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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Masel Tov מזל טוב – Der Anbau des Jüdischen Museums in Frankfurt hat ein Dach über dem Kopf

Hedad, hedad. Auf, unsere Bahn ist frei!

Kurz vor seinem 30. Geburtstag bekommt das älteste eigenständige Jüdische Museum in Deutschland eine Rundumerneuerung und der Erweiterungsbau auf dem Grundstück des ehemaligen Rothschild-Palais nimmt Formen an. Dort entsteht ein neuartiges Zentrum für jüdische Kultur, das in seinen zeitgemäßen Räumlichkeiten mit Café und Museumsshop, mit Bibliothek und Archiv, Ausstellungen und Veranstaltungen sowie Bildungsarbeit mit Kindern, Schülern und Jugendlichen verwirklichen kann. Bauherrin, Architekt, Planer und Handwerker sowie die maßgeblichen Projektförderer und -unterstützer feierten am  7. März das Richtfest für den Neubau mit einem traditionellen Festakt.

Von Petra Kammann

Jüdisches Museum Frankfurt: So soll es einmal aussehen. Visualisierung Außenansicht Foto: © Staab Architekten

Frühling lässt sein blaues Band… Am Richtkranz des Jüdischen Museums flatterten symbolisch blaue und weiße Bänder. Das biblisch positiv besetzte Blau (hebr. „techelet“) erinnert an die Farbe für das Gewand des Hohen Priesters und an den blauen Gebetsmantel, der bis heute am Schabbat getragen wird, zu dessen Abschluss man eine Kerze anzündet.

↑ OB Peter Feldmann, Anton Schick, Inhaber der gleichnamigen Baufirma, und Salomon Korn, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt, beim Richtfest für den Neubau des Jüdischen Museums in Frankfurt, Foto: Bernd Kämmerer © Stadt Frankfurt

↓ Gespannt verfolgte Museumsdirektorin Mirjam Wenzel, wie der Richtkranz herabschwebte, und dankte in ihrer Rede allen an der Planung und Realisierung Beteiligten, von der Stadt, über das Land, die Stiftungen und Sponsoren bis hin zu den Architekten und Bauleuten, Foto: Uwe Kammann

Blau-weiß symbolisierte dann ab dem 20. Jahrhundert den Geist des Aufbruchs. So wurde während des Ersten Weltkriegs „Blau-Weiß“ auch zum Markenzeichen der jüdischen Jugendbewegung, welche die Erneuerung des Judentums vor allem durch Humanismus anstrebte. In der ersten Strophe eines jugendbewegten Liedes der 20er Jahre aus dem Blau-Weißen Liederbuch heißt es: „Freude pocht jubelnd ans Haus. Es sprosst und grünt ein neuer Lebensmai: Hedad, Hedad. Auf, unsere Bahn ist frei.“ Blau-weiß werden daher Farben sein, welche künftig die Corporate Identity des Jüdischen Museums tragen werden, erläuterte Mirjam Wenzel, die Direktorin des Jüdischen Museums voller Vorfreude.

Es sei immer das zentrale Ziel des jüdischen Museums gewesen, Wissen und Verständnis für die jüdische Geschichte und Kultur zu erwirken, ergänzte Kulturdezernentin Ina Hartwig. Dieses Anliegen treffe zukünftig auch in räumlicher Hinsicht auf günstigere Bedingungen.

↑ Architekt Per Pedersen von Staab Architekten erläuterte das neue Gebäude, Foto: Uwe Kammann

Abgesehen von den Dankesbekundungen an Förderern und Sponsoren machte Wenzel auf die Vielzahl an Aspekten und Projekten aufmerksam, die das Bauprojekt begleiten und ergänzen, welche sich eben auch im Bau niederschlagen.

Denn das Museum wird in Zukunft sein Angebot an die Öffentlichkeit um einen Veranstaltungsraum, eine Bibliothek, ein Café und einen Wechselausstellungunsbereich ergänzen. Dabei wird der Neubau die Nutzungsfläche des Rothschild-Palais um 3500 Quadratmeter Grundfläche erweitern. Auch die Dauerausstellungsfläche in den Altbauten des renovierten Rothschild-Palais selbst wird nach der Sanierung die frühere Größe mehr als verdoppeln, und alle Bereiche werden schwellenlos zugänglich sein, was die Besucherzahl zweifellos erhöhen dürfte.

Die beiden Altbauten auf dem Untermainkai 14 und 15 werden demnächst ganz der jüdischen Geschichte gewidmet sein. Im zweiten Stock geht es dann um die jüdische Religion, während sich im Erdgeschoss alles um die berühmten Familien aus Frankfurt dreht wie die Rothschilds, die Familie Anne Franks wie auch um die Familie Senger, die besonders durch den Schriftsteller Valentin Senger und seinen Roman „Kaiserhofstraße 12“ bekannt wurde.

↑↓ Das Gelände des klassizistischen Rothschild-Palais, in das der fünfeckige Neubau eingekeilt werden musste, Foto: Petra Kammann

In dem aus Beton gegossenen fünfeckigen Erweiterungsbau steht die Gegenwart im Mittelpunkt. Die zueinander versetzten Geschosse ermöglichen die Organisation der unterschiedlichen lichten Höhen und bilden dadurch die Angleichung der Ebenen an das Untergeschoss der bestehenden Villa am Untermainkai 14.

Die Schatzkammer wird sich aus konservatorischen Gründen im Untergeschoss befinden, weil die dort präsentierten Kostbarkeiten besonders lichtempfindlich sind.

Das geräumige lichtdurchflutete Atrium, das sich vom Foyer im Erdgeschoss bis zum 15 Meter hohen Oberlicht erhebt, ist auf spielerische Weise mit dem vorderen Gebäude durch Gänge und Fensterausschnitte verschränkt, was Lust auf die Erkundung der weiteren Räumlichkeiten weckt. Das geheimnisvolle Spiel von Licht und Schatten ist schon jetzt im Rohbau sichtbar.

Anregend und offen wirkt der Zugang zum Foyer, den man nun von den Wallanlagen Ecke Untermainkai / Untermainanlage aus erreichen kann, statt sich auf dem zu engen Trottoir des Untermainkais von dem vorbeirauschenden Verkehr Angst einjagen zu lassen.

Der Erweiterungsbau spannt nämlich mit den beiden Altbauten des Jüdischen Museums einen Vorplatz auf, an dem auch der neue repräsentative Haupteingang liegen wird, der sowohl von Süden vom Mainufer, aus der Hofstrasse wie auch von Norden über die Wallanlagen aus sichtbar ist. Durch diesen Haupteingang  betritt der Besucher das Jüdische Museum, passiert die Sicherheitskontrolle und gelangt in das großzügige Foyer, welches sich zum Außenraum hin zwischen den bestehenden Villen und dem Neubau öffnet.

Der ganz aus Beton gegossene Gebäudekörper wird bald einen hellen, mit dem angrenzenden Altbau korrespondierenden Putz bekommen, während die hochwertigen Betonwände im Innern „nackt“  bleiben werden. Die Einschnitte für die Fensteröffnungen kommen auf diese Weise besonders gut zur Geltung.

Museumsdirektorin Mirjam Wenzel im Foyer. Sie freut sich auf die Gestaltung der neuen Räumlichkeiten, Foto: Petra Kammann

Unmittelbar an das Foyer schließt sich dann der große Veranstaltungssaal an. Eine Verbindungstreppe zwischen zwei Foyerteilen erschließt dem Besucher die zugänglichen Bereiche. Auf einem Halbgeschoss über dem erdgeschossigen Foyer wird sich die Museumsgastronomie befinden, die über einen nur aus dem Innenraum heraus begehbaren Außenbereich verfügt.

Auf dem Verbindungsstück  zwischen dem Erweiterungsbau und den Villen wird der Außenbereich des Cafés angeordnet sein, der jedoch nicht unmittelbar aus dem Außenraum begehbar ist. Dafür profitieren die Sitzplätze an der Glasfassade vom Blick auf die historischen Fassaden der Villen und die Wallanlagen.

Bei Veranstaltungen kann das gesamte Erdgeschoss mit dem Restaurant zusammengeschaltet und zum Hof hin geöffnet werden. Erschlossen wird das Restaurant über die Sicherheitskontrolle und das obere Museumsfoyer.

Dass nach dem Richtfest auch zügig weiter gearbeitet werden kann, dafür sorgt die gesicherte Finanzierung. Für die Erweiterung hat der Magistrat der Stadt Frankfurt insgesamt 50 Millionen Euro bewilligt und die museumsbausteine GmbH damit beauftragt, die Erneuerung des Jüdischen Museums in diesem Rahmen zu realisieren. Der zur Verfügung stehende Kostenrahmen von 52 Millionen Euro wird eingehalten.

Das Hessische Ministerium der Finanzen hat ein Investitionsvolumen von vier Millionen Euro für den Erweiterungsbau sichergestellt. Hinzu kommen drei Millionen Euro, die von der Gesellschaft der Freunde und Förderer des Jüdischen Museums von privaten Stiftungen, Firmen und Privatpersonen für die Erneuerung eingeworben werden konnten. Die Fertigstellung des Erweiterungsbaus ist somit für das Frühjahr 2019, die Eröffnung für den Sommer 2019 geplant.

Wie heißt es so schön im Blau-Weißen Liederbuch: „Freude pocht jubelnd ans Haus. Es sprosst und grünt ein neuer Lebensmai“. Dem zügigen Fortgang des Baus kann man also mit großer Zuversicht entgegensehen. Masel Tov!

Fotos: Petra und Uwe Kammann

 

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