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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Così fan tutte an der Met und eine weltweite Live-Premiere

Von Simone Hamm, New York

Als Così fan tutte in der Spielzeit 2013/4 wieder an der Metropolitan Opera aufgeführt wurde, war das auch die triumphale Rückkehr des Dirigenten James Levine. Er hatte wegen gesundheitlicher Probleme zwei Spielzeiten ausgesetzt. Inzwischen hat sich die MET von Levine getrennt, im Zuge der #metoo-Debatte waren Vorwürfe gegen ihn laut geworden. Er soll jugendliche Musiker missbraucht haben.

Levine setzt sich zur Wehr und verklagt seinerseits die MET wegen Vertragsbruchs und übler Nachrede. Der Zeitpunkt, zu dem diese Gegenklage bekannt wurde, könnte nicht perfekter gesetzt sein. Es war der Abend der Premiere von Così fan tutte…

Premiere in der Met: Szene aus dem 1. Akt der Oper „Così fan tutte“ von Mozart, Photo: Marty Sohl/Metropolitan Opera

Mozart und sein Librettist Lorenzo Da Ponte schildern in „Così fan tutte“ nicht die Momente zarter Romanzen, sondern die dunklen Abgründe der Leidenschaft: die Gier, die Lust, den Sex.

Don Alfonso, bekennender Junggeselle, will seine Freunde Fernando und Guglielmo davon überzeugen, dass, sobald sie außer Sichtweise seien, ihre Verlobten, zwei Schwestern, ihnen keinen Tag länger treu sein würden. Die Freunde widersprechen, tun so, als seien sie zum Militär eingezogen worden, kommen verkleidet und mit dicken angeklebten Schnauzbärten als schmierige Latin Lover zurück und versuchen, jeweils die Verlobte des anderen zu verführen. Und natürlich gelingt ihnen das.

Kelli O’Hara als Despina, Amanda Majeski als Fiordiligi, und Serena Malfi als Dorabella in Mozart’s „Così fan tutte. “ Photo: Marty Sohl/Metropolitan Opera

Klug läßt Mc Dermott offen, ob die beiden jungen Frauen sich wirklich von diesen traurigen Gestalten haben hinters Licht führen oder ob sie glauben, sei’s drum, der eine Mann ist ebenso gut wie der andere.

Regisseur Phelim McDermott hat alles auf eine Karte gesetzt und zeigt eine bunte, wilde, bisweilen rauschhafte Così. Sie spielt nicht im Neapel des 18. Jahrhunderts, sondern im Brooklyn der fünfziger Jahre – im weltberühmten Vergnügungspark Coney Island.

Zwischen Riesenrädern und Gondeln am Meer. Hier ist die Stimmung ohnehin ausgelassen. Phelim McDermott hat zwölf Artisten aus Coney Island engagiert: darunter den stärksten Mann der Welt, dessen Köper von Kopf bis Fuß mit Tätowierungen bedeckt ist, die bärtige Frau, zwei Schwertschlucker, eine Feuerspeierin, eine Schlangenbeschwörern mit einer – zumindest im ersten Akt – lebendigen Boa Constrictor, einem Liliputaner und und einer Liliputanerin.

Die Oper beginnt mit einer schreiend komischen Pantomimennummer während der Ouvertüre. Aus einer großen Kiste klettern ein Akrobat nach dem anderen heraus und halten Schilder: Lust, Liebe, große Arien, Intrigen – also alles, was die Besucher erwarten.

Mozart’s „Così fan tutte“ im Umfeld der amerikanischen Motelräume  Photo: Marty Sohl/Metropolitan Opera

Bühnenbildner Tom Pye hat drei typisch amerikanische Motelräume geschaffen, deren Wände rotieren. So kann man sehen, was im, was vorm Motel geschieht. Und stets sind im Hintergrund das Riesenrad und die Gondeln zu sehen. Und viele, viele Lichter. Beleuchter Paul Constable taucht die Szenerie gekonnt ins Licht der Vergnügungswelt.

Die Assistentin des kleveren Alfredo, der die Liebesschwüre der Frauen ad absurdum führen möchte, ist mit Kelli O’Hara besetzt worden, einem Broadwaystar. Und diese Broadwaypersönlichkeit bringt sie mit viel Energie und Charme auf die Bühne der altehrwürdigen MET.

Serena Malfi als Dorabella in Mozart’s „Così fan tutte. “ Photo: Marty Sohl/Metropolitan Opera

Sie verkleidet sich ununterbrochen, ist Mann und Frau zugleich – mit einem glockenreinen Sopran. Tenor Ben Bliss gibt einen jungenhaften Fernando, Bass- Bariton Adam Plachetka mit dynamischer, starker Stimme den stürmischen Guglielmo. Christopher Maltman gibt den raunenden Philosophen.

David Robertson dirigierte schnörkellos und klar und sehr einfühlsam.

Die Schwestern in ihren fünfziger Jahre Kleidern, den Söckchen in den flachen Schuhen werden gesungen von Mezzosopranistin Serena Malfi, in der Rolle der Dorabella. Sie moduliert zart und weich.

Die Sopranistin Amanda Majeski in der Rolle der Fiordiligi bezaubert mit einem herzzerreißenden „Per pietà“, wenn sie ihren Verlobten beschwört, ihr zu verzeihen, wenn sie ihn betrügen sollte. Sie steht dabei in einer Gondel, die einer riesigen Teetasse gleicht.

Die Gondel wird langsam hochgezogen wird, eine Schiffschaukel in der Unendlichkeit der riesigen MET Bühne. Ja, zauberhafte Momente von tiefster Innigkeit kann McDermott auch schaffen bei all dem Kuddelmuddel. Obwohl einem das Herz manchmal stehen bleibt bei dieser artistischen Nummer.

Dann führt McDermott die Zuschauer aber schnell zurück in die Wirklichkeit eines Vergnügungsparks. Paare flanieren auf Coney Island, kaufen Zuckerwatte und Hot Dogs.

Es ist eine atemberaubende Così fan tutte. Ganz große Unterhaltung. Und doch ist Coney Island viel mehr als Kulisse. Es ist die Welt der Verstellung, der Andersartigkeit, des flirrendes Eros, der Ausgelassenheit. Eine Welt, in die auch die deutschen Opern- und Mozartliebhaber eintauchen können, denn am 31. März um 19.00 Uhr wird „Così fan tutte“ in vielen Kinos in Deutschland, Österreich und der Schweiz live, in 73 Ländern insgesamt und in HD gezeigt.

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