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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Hinter dem Pergament: Die Welt. Buchdelikatessen aus dem 15. Jahrhundert im Frankfurter Dom-Museum

Der Frankfurter Kaufmann Peter Ugelheimer und die Kunst der Buchmalerei im Venedig der Renaissance

Nachdem die letzten Bauzäune in der neuen Altstadt gefallen sind, hat sich auch der Blick auf den Kaiserdom und seinen Kreuzgang, in dem das frischrenovierte Dommuseum beheimatet ist, verändert. Hier liegen zur Zeit wahre alte Schätze, die eng mit der Stadt Frankfurt, einer Handelsmetropole und Keimzelle der Buchkunst, verwoben sind.

Von Petra Kammann

Der Eingang links vom Haupteingang zum Kaiserdom, Foto: Petra Kammann

In unmittelbarer Nähe des Doms befand sich im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit die traditionelle Frankfurter Messe. Schon im 14. Jahrhundert war Frankfurt der bedeutendste Messeplatz für das gesamte westliche Europa und galt als Mittelpunkt der damaligen Kulturwelt. Unter allen erdenklichen Gütern der allgemeinen Warenmesse waren hier schon zu dieser Zeit Bücher in Form von Handschriften im Umlauf. Die Nähe zu Mainz, der Stadt Gutenbergs, des ersten Buchdruckers, war damit von umso größerer Bedeutung. Mit Gutenbergs Erfindung des Handgießgeräts um 1452 und der techni­schen Entwicklung des Buchdrucks mittels beweglicher Metalllettern wurden neben dem Handel mit ande­ren Waren nun auch die gedruckten Erzeugnisse für den Handel mit Büchern interessant.

linke Seite: Das Wappen Peter Ugelheimers in Petrus de Abano: Expositio problematum Aristotelis cum textu.Venedig 1482 (Den Haag, Koninklijke Bibliotheek, 169 D 2, Fol. IV). Hier sieht man, wie aufwändig die fabulierte und reale Welt malerisch ins gedruckte Buch hineingeholt wird, Foto: Petra Kammann

Die verlegerische Funktion der Vervielfältigung „auf Vorrat“ fand ihre Entsprechung im Verkauf der Handschriften in Buchhandlungen. Neben dieser Form des stationären Buchhandels entstand aber auch der Fernhandel. Bereits Peter Schöffer, der Gutenbergs Werkstatt weitergeführt hatte, war mit seiner Ware nach Frankfurt gegangen und war damit der wohl erste Druckerverleger, der die Messe besuchte. Andere folgten, wie zum Beispiel Anton Koberger aus Nürnberg, der seine Offizin zu einem Großbetrieb ausgebaut hatte und sich in Frankfurt ein eigenes Gewölbe als Bücherlager bauen ließ. Der Frankfurter Kaufmann Peter Ugelheimer (um 1445 – 1488) war schon vor Ort. Er wohnte damals unweit des St. Bartolomäus-Doms in der Frankfurter Fahrgasse und erkannte sehr schnell die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die mit dem Buchdruck verbunden waren. Außerdem hatte er schon mit dem Handel von Spezereien seine ersten Erfahrungen in der mächtigen Handelsstadt Venedig gemacht.

↑ Wichtige Handelsbeziehungen: Frankfurt Merianstich von 1628

↓ Bei der Ausstellungseröffnung: Kurator und Herausgeber des Katalogs Dr. Christoph Winterer, hier vor der Venedig-Vedute aus dem 15. Jahrhundert, Foto: Petra Kammann

Mit seinen neuartigen gedruckten Produkten wollte er hinaus in die Welt und siedelte um 1476 in das seinerzeit bedeutendste europäische Zentrum des Buchdrucks, nach Venedig, um, wo außerdem damals die besten Buchmaler Oberitaliens arbeiteten, besuchten doch Ende des 15. Jahrhunderts Kaufleute aus dem Norden regelmäßig die italienische Handelsmetropole Venedig. Sie sollten auch für Ugelheimer arbeiten.

Gemeinsam mit dem meisterhaften französischen Drucker und Schriftentwerfer Nicolas Jenson (um 1420–1480) gründete er in der Lagunenstadt eine Druck- und Handelsgesellschaft, deren Bücher in ganz Italien und nördlich der Alpen verlegt und verkauft wurden – eben auch auf der Frankfurter Buchmesse. Jenson selbst gab vor allem kirchliche Rechtsbücher heraus. Ugelheimer ließ die Drucke bis 1484 über eine Handelskette („compagnia“) in hoher Auflagenzahl in anderen italienischen Städten vertreiben – womit er wirtschaftlich äußerst erfolgreich war.

Stundenbuch aus Peter Ugelheimers Besitz (1478) Leihgaben der SLUB Dresden, Foto: Wolfgang  Günzel

So wurde er zu einem der Pioniere des modernen Buchhandels und einer der Schlüsselfiguren der Medienrevolution des 15. Jahrhunderts. Peter Ugelheimer war aber nicht nur Verleger und Händler. Er war vor allem auch ein großer Liebhaber schöner und kostbarer Bücher und Mäzen. Für seine auf Pergament gedruckten Inkunabeln schufen die Buchmaler aus den kostbaren mineralischen Farbpigmenten Hämatit, Lapislazuli und Malachit farbenfrohe, ganzseitige Miniaturen, welche die Basis für die leuchtenden Farben Rot, Blau und Grün waren.

Die aufwändigen Rahmenbordüren und Miniaturen führen uns vor Augen, wie durch die delikaten Malereien – effektvolle Trompe-l’oeils, die bühnenartige Innen- und arkadische Naturräume  vortäuschen – der Blick auf das Thema des jeweiligen Buchs geöffnet wird. Dazu fertigte eine venezianische Werkstatt die prächtigen Ledereinbände nach orientalischem Vorbild an.

  

Die Dekretalen Gregors IX. mit den Deckfarbmalereien und ihrem wirklich spektakulären Ledereinband aus Gotha sind auch in der Schau zu sehen

Einige dieser Kostbarkeiten der venezianischen Renaissance aus bedeutenden Bibliotheken – rund 50 gedruckte und illuminierte Bände, Urkunden und Faksimiles – sind zum ersten Mal in der Frankfurter Ausstellung „Hinter dem Pergament die Welt“ zu sehen. Die Inkunabeln waren ohne Ausnahmen auf Pergament gedruckte Kostbarkeiten, hinter denen sich ein ganzer Kosmos verbirgt. So mag auch der Titel der Ausstellung zustandegekommen sein.

Daneben können die Besucher etwas über die Größe und die Handelsbeziehungen der beiden Städte Frankfurt und Venedig sowie über die Frühzeit des Buchhandels lernen. Ein monumentaler Holzschnitt des Niederländers  Erhard Reuchwichs, die erste gedruckte Stadtansicht aus dem Jahr 1486, vermittelt ein realistisches Bild der damals so mächtigen Stadt mit ihren Handels- und Kriegsschiffen, mit Gondeln und Galeeren, dem Dogenpalast, mit seinen herausragenden Kirchtürmen und den Alpen im Hintergrund, über eine Metropole, die damals schon 150 000 Einwohner zählte.

Und nicht zuletzt erfährt man etwas über die Frankfurter Familie Ugelheimer und die Lebensumstände des Peter Ugelheimer, dessen Frau Margarete nach seinem frühen Tod 1488 die Geschäfte weiterführte, während sein Bruder Johan, der erste nachweisbare Student an der Mainzer Universität, in Frankfurt blieb und als an der bedeutendsten Frankfurter Stiftskirche, St. Bartholomäus eintrat, während zwei andere von Ugelheimers Brüdern in Frankfurt als Händler blieben. Handel und Kultur müssen sich nicht ausschließen. Wo Märkte sind, entsteht eben auch immer Bildung und Kultur.

Samstags  11 – 15 Uhr: Druckvorführungen auf der Gutenbergpresse und Einführung in die Buchmalerei, hier: Karl-Heinz Wahl an der nachgebauten Gutenberg-Druckpresse. Foto: Christoph Boeckheler

Noch bis zum 10. Juni 2018 ist Gelegenheit, diese prachtvoll illuminierten Kostbarkeiten und Leihgaben aus nationalen und internationalen Bibliotheken im Frankfurter Dommuseum aus Ugelheimers Büchersammlung im Dommuseum Frankfurt, Kreuzgang des Kaiserdoms anzuschauen und sich einen Eindruck von der Schriftkunst und dem Farb- und Formenreichtum der Buchmalerei, die im Venedig des 15. Jahrhunderts durch die antiken Ideale geprägt ist, zu verschaffen.

Zusatzinfo:

Öffentliche Führungen:

Mi 18 Uhr / Sa 15 Uhr / So 14 Uhr

Katalog zur Ausstellung:

Hinter dem Pergament die Welt, herausgegeben von Dr. Christoph Winterer, Vorwort Dr. Bettina Schmitt, Dommuseum

Hirmer Verlag, 35 € im Museum / 45 € im Buchhandel

 

 

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