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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Appetitliches zur Frankfurter Buchmesse: Tischsitten und Gebräuche aus aller Welt

Ein kleiner Appetizer

Von Petra Kammann

Bevor die Internationale Frankfurter Buchmesse mit dem Ehrengast Georgien ihre Tore öffnet, wollen wir uns kulinarisch und geistig schon eimal rüsten. Das Land zwischen Kaukasus  und Schwarzem Meer – so werden wir in den kommenden Tagen verstärkt hören, sehen und lesen – hat eine durchaus alte Geschichte. Das etwa zeigt im Rahmen des Ehrengast-Programms das Archäologische Museum in Frankfurt in einer Ausstellung „Gold & Wein – Georgiens älteste Schätze“ und zeichnet ein umfassendes Bild der frühen kulturellen Entwicklungen des Landes vom Beginn der Landwirtschaft im Kaukasus ab 6000 v. Chr. bis hin zur Trialeti-Kultur der Mittelbronzezeit um 2100 – 1700 v. Chr. Da gehen „Gold und Wein“ durchaus Hand in Hand und befruchten einander, und die Menschen lassen sich inspirieren und erfinden schon früh Rad und Wagen…

Blick in die Ausstellung „Gold & Wein – Georgiens älteste Schätze“ im Archäologischen Museum. Eine regelrechte Weinkultur wird hier seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. anhand von in den Boden gestellten Tonamphoren und kunstvollen Trinkgefäßen anschaulich; Foto: Petra Kammann

Die georgische Küche, die als „Haute Cuisine“ der russischen Küche gilt, spielt ähnlich der ,Lebensart-Religion‘ der Franzosen, in der Gesellschaft eine bedeutende Rolle. Dies wird noch heute vor allem bei einem mehrstündigen georgischen Supra deutlich, einer großen Tafel, bei der es einen sogenannten Tischmeister (Tamada) gibt, der das Geschehen am Tisch lenkt und jede Menge Trinksprüche hält, da während des mehrstündigen Tafelns auch traditionelle Getränke, wie georgischer Wein, Sekt, Weinbrand und zu guter Letzt ein Tschatscha, ein Tresterbrand, gereicht werden. Nach jedem Spruch wird dabei das Glas jeweils vollständig geleert. Und es wird nachgeschenkt. Wobei einen geist- und witzlosen Tamada, der nur ans Trinken denkt, den kann und mag man sich gar nicht vorstellen. Es gilt aber auch nicht als unhöflich, wenn einer nicht mehr trinken will. Er zeigt es, indem er das volle Glas einfach stehenlässt.

Dies ist nur ein kleiner Einblick in die Sitten und Gebräuche anderer Länder und Völker, die uns nicht zuletzt dank der stets international ausgerichteten Buchmesse alljährlich durch die Schwerpunktthemen und verschiedenen Gastländer näher gebracht werden. Wer sich also für mehr als nur für die schnell zu verzehrenden knackigen Frankfurter Würstchen interessiert, sondern auch für andere Essgebräuche, dem seien zwei anregende Neuerscheinungen auf dem aktuellen Buchmarkt empfohlen.

Der Speisen Würze„, das Buch des Ethnopädagogen und Biografieforschers Erich Renner, (Edition Zeitblende) handelt von Esskultur und Tischsitten aus der ganzen Welt. So war das Essen am Tisch mit Messer und Gabel lange Zeit in Europa der einzige Maßstab, anhand derer man seine Mahlzeiten bestreiten sollte. Der Autor der unterhaltsam aufbereiteten Geschichten macht uns begreiflich, dass zur Esskultur sehr viel mehr gehört als nur die Speisen selbst, er macht seine ethnologischen Erkenntnisse anhand von zahlreichen Beispielen sinnlich erfahrbar.

Dabei geht es um die Kochkunst und Tafelkultur in Russland zwischen St. Petersburg und Kammatschatka, um Zentralasien, wo Pferde- und Hammelfleisch, Stutenmilch und Tsampa an der Tagesordnung sind. Es handelt von der Kultur des Essens in China, von Indien, wo man im wahrsten Wortsinn „von der Hand in den Mund“ lebt, von der kleinteiligen indonesischen Inselwelt, wo es kleine Leckerbissen rund um die Uhr gibt, von der indigenen Esskultur zwischen Walspeck und Büffelfleisch in Nordamerika, um Cocoyam und Bananen, um Improvisation und Frauenpower aus Afrika undundund…, alles dazu noch grafisch ansprechend und verführerisch aufgemacht. Die Illustrationen von Friederike von Hellermann fügen dem Text eine ganz eigene gelungene ästhetische Komponente hinzu, die das Lesen selbst zum kulinarischen Vergnügen macht.

Ja, das Kulinarische hat seine eigene Logik und nimmt in Zeiten schwindender primär sinnlicher Erfahrung durch die Ubiquität elektronischer Kommunikationsmedien einen hohen Stellenwert im sozialen Austausch ein. In dem Buch „Gastrologik“ von Charles Spence (Verlag C. H. Beck) geht es um die zentrale These, dass unser kulinarisches Vergnügen nicht etwa im Mund, sondern im Kopf entsteht.

Ob wir etwas als süß, bitter, sauer und salzig empfinden und wie wohl wir uns dabei fühlen, wenn wir etwas essen, das hängt von zahlreichen Faktoren ab. Der Autor Charles Spence, Professor für Experimentalpsychologie an der University of Oxford, weist dies an zahlreichen Experimenten und Beispielen nach.

„Das Auge isst mit“, sagt schon der Volksmund. Und da ist auch etwas dran. So schmecke zum Beispiel das Dessert auf weißen Tellern süßer als auf schwarzen. Doch nicht allein die Augen, auch die anderen Sinne sind beteiligt, wenn wir etwas zu uns nehmen. Formen, Gerüche und Klänge spielen dabei ebenso eine große Rolle in unserer Wahrnehmung wie das Gewicht der Dinge. Wie das Besteck in der Hand liegt, warum wir Wein nicht aus blauen Flaschen trinken, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Wenn ein Essen für uns zu einem unvergesslichen Erlebnis wird, essen wir meist mit allen Sinnen. Mittels neurowissenschaftlicher Erkenntnisse veranschaulicht uns der Autor, wie Farben, Formen, Gerüche oder Klänge unser Essverhalten beeinflussen. Dabei verschweigt er aber auch nicht, dass wir uns dabei natürlich auch ganz schön von der Lebensmittelindustrie manipulieren lassen… Eine Untersuchung in einem britischen Supermarkt etwa ergab, dass Blasmusik im Hintergrund Kunden zum Kauf von deutschem Bier, französische Chansons hingegen eher zum Kauf französischer Weine animierten.

Gleichwohl: wie war es noch mit dem Paradies? Ließ Eva sich manipulieren oder ließ sie sich verführen?

 

 

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