastosen, jedoch nie grellem Farbauftrag. Dabei begleitet ihn schon immer eine Beziehung zum Ornament, zum Seriellen. Es gibt in den Bildern auch Schriftzüge, die aus dem Unbewussten kommen, aus der Intuition. Aber wenn sie realisiert und gemalt werden, werden sie mit Bewusstheit durchdrungen.


Scriptural I, 2017, Mischtechnik auf Leinwand, 70×100 cm

Seine Werke haben etwas Charakteristisches, ohne manieristisch zu wirken, denn dafür ist Winter zu experimentierfreudig. Es ist eine über die Zeit gewachsene Malerei. Künstlerische Intention trifft auf „geplanten“ Zufall.  Denn ab 2015 begegnet uns in seinem Schaffen eine neue Werkphase, in der die Strenge seiner bisherigen Kompositionen zugunsten einer neuen, spontaner entstandenen malerischen Leichtigkeit aufgelöst wird. Und der Künstler bekennt: „ Nichts ist langweiliger, als eine bewährte Methode immer zu wiederholen. So ein komplexes Gebiet wie die Malerei ist ohne Widersprüche und Paradoxien nicht zu denken.“


Fragmentarisch, 2015, Mischtechnik auf Leinwand, 110×150 cm

Natürlich ist für ihn entscheidend, was er stehen lässt, und was einer kritischen Überarbeitung unterzogen werden muss. Auch da war sein Städellehrer Hermann Nitsch ganz wichtig. Er, der der Farbe einen Eigenwert gegeben hat, indem er seine Bilder geschüttet hat, ohne Korrektur. Da hat sich Winter sehr früh für einen andern Arbeitsweg mit der Farbmaterie entschieden. So wird Hermann Nitsch Gerd Winter 2006 in seiner Laudatio bei der Verleihung des Wilhelm-Loth-Preises in Darmstadt attestieren: „Die Farbe ist ihm ein Anliegen. Er zelebriert das zeitlose Schmecken der Malerei. Seine Farbgestaltungen sind durchaus synästhetisch zu verstehen. Sehe ich seine Arbeiten, strahlt mir gesunde Frische, lebendige Farbenpracht von frischen Blumen entgegen. Er bringt eine Leistung, die nicht von der Erlösung erzählt, sondern sie kurzfristig bewirkt.“

In der Ausstellung „Farbfelder“ von Gerd Winter, in den Foyers des Instituts für Stadtgeschichte wird die kreative Überzeugungskraft eines intensiven Künstlers offenbar. Gezeigt werden bis zum 16. Februar 2020 neun repräsentative, in den Jahren 2005 bis 2017 entstandene, großformatige abstrakte Kompositionen, in Mischtechnik auf Leinwand, in denen der Maler jeden Bezug zur Gegenständlichkeit vermeidet, um sich ganz auf die innerbildlichen Korrespondenzen und Kontraste von Form- und Farbklängen zu konzentrieren. In diesem Sinne verbindet Gerd Winter in seiner Farbfeldmalerei Abstraktion mit meditativer Stille.

Prozessualität und Zeitlichkeit spielen dabei im gesamten künstlerischen Schaffen Winters eine wesentliche Rolle. Inspirationsquellen holt er sich immer wieder aus Meditation und Stille, wobei Musik als Begleitung sehr wichtig wird; auch die Erinnerung von Wolkenformationen oder Landschaften kommt zum Tragen.

Auf der Suche nach Schönheit, nach gültiger ästhetischer Form, letztendlich nach Wahrhaftigkeit bedeutet für Gerd Winter die Präsenz der Farbe immer auch die Gegenwart eines großen Geheimnisses. So öffnen sich seine Bilder zu weiten Ausblicken als Fenster zur geistigen Welt.

 

Führungen mit der Kuratorin Brigitta Amalia Gonser finden 2019 am 15. Juni, 13 Juli, 17. August, 19. Oktober, 14. Dezember sowie am 18. Januar 2020, jeweils samstags, um 15 Uhr statt.

Comments are closed.