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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

DAS NEUE FRANKFURT – Die Moderne am Main feiert sich im Bauhausjahr 2019 in drei Museen


Die Baustelle der Moderne:
Lebens- und Gestaltungsmodule der Weimarer Republik

Von Petra Kammann

Unter dem Namen „Das Neue Frankfurt“ wurde zu Beginn der 1920er Jahre in Frankfurt ein beispielloses Programm ins Leben gerufen, das weit über die Grenzen der Stadt wahrgenommen wurde, denn in der neugegründeten Weimarer Republik ging es nicht nur um eine bauliche, sondern um eine von Grund auf kulturelle Erneuerung. In Frankfurt entstand ein dem Bauhaus gleichwertiges, weltbekanntes Zentrum der Avantgarde und die Stadt entwickelte sich zu einem Vorzeigemodell der modernen Großstadt. Zum Bauhausjahr 2019 widmen sich Anfang 2019 daher gleich drei städtische Frankfurter Museen den verschiedenen Aspekten des legendären Großstadtprojekts in Sonderausstellungen: das Museum Angewandte Kunst, das Deutsche Architekturmuseum und das Historische Museum Frankfurt. Und das in diesem Jahr gegründete Forum Neues Frankfurt in der Römerstadt bringt die Mitwirkenden miteinander ins Gespräch und bietet ein Begleitprogramm rund um „Das Neue Frankfurt“ an.

Die von Hans und Grete Leistikow gestaltete Zeitschrift verbreitete die Ideen des „Neuen Frankfurt“ auch international

Gebäude voller Schwung: Das „Forum Neues Frankfurt“ und Sitz der Geschäftsstelle der ernst-may-gesellschaft in einem ehemaligen Ladenlokal der Siedlung Römerstadt, in der Hadrianstraße 5 als Anlaufstelle für die Bürger; Foto: Petra Kammann

Architektur, Leben und Stadtgestaltung

„War das Bauhaus vor hundert Jahren die Akademie der Moderne, so war das Neue Frankfurt die Baustelle“, sagt Peter Cachola Schmal, der als Direktor im Deutschen Architekturmuseum schon eine Menge Vorarbeit zum Thema geleistet hat, nicht zuletzt 2011 im DAM die große Ernst-May-Restrospektive und 2010 die Ausstellung von Martin Elsaessers Bauten und dessen architektonischen Glanzleistungen. Im Bauhaus wurde gedacht, im „Neuen Frankfurt“ gemacht…

In Weimar brachte Walter Gropius die „Kunstgewerbeschule Staatliches Bauhaus“ auf den Weg – eine wahre Experimentierstätte, die eine neue Form der Architektur einläuten sollte. Die unterschiedlichsten Künstler sollten hier beim Bau des neues Hauses, des Bauhauses, zusammenwirken: Maler, Weber, Keramiker, Grafiker, Möbeldesigner, Typografen, Tapetengestalter u.ä… Eigens eingerichtete Bauhauswerkstätten statteten dort ein Musterhaus komplett aus. Denn die neue urbane Lebenskultur umfasste sämtliche Lebensbereiche: Mode, Interieur und den Alltag, der mit seinen, von einer neuen Sachlichkeit geprägten Gegenständen, erleichtert werden sollte.

Das war vor 100 Jahren auch für Frankfurt die Maxime. Schließlich war das Kaiserreich zusammengebrochen und der Erste Weltkrieg verloren. Verbunden mit der Gründung der Weimarer Republik konnte hier denn auch ein frischer Geist einziehen. In der neu gesetzten Demokratie war nämlich Platz für neue Denkmodelle und Utopien, die mit einer Vorstellung von der „Moderne“ einhergingen, die man werde bauen müssen. Und das mit allen Mitteln: städtebaulich, architektonisch, künstlerisch, darstellerisch und musikalisch, wobei etwa das neue Medium Radio dabei keine unwesentliche Rolle spielte.

Denken wir an die Architektur des Bauhauses, so handelt es sich um die vorzugsweise schnörkellosen weißen kubischen Gebäude mit Flachdächern und schmalen um die Ecke laufenden Fensterbändern. Das wiederum hat sich das im Siedlungsbau, der für große neue Bevölkerungsschichten hätte geschaffen werden müssen, nicht niedergeschlagen. Zwar waren ästhetisch und sozial die Ansätze des „Neuen Frankfurt“ denen des Bauhauses eng verwandt, wenn auch beispielsweise die Farbkonzepte ein wenig anders aussahen. Doch war es in Weimar und Dessau im Bauhaus – anders als in Frankfurt – zwar zu einer Realisierung von Musterhäusern, nicht aber zum Bau einer Wohnungssiedlung gekommen. Was war also in dieser Zeit in Frankfurt, einem wichtigen Zentrum des Bauens, eigentlich los, dass es da klappte?

Bruchfeldsiedlung, Donnersberger Straße, 1926/27,Copyright: Ernst-May-Gesellschaft, Inv. 06.06.02

In Frankfurt hatten Anfang der 20er Jahre Oberbürgermeister Ludwig Landmann und Stadtbaurat Ernst May nämlich ein Bau- und Reformgramm mit internationaler Ausstrahlung aufgelegt, so dass hier zwischen 1926 bis 1933 immerhin 12 000 neue Wohnungen entstehen konnten und damit auch einheitlich gestaltete, intelligent konzipierte Siedlungen wie die Bruchfeldstraße („Zickzackhausen“), Praunheim, die Römerstadt, Westhausen, der Bornheimer Hang, die Heimatsiedlung und schließlich die Hellerhofsiedlung. So etwas in der Kürze der Zeit auf die Beine zu stellen, ist heute überhaupt nicht mehr vorstellbar.

Damals wurden in Frankfurt Typisierungen familiengerechter Wohnungen vorgeplant, Module wie Fenster, Türklinken, standardisierte Küchenelemente, die zur Rationalisierung beitrugen, vorgefertigt, und es wurden Grundrisse für Kleinstwohnungen für Einkommensschwache entwickelt. Sogar ein Junggesellenwohnheim, das heute noch in der Mithrasstraße zu sehen ist, wurde nicht nur geplant, sondern auch gebaut.Schließlich konnte man von den schon vorhandenen Werkstätten an der Kunstschule oder der Kunstgewerbeschule ebenso profitieren wie von der gerade wieder aufgebauten Frankfurter Messe.

Nicht ausschließlich beschäftigt sich ab dem 23. März 2019 das Deutsche Architekturmuseum (DAM) in der Ausstellung  „Neuer Mensch. Neue Wohnung. Die neue Architektur des Neuen Frankfurt 1925 – 1933“ mit dieser architektonischen Pionierarbeit des „Neuen Frankfurt“. Gemeinsam mit dem Planungsdezernat und der AGB Frankfurt Holding sowie mit privaten Unternehmern war bereits unter dem Motto „Wohnen für alle – Das neue Frankfurt 2018“ schon vorausschauend ein Architekturpreis für Vorschläge aus internationalen Architekturbüros ausgelobt worden. Bebaut werden soll nämlich das Hilgenfeld im Frankfurter Nordwesten. Bis zu drei Arbeiten wählt die Jury davon nun zur Realisierung aus. Ein Katalog mit den eingereichten Projekten des „Call for Projects“ und den Entwürfen für das Frankfurter Hilgenfeld wird in Verbindung mit einer weiteren Ausstellung im DAM im März 2019 erscheinen. Der Baubeginn soll dann Ende 2019, spätestens aber Anfang 2020 erfolgen. Darüber hinaus ist dort noch im November ein internationales Symposium für das Bauhausjahr in Planung (s. Info „Aktuelles“). 

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Die Frankfurter Küche im ernst-may-musterhaus im Burgfeld 136

Die erste Einbauküch,e entworfen von Margarete Schütte-Lihotzky, war eine Küche der kurzen Wege, durchdacht und praktisch für die „neue Frau“, die nun anders zuvor im Berufsleben stand. Auch Hygiene war hier wichtig, weshalb die Einbauten blaugrün gestrichen wurden. Die Farbe wurde gewählt, um die Insekten zu vertreiben; der Herd wurde halb elektrisch 7 halb mit Holz betrieben. Ein albklappbares Bügelbrett war an der Wand schon eingebaut. Es wäre auch heute praktisch, wenn man in den Wohnungen schon ähnlich hochkarätige Küchen vorfinden würde.  Foto: Petra Kammann

Angewandte Kunst und Moderne

Die Zeitschrift „Das neue Frankfurt“ mit der neuen Typografie kommunizierte die Projekte 

Noch vorher und gleich zu Beginn des Jahres, nämlich am 19. Januar 2019, startet das Museum Angewandte Kunst mit der ersten thematischen Ausstellung „Moderne am Main 1919–1933″. Da wird sich zeigen, dass sich das „Neue Frankfurt“ nicht etwa allein im Wohnungsbauprogramm erschöpft, sondern dass die angewandten und freien Künste mit neuen sachlichen Formen sämtliche Bereiche des menschlichen Lebens durchdrungen haben. Daher präsentiert es die verschiedensten Entwürfe für Mode, Möbel und Produkt- und Kommunikationsdesign. So trug zum Beispiel die Zeitschrift „Das Neue Frankfurt“, welche die Geschwister Hans und Grete Leistikow zwischen 1926 und 1930 gestalteten, wesentlich dazu bei, die neuen Ideen und optischen Visionen zu verbreiten.

Die damals fortschrittliche Heizungsanlage im ernst-may-musterhaus, Foto: Petra Kammann

Da im Verbund mit der starken Industrialisierung und dem Ausbau kommunaler Bereiche das „Neue Frankfurt“ eben eine moderne urbane Gesellschaft entstehen sollte, wurden eine Menge neu gestalteter Gegenstände wie Geschirr, Porzellane und Möbel, Öfen, wie der berühmte „Kramer-Ofen“, aber eben auch moderne Heizungsanlagen geschaffen. Und etliche Unternehmen nahmen ebenfalls an der modernen Gestaltung Anteil wie zum Beispiel die Fa. Fuld mit ihren neuen Telefonapparaten.

Auch die Kunstschule Frankfurt etwa erfuhr damals unter Fritz Wichert eine bedeutende Neuausrichtung. Und der Grafiker Hans Leistikow ersetzte den traditionellen Adler durch einen stilisierten, aus geometrischen Figuren zusammensetzten Adler, der von Mitte der 1920er Jahre an bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten auf allen amtlichen Unterlagen der Stadt zu sehen war. Somit stand er stellvertretend für den tiefgreifenden  Erneuerungsprozess des „Neuen Frankfurt“.  Ab dem nächsten Jahr wird übrigens der neue Leistikow-Adler 2.0  dann für die Jubiläumsaktivitäten Frankfurts 2019 stehen und daher als Emblem in der ganzen Stadt immer wieder auftauchen.

Insgesamt konnte sich die Stadt am Main in der Zeit des „Neuen Frankfurt“auch  künstlerisch zur neuen Avantgarde zählen. Hier lehrten so renommierte Künstler wie der Bildhauer Richard Scheibe, der Künstler Willi Baumeister, Gestalter wie die Architekten Ernst May, Martin Elsaesser, Ferdinand Kramer und Margarete Schütte-Lihotzky, der Maler Max Beckmann und der Musiker Paul Hindemith, der hier seine neuen Kompositionen schrieb. Freilich konnte sich die kulturelle „Hochburg der Weimarer Republik“ nur so lange entwickeln, bis ihr die Nazis den Garaus machten…

 

Zukunftslabor: Was wird nun aus dem Neuen Frankfurt?

Stadtlabor-Workshop bei den sommerlichen Streifzügen durch Frankfurts „Ernst-May-Siedlungen“ im Unterrichtspavillion in Rödelheim, 2018, Foto: Jens Gerber, Historisches Museum Frankfurt

Über das „Neue Frankfurt“, seine Werke, seine Lehren und seine Wirkung wurde allerdings schon Einiges publiziert. Doch wer sind die Menschen hinter den Legenden sind, ist noch relativ unbekannt. Was trieb sie an, und wofür standen sie? Wofür kämpften sie und woraus speiste sich die enorme Schaffenskraft, der Geist des „Neuen Frankfurt“, den wir noch heute spüren?

Interessant, weil so praxisorientiert wie nachhaltig, verspricht daher der Beitrag des Historischen Museums zum Bauhausjahr 2019 zu werden. Die Sonderausstellung dort ab dem 16. Mai 2019 wird nämlich der Frage aus aktueller Perspektive nachgehen: „Wie wohnen die Leute? Mit dem Stadtlabor unterwegs in den Ernst-May-Siedlungen“.

Schließlich kann die Stadt der Gegenwart nur gemeinsam mit den Bewohnern, die ihre Erfahrungen im Alltag machen, erfasst und beschrieben werden. Als „Experten des Alltags“ sollen sie gewissermaßen die Grundlage für den Blick der Wissenschaftler, Planer und Künstler auf die Auswirkungen des „Neuen Frankfurt“ auf Gegenwart und vor allem auch auf die Zukunft der Stadt bilden, die so schnell nicht wieder rückzubauen sein wird, wenn die Fehlentscheidungen erst einmal Wurzeln geschlagen haben. Das Team vom Stadtlabor hat daher gezielt nach dem Nutzen für die heutige Zeit gefragt und danach, was von der damaligen Reformbewegung bis zu diesem Tag geblieben und brauchbar ist. Neben Workshops am Museum wird es daher Aktionen in den Siedlungen vor Ort geben, in denen auch die Nachbarschaften eine Rolle spielen werden. 

Die Bündelung der einzelnen Ausstellungen und Veranstaltungen sowie der Versuch, das „Neue Frankfurt“ wieder ins Gespräch zu bringen, ist zweifellos eine lobenswerte Idee, die nicht zerredet werden sollte, zumal heute in der Mainmetropole der Wohnraum so knapp wie teuer ist und dringend weitere Wohnquartiere in Angriff genommen werden müssen. Vielleicht lässt sich aus der Geschichte ja doch noch einmal etwas für künftige Generationen lernen… Ein Blick ins das ernst-may-haus in des Im Burgfeld 136 mit dem dazugehörigen Nutz-und Erholungsgarten, in dem auf kleinstem Raum noch vielfältige andere Nutzungen möglich sind, ist nicht nur lehrreich, sondern auch schon vorab allemal  einen Besuch mit anderen Augen wert.

Aktuelle Veranstaltungen:

Donnerstag, 1. Nov 2018, 19 Uhr

‚Bauhaus and Critical Theory: An Uneasy Relationship‘
Vortrag (e): Frederic Schwartz, University College London

Vortragsreihe: Center of Critical Studies in Architecture – CCSA
Ort: Auditorium des Deutschen Architekturmuseums, Frankfurt



Samstag, 3. Nov 2018, 16 Uhr

maygesprächskonzert 4: Das Bauhaus und die Musik — eine Spurensuche

Mit Tobias Rüger und Gerhard Schroth
Moderation: Dr. Klaus Strzyz
Ort:
ernst-may-haus, Im Burgfeld 136, 60439 Frankfurt am Main



Sonntag, 4. Nov 2018

„Die Frankfurter Küche“

wir laden Sie herzlich zu unseren Führungen am kommenden Wochenende ein:



Wochenende, 10. und 11. Nov 2018

„Alltagsleben in den maysiedlungen“
„Die Technik im ernst-may-haus“

wir laden Sie herzlich zu unseren Führungen am kommenden Wochenende ein:



Donnerstag, 15. Nov 2018, 19 Uhr

‚Systemvergleich. Bauhaus-Rezeption in der Bundesrepublik und in der DDR‘
Vortrag (d): Werner Durth, TU Darmstadt; Thomas Flierl, Kulturwissenschaftler, Berlin

Vortragsreihe: Center of Critical Studies in Architecture – CCSA
Ort: Auditorium des Deutschen Architekturmuseums, Frankfurt

 

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