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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Hautnah“ – Filmkostüme von Barbara Baum im Deutschen Filmmuseum Frankfurt

Subtiles Spiel mit historischen Stoffen

Text und Fotos: Renate Feyerbacher

Videoinstallation der Videokünstler Siegfried Barth und Oliver Weiss im Eingangsbereich

Das Kostüm ist die halbe Rolle – davon ist Barbara Baum überzeugt. In ihrer Ansicht wird sie von Filmschauspielerin Hanna Schygulla unterstützt: „Ihre Kostüme machten Rollen.“ Unvergessen Hanna Schygulla als Willie Bunterberg im Film „Lili Marleen“ von Rainer Werner Fassbinder (1980). Die schöpferische Kostümbildnerin, eine der besten Deutschlands, und auch international gefeiert, schuf ein faszinierendes Abend-Ensemble aus Silberlamé, mit dem Willie am Ende des Films als Sängerin die Bühne betritt. Sie sollte darin wirken „wie in einem Panzer eingeschlossen“, so Fassbinder. Verwendet hat Barbara Baum einen Originalstoff aus den zwanziger Jahren, der heute allerdings Spuren des Zerfalls aufweist. Ein Höhepunkt der Ausstellung „Hautnah“ im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt.

Barbara Baum und Hans-Peter Reichmann

Barbara Baum, die zur Ausstellungseröffnung kam, wirkte im ersten Moment filigran, zerbrechlich, dann aber im Gespräch mit Hans-Peter Reichmann, dem Kurator der Ausstellung, kraftvoll, informiert, impulsiv, resolut – eine Kämpferin. Auch ihr legendäres Lachen war zu vernehmen.

„Wenn ich Stoffe sehe, sehe ich Bilder“, so Barbara Baum beim Rundgang. Stoffe, fließende Seide, zarter Chiffon, schwerer Brokat, können in Vitrinen bewundert und auch manchmal gefühlt werden. Eine Audioführung für Blinde, Sehbehinderte und natürlich Sehende wurde entwickelt. Die Sinnlichkeit der Stoffe ist geradezu zu spüren. Auch die eindrückliche Beschreibung der Kostüme, unterstützt von Filmausschnitten und Videoaufzeichnungen, lässt die Figuren lebendig werden. Mit Augen, Ohren und Händen sind die Exponate nachzuvollziehen.

Ein großer Arbeitstisch wie in ihrer Berliner Wohnung mit Dokumenten und Stoffproben ist nachgebildet und steht mitten im Raum.

Stoffe in Vitrine

Barbara Baum hat eine Schneiderlehre und ein Modedesign-Studium in Berlin absolviert. Sie kam als Autodidaktin zum Film und arbeitete für Produktionen namhafter Filmregisseure. Es begann mit „Verbrechen mit Vorbedacht“ (1967) von Peter Lilienthal. Viele der Streifen waren fürs Fernsehen bestimmt. Ab 1972 wurde sie die Kostümbildnerin von Rainer Werner Fassbinder, mit dem sie acht Filme realisierte. Sie konnte ihm Paroli bieten. Juliane Maria Lorenz-Wehling, Leiterin der Rainer Werner Fassbinder Foundation, erinnert sich, wie die damals 28jährige Kostümbildnerin beim ersten Dreh von „Fontane Effi Briest“ (1972-1974) sich vor die Kamera stellte und bestimmte, dass noch nicht gedreht werden könne, da am Hals von Hanna Schygulla noch die originale Emaillebrosche fehle. Fassbinder habe geschwankt, ob er wütend werden solle. Nein, er wurde nicht wütend. Juliane Lorenz-Wehling, einst Lebensgefährtin und Cutterin seiner Filme, vermutet, dass „diese Szene offensichtlich für ihn eine Offenbarung war: Denn eigentlich hatte ihm seine Kostümbildnerin […] vermittelt, was es heißt, seinen Beruf wirklich ernst zu nehmen“. (Zitat aus dem Katalog „Filmstoffe“ Deutsches Filminstitut Frankfurt am Main und Rainer Werner Fassbinder Foundation, Berlin; 206 Seiten; zahlreiche farbige Abbildungen; ISBN: 9783887990879; 2. überarbeitete Auflage)

„Wir hatten einen Nerv für einander“, bemerkt Barbara Baum.

Das rote Ballkleid von Schauspielerin Léa Bosco in der Rolle von Gerda Buddenbroook, der Gattin von Thomas Buddenbrook

Für Catherine Zeta-Jones, als Katharina die Große, entwarf sie das Hochzeitskleid aus handgewebtem floralem Silberlamé-Brokat. Wer sich für die Feinheiten der Verarbeitung interessiert, kann sich auf ausführlichen Beschreibungen informieren. Detailgenauigkeit ist ein Markenzeichen von Barbara Baum, da kennt sie keine Kompromisse. Oft wurde es zum Leidwesen der Produzenten teuer. Bei 74 Filmen von 1967 bis 2014 war sie mit der Kostümgestaltung betraut. 2015 beim Deutschen Filmpreis wurde ihr der „Ehren-Lola“ verliehen. Ein Stern auf dem Berliner Boulevard der Stars ehrt sie.

Engagiert war sie, um nur einige Höhepunkte zu nennen, auch bei Fassbinders „Berlin Alexanderplatz“ (1979/1980), bei Volker Schlöndorffs „Homo Faber“ (1990/1991), bei Bille Augusts „Das Geisterhaus“, bei Marvin J.Chomskys, John Goldsmiths „Katharina die Große“. Auch Stanley Kubrik wollte mit ihr arbeiten. „Die Manns – ein Jahrhundertroman“ (2001) und „Buddenbroocks“ (2008) des Regisseurs Heinrich Breloer fesselten die Menschen vor den deutschen Fernsehern.

Für Filmstar Catherine Zeta-Jones in der Hauptrolle als russische Zarin Katharina II. mussten Rokoko-Kostüme angefertigt werden

Sie verlieh mehr als 50 Originalkostümen, die in internationalen Ateliers gefertigt wurden und zu sehen sind, ihre künstlerische Handschrift. 19 Originalkostüme aus Fassbinder-Filmen werden in der Ausstellung präsentiert.

Barbara Baum hatte hautnahe Beziehungen zu den Schauspielerinnen und Schauspielern, auch zu internationalen wie Sam Shephard, Jeanne Moreau, July Delpy, Burt Lancaster und Meryl Streep. Hollywood-Star Faye Dunaway bestand zunächst für „Brennendes Geheimnis“ auf ihrer Kostümbildnerin, aber Barbara Baum wusste sie zu überzeugen. Mit dem „beautiful job“ war sie danach hochzufrieden.

Begleitprogramm im Filmmuseum:

Workshop am 23. Januar um 19 Uhr : Filmstoffe entdecken mit Anita Pavani, deren Firma in Heuchelsheim Stoffe an Künstler, Modedesigner, Bühnen, Museen und die Filmindustrie liefert. Sie wird über Stoffe, deren Verarbeitung und ihre Zusammenarbeit mit Barbara Baum sprechen.

Kostümfilme zur Ausstellung:

Am 22. Januar, 18 Uhr „Brennendes Geheimnis – Burning secret“, Regie Andrew Birkin
Am 29. Januar 20.15 Uhr „Die Sehnsucht der Veronika Voss“ (1982), Regie Rainer Werner Fassbinder

Vor dem Film wird Kurator Hans-Peter Reichmann mit der Kostümbildnerin Monika Jacobs, einst Assistentin bei Barbara Baum, heute selbst eine preiswürdige Kostümbildnerin, sprechen.

Immer donnerstags zwischen 12 und 14 Uhr kann die Mittagspause mit Rundgang und Sandwich ins Museum verlegt werden.

Die alle Sinne beschäftigende, informative Ausstellung „Hautnah“ ist noch bis zum 10. März 2019 im Deutschen Filmmuseum zu sehen. Schön, interessant und lohnenswert.

 

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