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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Luminale 3 – Spaziergang durch Frankfurt

IMPRESSIONEN

von Petra Kammann

Zur Luminale beeindrucken neue Orte und Lichtprojekte, die in dieser Woche auf abendlichen Spaziergängen durch Frankfurt entdeckt werden wollen.

Erstmalig dabei die ansonsten unbeleuchtete Fassade der zwischen 1908 und 1910 von Franz Roeckle erbauten Westend-Synagoge mit einer derzeit fulminanten Lichtprojektion. Ein Kleinod, das sich auf einem abendlichen Luminale-Spaziergang durch das Westend zu entdecken lohnt.

Überraschend die mit einem dekonstruierten Lichtmuster überzogene Westend-Synagoge;  alle Fotos: Petra Kammann

„Die Synagoge war und ist das religiöse Zentrum unserer Gemeinde und gleichzeitig ein historisch bedeutender sowie architektonisch interessanter Ort. Mit unserer Teilnahme unterstreichen wir, dass die Jüdische Gemeinde ein Bestandteil der Stadtgesellschaft und unserer Stadt ist“, so der Kulturdezernent der Jüdischen Gemeinde Frankfurt Marc Grünbaum.

Zu Recht weist die Jüdische Gemeinde daraufhin, überstand doch das jüdisch-liberale Bethaus als einzige von ehemals vier großen Frankfurter Synagogen 1938 die Novemberpogrome wie auch die Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs, obwohl das Dach und der Innenraum durch das Feuer schwer beschädigt wurden und die Synagoge unbenutzbar geworden war. 1950 wurde sie nach provisorischer Renovierung wieder eingeweiht und von 1989 bis 1994 originalgetreu restauriert.

Gleich einem lichtgestrickten Tarnmuster überzieht die Projektion die gesamte Architektur der Synagoge. Dadurch wird einerseits das Erkennen der Umrisse des Gebäudes erschwert und andererseits zieht es die Blicke der Besucher schon aus der Ferne magisch an und animiert sie, sich dem „versteckten“ Gebäude zu nähern. Sie werden an das Tor zum Innenhof geleitet, wo Säulen und Brunnen erleuchtet sind und ein Klangteppich aus dem Inneren der Synagoge die Installation begleitet.

Die beiden Schöpfer dieser Installationen, die Designer und Künstler Florian Schunck und Felix Dölker, arbeiten bereits seit 2009 in ihrem interdisziplinären Designstudio gemeinsam an den Schnittstellen von Design, Kunst und Technik und haben sich auch früher schon mit dem Judentum in Hessen beschäftigt. Zusammen mit KATZKAISER konzipierten und realisierten sie 2016 für die Dauerausstellung der Hessenpark GmbH interaktive und statische digitale Medien. Die Medien sind dort Teil einer Ausstellung zu jüdischem Landleben in Hessen.

↑↓ KATHARINEN+PASSION von Victoria Coeln in der Katharinenkirche

„Die Verschmelzung von Schmerz und Schönheit birgt eine Kraft, die Menschen aller Zeit- und Lebensräume verbindet. Aus ihr schöpfen wir in unserer Verletzlichkeit neuen Mut und Hoffnung“ lautet das Credo der Wiener Lichtkünstlerin Victoria Coeln. Nachdenklich geht es daher auch in der Frankfurter Innenstadt in der von ihr gestalteten Katharinenkirche beim Lichtprojekt KATHARINEN+PASSION  zu. Coole, scharfe und pfeilartige Projektionen in den Innenraum von Goethes Taufkirche laden den Betrachter nicht nur zum Verweilen ein, während sich die Innenarchitektur der Kirche für ihn neu erschließt, die Musik fügt eine weitere Dimension hinzu. Die Organisten Prof. Martin Lücker und Jorin Sandau lassen einen bei Musik (C. Tournemire, Sept Chorals-Poèmes d’Orgue pour les Sept Paroles du Christ) innerlich zur Ruhe kommen. An diesem Ort verbindet sich das Alte mit dem Neuen, das Visuelle mit Akustischem, Leid und Schmerz mit Schönheit. Victoria Coeln transformiert den sakralen öffentlichen Raum in ein Laboratorium der Wahrnehmung und Stille, der Transzendenz für ein neues Sehen und Denken.

NO FUTURE WITHOUT HISTORY. Ein Projekt von Simone Jüschke, Alexa Schraverus, Monika Slomski, Jana Vonofakos (Idee, Umsetzung und Koordination/ bdia-Hessen), Jutta Zwilling (Bild- und Zitatrecherche/Institut für Stadtgeschichte) und Marvin Dewald (Animation)

Eine Performance des bdia Hessen wirft nicht nur einen Blick auf die Fassaden bekannter und unbekannterer Frankfurter Bauwerke, sondern macht auch die Entwicklung der Innenraumgestaltung bewusst. Das seit der Römerzeit bewohnte Gebiet des heutigen Frankfurt hat eine lange bauliche Tradition. Neben historischen Bildern aus den Beständen des Instituts für Stadtgeschichte setzen Wortspiele und Zitate die Gebäude auf der Fassade des Karmeliterklosters in Szene.

KREUZGANG NORD

Im Nordflügel des Kreuzganges lässt sich das Wachstum Frankfurts vom Mittelalter bis in die Gegenwart in einer effektvollen Inszenierung erleben. Hinterleuchtete Pläne mit der Stadtsilhouette und den wichtigsten Verkehrswegen werfen ihre Schatten auf den Boden des Raumes, sodass die Entwicklung der Stadtgestalt in der historischen Reihung auf einen Blick nachvollziehbar wird. Zauberhaft unterstreicht die Installation die kontemplative Atmosphäre des Kreuzganges.

Der Klostergarten – Hortus conclusus illuminatus. Auf dem Schnee wirkt die künstliche Beleuchtung geheimnisvoll – die stadtbekannte Magnolie sowie der liebevoll bepflanzte Garten im Kreuzgang bilden den Rahmen für eine bewegte, das Florale thematisch aufnehmende Lichtinstallation, die den Garten mit artifiziellem Kick zum Leben erweckt…

KREUZGANG SÜD/WEST

Während sich die sparsame Inszenierung des Ostflügels auf den Kontrast zwischen historischem Kreuzgang und den Skyscrapers konzentriert, die sich hinter dem Kloster erheben, rhythmisieren transparente Gazevorhänge leicht und poetisch den Raum im Südflügel und machen auf die Exponate der Etrusker aufmerksam.

Mit bogenförmigen Ausschnitten zum Durchschreiten greifen sie die mittelalterliche Fensterform auf. Von oben beleuchtet und zudem die Lichtatmosphäre der Installation im Garten auffangend, richten sie die Aufmerksamkeit der Besucher auf die charakteristischen Architekturformen des Klosters.

Studierende der Hochschule Darmstadt schufen unter Anleitung von Prof. Matthias Friedrich sowie mit inhaltlicher und kuratorischer Unterstützung des Instituts für Stadtgeschichte und des bdia Hessen diese ausdrucksstarken Lichtbilder. Ihre Lichtinstallationen setzen das mittelalterliche Karmeliterkloster und die Stadtentwicklung Frankfurts auf völlig überraschende Weise in ein neues Licht.

Sehr viel weltlicher geht es an anderen Orten zu wie gegenüber vom Frankfurter Hof am Juniorhaus, dem einstigen Mercedes-Domizil am Kaiserplatz. Das imposant geschwungene Treppenhaus der Fuffziger Jahre entfaltet in dem nüchternen Gebäude und der kühlen Beleuchtung seine volle Schönheit.

Das beleuchtete Treppenhaus im Juniorhaus mit der Licht-Installation von Gunther Hecker 

Mit seinem aktuellen Luminale-Projekt setzt Hecker ein weiteres kreatives Ausrufezeichen, denn das 1951 in Frankfurt am Main errichtete Juniorhaus gilt als eines der wichtigsten Kulturdenkmäler der Nachkriegsmoderne in Frankfurt. Einer Spirale gleich strebte das Haus nach der Fertigstellung aus der noch kriegszerstörten Altstadt nach oben. Der Blickfang ist sein spiralförmiges, verglastes Treppenhaus, das zu einem belebten Fußgänger- und Verkehrsknotenpunkt der Stadt ausgerichtet ist. Abends wirkt es um das Haus herum jedoch eher verlassen… Lichtbringer in den dunklen Ecken haben damit mehrere Funktionen zu erfüllen.

Geht man weiter runter zum Main, so kann man schon vom Eisernen Steg aus, einem der Frankfurter Wahrzeichen, auch zwischen „hibdebach und dribbdebach“ die beleuchtete Frankfurter Hochhausszene wahrnehmen und schon einen ersten Blick auf die im Osten liegende, gleichfalls illuminierte EZB erhaschen.

Spektakulär die Streetart Gallery an der EZB: Cross-Hatch – das riesige Lichtkunstprojekt mit bewegten 3D-Animationen, in deren mythischen Metamorphosen auch der Schmetterling entpuppt, erleuchtet die hohe Nordwand der historischen Großmarkthalle der EZBim Rahmen der Luminale in Frankfurt 2018 in schillernden Farben. Das Projekt ist eine Kooperation zwischen dem Bremer Künstlerkollektiv Urbanscreen und dem Berliner Illustrator Andreas Preis.

Die Luminale ist eine neue Form des Musée imaginäre einer Stadt. Sie lässt lässt das Stadterlebnis in ganz neuem Licht erscheinen.

→ Die Frankfurter Luminale 2018 – eine kleine Auswahl (2)
BIENNALE FÜR LICHTKUNST UND STADTGESTALTUNG – Die Luminale 2018 in Frankfurt

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