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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Ein Spontankonzert mit Debussy und Ravel bei Donata Elschenbroich

Impressionistisch? So radikal wie visionär

Von Petra Kammann

Wenn sich im März der 100. Todestag des französischen Komponisten Claude Debussy (1862 – 1918) jährt, so haben wir  in Frankfurt bereits einen wunderbaren Vorgeschmack auf seine visionäre Modernität bekommen dank einer Aktion, die so charakteristisch ist für die Bürgerstadt am Main, nämlich in dem Sinne, dass die Kultur immer wieder auch vom zivilgesellschaftlichen Engagement lebt.

Die Pianistin Sophie Patey

Da hatte die Filmemacherin, Jugendforscherin, Literatur- und Musikwissenschaftlerin Donata Elschenbroich an einem ganz normalen Samstagnachmittag im Februar französische Spitzenmusiker zu einem ungewöhnlichen Spontankonzert in ihre privaten Räume geladen. Zu Gast waren drei französische Musiker, die auf ihre Weise mit Frankfurt verbunden sind: die Pianistin Sophie Patey, der Cellist Christophe Mathias sowie der Violinist Laurent Weibel, hier nicht nur als Musiker des hr-Sinfonie-Orchesters bekannt, sondern auch als Gründer der Kammermusikreihe „Bahnhofsviertel Classics“.

Rief das Programm mit Werken von Debussy und Ravel zunächst vermeintlich einschmeichelnde „impressionstische“ Bilder à la „Prélude d’un après-midi d’un Faune“ im Kopf hervor, so war die Überraschung der Interpretation groß. Die heute am Conservertoire in Paris lehrende Pianistin Sophie Pathey, intensiv geschult durch zeitgenössische Musik – sie hatte neben vielen renommierten Stationen ihrer Ausbildung an den unterschiedlichsten Ecken der Welt u.a. auch ein Stipendium bei der „International Ensemble Modern Academy“ in Frankfurt –, konterkarierte das Bild vom einschmeichelnden impressionistischen Komponisten. Der erste Teil des Konzerts war den Préludes von Debussy gewidmet: Mit konzentrierter Energie und hoher technischer Brillanz arbeitete die Pianistin die radikale Modernität der Debussyschen Préludes heraus.

Manche Passagen wirkten ob ihrer mechanisch-repetitiven Rhythmik geradezu ruhelos, andere schienen die Klänge des Jazz vorwegzunehmen. Patey ließ die Dissonanzen des modernen Lebens aufblitzen und machte den ironisch-humorvollen Umgang mit Zitaten hörbar wie etwa in den „Collines d’Anacapri“, wo ein Italien wie aus ferner Erinnerung auftauchte, oder beim „General Lavine – exentric“. Ein wahres pianistisches Feuerwerk  entfaltete sie beim beim „Feu d’artifice“ oder beim stürmischen Prélude „Ce qu’a vu le vent d’Ouest“. Da fegt der Westwind nur so über das Meer und wogt über seine schauerlichen Abgründe. Da tut sich die geheimnisvolle Korrespondenzen zwischen Natur und Einbildungskraft auf, über die auch Charles Baudelaire, der französische Dichter der Modernité, in seinem Gedichtzyklus „Fleurs du Mal“ spricht.

Der Cellist Christophe Mathias war eigens aus Paris angereist

So übernahm sie anfänglich auch die Führung im Spiel mit dem Cellisten Christophe Mathias – es war ihr erstes gemeinsames Zusammenspiel. Und Mathias musste auch gleich nach dem Konzert wieder zurück nach Paris fahren. Im März wird er die Programmfolge im Conservatoire in Paris Saint Cloud noch einmal mit Patey spielen. Auch er konnte auf seine Erfahrungen im Umgang mit zeitgenössischer Musik bauen. Mathias hatte bereits von 2007 bis 2009 bei der Meisterschule für Neue Musik, der Lucerne Festival Academy, wo  Musiktalente aus der ganzen Welt die Möglichkeit haben, sich der zeitgenössischen Musik zu widmen und wo neue Aufführungsformen erprobt werden, unter Pierre Boulez gespielt.  Und er  war 2008 und 2009 ebenfalls Mitglied dee Internationalen Ensemble Modern Akademie in Frankfurt und gehörte dort sogar zu den Gründungsmitgliedern des „Ensemble Interface“.

Diese Ausbildung hat auch bei Mathias Spuren hinterlassen und kam offensichtlich seiner Spielerfahrung entgegen. Das Aufeinander- Hören und -Reagieren hat das Spielen der in freien Formen gehaltenen Sonate für Cello und Klavier d-moll des „Musicien français“ Claude Debussy, die mit einem resoluten Duktus begann, sicher erleichtert. So souverän wie ironisch wechselte er zwischen gestrichenen und gezupften Saiten auf seinem Instrument hin und her. Auch war sein Spiel  von großer Kraft, vom Changieren zwischen feurigem Spiel und plötzlichem Innehalten, von französischer Eleganz und poetischem Zauber geprägt. Wenn es in ab- und anschwellender Lautstärke überging, glaubte man wegen der Intensität sowie Resonanz auf dem alten Parkettboden förmlich, Teil der beiden sich ergänzenden Instrumente zu werden.

v.l.n.r.: die Protagonisten des Spontankonzerts – Laurent Weibel, Donata Elschenbroich, Sophie Patex und Christophe Mathias

Die Freude des Miteinandermusizierens steigerte sich dann noch nach der Pause beim äußerst selten gespielten a-moll Klaviertrio von Marurice Ravel (1875 – 1937), das der Komponist 1914, gerade mal vier Tage nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, geschrieben hat. Die anfängliche Gespanntheit der Musik liegt wohl auch in der Komposition selbst begründet. Nicht allein, diese Schwebe im Ungewissen zu halten, sondern auch die Dreierkonstellation eines nicht eingespielten Trios zu bewältigen, setzt bei den Musikern schon einiges voraus.

Da schaudert es einen förmlich, wenn die Violine in den höchsten Tönen die sensibelsten Momente flirrend hervorlockt und man nicht genau weiß, wohin die Reise geht. Aber den Musikern gelang es im Laufe des Spiels, sich so aufeinander einzustellen, dass das Gleichgewicht zwischen Violine, Violoncello und Klavier gehalten wurde und die Assoziationen an kriegsähnliche Zustände wieder verdrängt wurden. Zweifellos ein Verdienst dieser hervorragenden Musiker, die sich völlig uneitel im privaten Rahmen präsentierten.

Der Violinist Laurent Weibel, der schon häufig als Solist und auf zahlreichen Festivals in Europa aufgetreten ist, hat u.a. seine Ausbildung an der Manhattan School of Music absolviert. Und bevor er zum hr-Sinfonie-Orchester stieß, wirkte er beim Zürcher Opernorchester und zuvor beim National Symphony Orchestra in Washington. Seit 2015 lebt er nun in Frankfurt, wo er die Kammermusikserie „Bahnhofsviertel Classics“ gegründet hat, um mit dieser Musik zur „unlikly neighbourhood“, der unwahrscheinlichen Nähe zur Nachbarschaft im umstrittenen bunten Viertel, beitragen wollte.

Es war einfach ein großes Vergnügen zu erleben, wie diese drei Vollblutprofis – ganz heutige Menschen – ihre mitreißende Spielfreude im Nu auf das gebannte Publikum übertrugen, so dass man trotz der derzeit grassierenden Grippewelle keinen Huster vernehmen konnte. Auch dafür, dass die Förderin Donata Elschenbroich den Musikern und uns den Zuhörern den gebotenen Rahmen für das freie Zusammenspiel geboten hat, gebührt ihr nicht nur Dank, sondern auch Respekt.

Donata Elschenbroich bei der Begrüßung und ein Teil des begeisterten Publikums

Alle Fotos: Petra Kammann

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