home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Gelebte Bilderleidenschaft – Frank Brabant: Geld schwindet, Kunst bleibt

Hauptwerke der Sammlung Brabant im Museum Wiesbaden

Von Hans-Bernd Heier

Alexej von Jawlensky  „Helene im spanischen Kostüm“, um 1901, Öl auf Leinwand, 190,5 x 96,5 cm; Museum Wiesbaden, Schenkung Frank Brabant 2014

Mit über 600 Werken zählt die Sammlung Brabant zu den großen privaten Kunstsammlungen der Klassischen Moderne in Deutschland. Im letzten Jahr verfügte der leidenschaftliche Sammler, dass seine hochkarätige Kollektion nach seinem Tod der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll. Dazu überlässt er jeweils die Hälfte des Konvoluts dem Museum Wiesbaden und dem Staatlichen Museum Schwerin in einer Stiftung.

Bereits 2014 schenkte der großzügige Mäzen dem Museum Wiesbaden das Gemälde „Helene im spanischen Kostüm“, das größte Gemälde, das Alexej von Jawlensky je gemalt hat.

Zu seinem 80. Geburtstag würdigt das Wiesbadener Landesmuseum den Sammler jetzt mit einer  bemerkenswerten Schau.In der Ausstellung „Von Beckmann bis Jawlensky –  Die Sammlung Frank Brabant“ präsentiert das Museum eine Auswahl von 130 hochwertigen Werken, um einen Einblick in die rege Sammeltätigkeit des passionierten und kenntnisreichen autodidaktischen Kunstbegeisterten zu geben, der seine Bilder nie als „Wandaktien“ betrachtet hat. Von deren Qualität können sich Besucherinnen und Besucher nun  überzeugen und staunen, welche Schätze künftig den Museumsbestand bereichern. Um zu zeigen, wie gut sich Brabants Werke in die bestehende Sammlung fügen, werden ergänzend zehn Werke des Landesmuseums gezeigt und laden zum Qualitätsvergleich ein.

Minister Boris Rhein zeichnet den hocherfreuten Sammler Frank Brabant mit der Goethe-Plakette aus

Zur Eröffnung der Sonderausstellung hat Kunst- und Kulturminister Boris Rhein dem Wahl-Wiesbadener Frank Brabant, der seit rund 60 Jahren in der Landeshauptstadt lebt, die Goethe-Plakette des Landes Hessen „für seine außerordentlichen Verdienste um die Kunst und Kultur“ überreicht. „Für Frank Brabant sind seine gesammelten Werke nicht nur Bilder, sie sind Teil seines Lebens, seiner Biographie – und seines persönlichen Umfeldes: Immer, wenn er die Gemälde ausstellte, waren seine Wände zu Hause leer. So viel Leidenschaft für die Kunst berührt. Deswegen ist es für mich eine umso größere Ehre, Herrn Brabant die Goethe-Plakette des Landes Hessen, die höchste Auszeichnung des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst, zu verleihen“, sagte der Kulturminister in seiner Laudatio. Zuletzt wurde der ehemalige Städel-Direktor Max Hollein damit ausgezeichnet.

Max Pechstein „Der Redner“, 1918 Holzschnitt, 36 x 24 cm; Sammlung Frank Brabant, Wiesbaden; © Pechstein – Hamburg/Tökendorf, Sammlung Frank Brabant
2017 Museum Wiesbaden/Bernd Fickert

Der 1938 in Schwerin geborene Frank Brabant übersiedelte als Zwanzigjähriger nach Wiesbaden. Seine Sammlertätigkeit begann 1964 – eher zufällig, als er an der Galerie „Frankfurter Kunstkabinett“ der Malerin und Kunstmäzenin Hanna Bekker vom Rath vorbei kam und kurz entschlossen Max Pechsteins Holzschnitt „Der Redner“ für 350 D-Mark kaufte und in Ratenzahlungen über ein Jahr abstotterte – für ihn damals ein erklecklicher Betrag, entsprach der Kaufpreis doch exakt seinem Monatsgehalt als Versicherungsmitarbeiter. Auch später sah er sich, wie der Kunstfreund heute schmunzelnd erzählt, vor die Entscheidung gestellt: Kunst oder nicht notwendige Güter für ein angenehmeres Alltagsleben. So entschied er sich beispielsweise, das für den Kauf eines Volkswagens angesparte Geld für einen Kirchner zu verwenden.

Max Pechstein „Rote Häuser mit Windmühle“, um 1922 Öl auf Leinwand, 70,5 x 80,5 cm; Sammlung Frank Brabant, Wiesbaden; © Pechstein – Hamburg/Tökendorf

Mit Pechsteins „Redner“ war seine Sammelleidenschaft geweckt und es folgte eine Neuerwerbung nach der nächsten, wenn er es sich das finanziell leisten konnte. Dennoch waren seine Konten, wie Brabant rückblickend feststellte „stets und ständig überzogen, aber darin lag fast ein gewisser Reiz für mich: Schließlich hatte ich erkannt, dass Geld schwindet – aber Kunst bleibt“.

Beim Kauf der Kunstwerke ließ er sich durchaus von dem Galerieprogramm der Sammlerin, Mäzenin und Kunsthändlerin Hanna Bekker beeinflussen. Er besuchte sie mehrfach in ihrem „Blauen Haus“ in Hofheim, wo er unter anderen Karl Schmitt-Rottluff, Erich Heckel, Ida Kerkovius, Emy Roeder und Ludwig Meidner begegnete. Geprägt durch diese Kontakte setzte es sich intensiv mit den Künstlervereinigungen „Brücke“ und „Der Blaue Reiter“, „Junges Rheinland“ sowie der Berliner Gruppen „Neue Sezession und  „Freie Sezession“, „November-Gruppe“ oder „Sturm“ auseinander. Bis etwa 1990 baute er nach und nach eine hochkarätige Kunstsammlung mit den klangvollsten Namen auf, darunter Franz Marc, August Macke, Alexej von Jawlensky, Wassily Kandinsky, Emil Nolde und Max Beckmann auf.

Brabant, der auch Betreiber der legendären Disko „Pussycat“ war, sammelte zielgerichtet nicht nur Arbeiten expressionistischer Maler, sondern auch neusachliche Kunst der Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts und der Weimarer Zeit der Zwischenkriegsjahre. Ihre Werke waren auf dem Kunstmarkt damals noch nicht sehr gefragt. „Niemand interessierte sich in den sechziger und siebziger Jahren für die Neue Sachlichkeit“, so Brabant. Deshalb gelang es ihm – trotz bescheidener Mittel -, Meisterwerke aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, mit Schwerpunkt auf der Kunst der 1920er und 1930er Jahre, zusammenzutragen. Darüber freut sich Dr. Roman Zieglgänsberger, Kustos für Klassische Moderne am Landesmuseum, besonders. Denn Arbeiten der Kunstrichtung „Neue Sachlichkeit“ sind in der Wiesbadener Sammlung kaum vertreten und bedeuten für das Haus „einen richtigen Schub nach vorne“.

Alexej von Jawlensky „Madame Curie“, um 1905 ⁄ 06, Öl auf Karton, 50 x 38 cm; Sammlung Frank Brabant

Auch für Maler der sogenannten „Verschollenen Generation“, also Künstler, deren Werk in Vergessenheit geraten war oder nie bekannt geworden ist, interessierte sich der passionierte Sammler, weil er der Meinung war, dass deren  Kompositionen aufgrund ihrer künstlerischen Qualität nicht dem Vergessen anheimfallen sollten. Diese Arbeiten sind laut Zieglgänsberger „das Salz in der Suppe“. Auch Arbeiten von Künstlerinnen, darunter Elfriede Lohse-Wächter, Jeanne Mammen oder Hanna Höch, deren ausdrucksstarken Werke erst vor kurzem im kunstgeschichtlichen Diskurs wiederentdeckt wurden, werden die Sammlung des Landesmuseums bereichern.

Brabants Sammlung, deren Wert er selbst zurückhaltend mit 20 bis 40 Millionen Euro beziffert, zeichnet sich nicht nur durch ihre hohe Qualität aus: „Ihre besondere Bedeutung liegt in der Vielfalt, die das Kunst- und Kulturgeschehen sowie die politischen und sozialen Verwerfungen, Ängste, Hoffnungen und Utopien der Menschen zwischen den beiden großen Weltkriegen des 20. Jahrhunderts widerspiegelt“, schreibt Dr. Gerhard Graulich, Kurator des Staatlichen Museums Schwerin, in dem opulenten gemeinsamen Katalog der Museen Schwerin und Wiesbaden. Dieser ist das erste Ergebnis der vom Sammler gewünschten engeren Zusammenarbeit der beiden Häuser, nachdem sich die beiden Kuratoren zuvor einvernehmlich über die Aufteilung der außergewöhnlichen Kollektion geeinigt hatten. Maßgebliches Kriterium dabei war für sie, Sammlungslücken zu schließen und Schwerpunkte zu ergänzen.

Blick in Brabants Sammlung 2017 Museum Wiesbaden/Bernd Fickert

In Brabants Wohnung, der nicht nur für die Kunst, sondern auch mit der Kunst lebt, reiht sich Bild an Bild in „Petersburger Hängung“ und das nicht nur im Wohnzimmer, sondern auch in Küche und Bad; selbst die Türen und die Wandschrägen seiner Dachgeschosswohnung sind mit in das „Gesamtkunstwerk“ einbezogen. Gleich zu Ausstellungsbeginn werden Besucher im Oktogon des Wiesbadener Museums mittels einer großen Foto-Tapete auf die überwältigende Bilderfülle eingestimmt. Eigens für die Ausstellung hat der Sammler auch Mobiliar aus seiner Wohnung zur Verfügung gestellt. In einem Filmraum können die Gäste von seinem Sofa ein ausführliches Interview mit dem Kunstmäzen hören und weitere spannende Einblicke in dessen Wohnung genießen, in der nur die Decken „kunstfrei“ sind. Der leidenschaftliche Kunstmäzen wird auch nach der Stiftung weiter sammeln – auf der Jagd nach dem Lieblingsbild – das, Brabant zufolge, immer „das jüngst Erworbene“ ist.

Der zufriedene Sammler-Mäzen im Museum vor der Fototapete mit seinen Kunst-Schätzen

Die gut gehängte Schau ist thematisch klar strukturiert und bietet in neun Räumen einen Überblick über eine ganz außergewöhnliche Privatsammlung figurativer Malerei. Die hervorragende Präsentation, die von der Naspa und den Freunden des Museums Wiesbaden unterstützt wird, ist bis zum 30. September 2018 zu sehen.

„Von Beckmann bis Jawlensky –  Die Sammlung Frank Brabant“ im Landesmuseum Wiesbaden; weitere Informationen unter: www.museum-wiesbaden.de

Abbildungsnachweis: sofern nicht anders bezeichnet © Museum Wiesbaden / Bernd Fickert

Comments are closed.