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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

SOS BRUTALISMUS – Rettet die Betonmonster! im Deutschen Architektur Museum in Frankfurt

Bedroht? Bedrohlich!

Eine grandiose Ausstellung zur Architekturphase des Brutalismus
im Deutschen Architekturmuseum 

Von Uwe Kammann

Für viele ein Vorbild: das Kloster La Tourette von Le Corbusier 

SOS Brutalismus. Die Organisatoren einer hervorragenden Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum haben den Titel sicher eindimensional gewählt. Denn im Untertitel heißt es: „Rettet die Betonmonster!“, Ausrufezeichen inklusive. Dabei kann man das SOS auch anders lesen, als Warnung vor großer Gefahr, so wie im berühmten Film „SOS Eisberg“ aus den 30er Jahren.

Doch genau so sieht der Kurator der konzentrierten Schau auf exemplarische Betonmonster, Oliver Elser, die Sache sicher nicht. Im Gegenteil: Hier sind die Bedrohten nicht wir, das Stadtpublikum, sondern eben jene oft gigantomanen Bauten, welche in den 60er und 70er Jahren wie in einer Titanenwelle die internationale Architektur- und Städtebauszene eroberten: Die Mode des Ultra-Angesagten hieß jetzt ,Klotzen statt Kleckern‘, hieß Sichtbeton und Grobstruktur statt glatter, technizistischer Materialien, hieß skulpturales Kneten und Schichten statt durchsichtiger Eleganz und Bauhaus-Klarheit. Es war eine bereits Mitte der 50er Jahre theoretisch grundierte Kampfansage an lange gepflegte Prinzipien und Dogmen einer auf funktionale Trennung und rationalisierende Gestaltung setzenden Architektur.

←Kurator Oliver Elser 

Doch das, was sich dann an vielen Orten in der Welt auftürmte, nicht selten betont wehrhaft und festungsartig, fand in der Regel nie die Zuneigung der Menschen, nicht einmal ein Mindestmaß an Neugier oder Respekt. Vielmehr lösten die Bauten unter dem Vorzeichen des Brutalismus oft geradezu spür- und greifbare innere und äußere Abwehr aus, oft Vandalismus, fast immer ernteten sie Unbehagen, nicht selten den Wunsch nach sofortigem Abriss.

Jetzt, gute vier Jahrzehnte nach dem ziemlich abrupten Ende der oft aus Sichtbeton modulierten Wellen, ist dieser Reflex oft Wirklichkeit geworden, verrichten die Bagger mit ihren Schneide- und Greifzähnen ganze Arbeit. Und genau deshalb findet sich bei einigen der auf großformatigen Tafeln bestens präsentierten Bauten der deutlich signalisierte Hinweis: „bedroht / threatened“.

Womit ein bevorstehender, zumindest befürchteter Verlust angezeigt wird. Einer, der als großer Schatten eine (kleine?) Gruppe von Architekturtheoretikern umtreibt, welche in den „Monstern“ (ist dies ironisch gemeint, oder steckt darin doch eine innere Einsicht?) eine wichtige Epoche der Nachkriegs-Architekturgeschichte sehen; und die deshalb auch eine, wie sie meinen, Rettungskampagne aufgelegt haben, bei der unter dem Stichwort #SOSBrutalism in einer Datenbank Bauten dokumentiert werden, die nach Auffassung der Initiatoren bemerkens- und erhaltenswert sind, denen sie besondere Qualitäten zuschreiben.

Ob dieser Widerstand gegen eine Mehrheits-Abneigung Erfolg haben wird, ob es dafür gute Gründe gibt? Zweifel sind erlaubt. So hatten die künftigen Bewohner einer in der Fachwelt Anfang der 70er Jahre gerühmten Londoner Großanlage des sozialen Wohnungsbaus (was sollte wohl der Name Robin Hood Gardens sagen?) gleich zur Eröffnung gegen das brutalistische Konzept – so mit hochgelegenen Laubengängen, mit Außentreppen und vorgehängten Fassadenelementen aus Beton – protestiert.

Dieser Protest, so Kurator Oliver Elser bei der Erläuterung der Details an einem großen Ausschnittsmodell, habe damals die Architekten Alison und Peter Smithson – ein hocheffizientes Pionierpaar der brutalistischen Theorie und Praxis – zutiefst verstört: weil sie diese Unisono-Ablehnung gar nicht verstanden hätten. Tatsächlich haben sie sich, wie andere Protagonisten dieses Bauens auch, ausdrücklich als Vorreiter eines von sozialen Idealmodellen abgeleiteten Bauens gesehen und dies in Abhandlungen als modellhaft dargestellt.

John Madin: Birmingham City Library, Birmingham, Großbritannien, 1969–1973, 2016 abgerissen \\ © Jason Hood 2016

Sicher auch wegen dieser damals an vielen Stellen aufgegriffenen Absicht hat das Victoria & Albert Museum noch vor dem erfolgten Abriss einen Bestandteil des Komplexes erworben. Ob auch bedauernd, ob mahnend, oder ob rein wissenschaftlich neutral? Die zuständige Denkmalschutzbehörde selbst hatte die Siedlung mit ihren Hochhausdimensionen als „nicht menschenwürdig“ bezeichnet, was deren Ende besiegelte – nach einer insgesamt deprimierenden, von sofort einsetzender Kriminalität geprägten Geschichte dieses hochfliegend geplanten und realisierten Areals.

← Architekturkritiker Wolfgang Pehnt

Bei der Presse-Präsentation der in allem hervorragend inszenierten und präsentierten Ausstellung wurde Wolfgang Pehnt – überaus erfahrener und hochrenommierter Architekturkritiker – gefragt, warum in der Regel die unter dem Etikett Brutalismus errichteten Bauten (welche diese Bezeichnung auch durchaus einlösten) von der großen Mehrheit der Menschen so vehement abgelehnt würden. Seine schlichte Antwort: Es handele sich eben eher „um eine Architektur der Architekten“.

Was sich an den vorgestellten Bauten leicht belegen lässt: Sie zeigen meist eine sehr deutliche Handschrift, sind oft betont skulptural, haben kräftige Konturen, schichten und verschieben mächtige Volumina, protzen mit stolz ausgestellter Konstruktion, kurz: sie verkörpern oft Riesen-Plastiken. Wie stark hier ein schöpferischer Knetimpuls gewirkt hat, zeigt gleich zu Anfang des Parcours ein Duzend von aus Beton modulierten Kleinmodellen herausragender Bauten dieser Zeit.

Der Architekt als lustvoller Bildhauer: hier wird es schlagend deutlich. Und natürlich schlägt man den gedanklichen Bogen zur frühen Ikone (1955) des skulpturalen Bauens, der Wallfahrtskirche in Ronchamp. Deren Schöpfer, Le Corbusier, steht auch für den zweiten Sakralbau, der viele Architekten formal beeindruckte und zum Nach-Empfinden anstachelte: das Kloster Sainte-Marie de La Tourette (1960). Bei der Wallfahrtskirche wurde sein Lieblingsmaterial, der Stahlbeton, äußerlich durch einen Anstrich noch gezähmt. Beim hochgelegenen Kloster, das durchaus auch als eckige Trutzburg mit Schießscharten empfunden werden kann, wurde der rohe Beton – eben: der béton brut – zur eigentlichen Attraktion geadelt.

Die Frankfurter Ausstellungsmacher wollen diese Begrifflichkeit ihres Kerns berauben, sie polieren und veredeln – und platzieren als Auftakt-Gag eine Flasche Champagner (für viele das edle Getränk schlechthin) mit der Note brut. Allein, dies erscheint dann doch eher als Etikettenschwindel, denn die Richtung der Traubenverarbeitung hat nichts zu tun mit dem, was der Betonbrutalismus doch unbedingt auch und vor allem sein wollte: ein Statement, eine Ausdrucksform, ein Lebensgefühl, eine Weltanschauung. Immer in Richtung des Ehrlichen, des Unverblümten, des Authentischen, des ursprünglich Wahren und Unverfälschten.

← Zentrale Tierlaboratorien der Freien Universität Berlin (1981)

Rauh (wie in der Struktur Holzschalung sichtbar) und roh: das gehört natürlich zusammen. Es ist, zugespitzt, eine Lust am Faustrecht zu spüren, am Spiel mit dem Titanischen, am Auftürmen und Übereinanderschichten, am Unbehauenen, durchaus auch an Grobheit – die dann mit dem moralisch so positiv aufgeladenen Begriff der Ehrlichkeit bemäntelt wird. Das darin natürlich auch der in Kunstdingen immer relevante Impetus des lauten Protestes steckt – so auch gegen gebaute Nachkriegsideale wie Offenheit, Leichtigkeit, Bescheidenheit –, gehört mit zu der Anfangseuphorie.

Der Kunsthistoriker Adrian von Buttlar hat diese Anti-Geste gegen das vermeintlich Verlogene einer formalisierten Architektursprache in einem überaus lesenswerten Begleitband, der die Beiträge eines 2012 zum Thema Brutalismus abgehaltenen Symposions versammelt, sehr überzeugend herausgearbeitet und im Untertitel auf den Punkt gebracht: „Fortschrittspathos als ästhetische Revolte“. (Wer der begrifflichen und baulichen Geschichte der Brutalismus-Bewegung auf den Grund gehen will, wird beim schon zitierten Wolfgang Pehnt fündig; er, der Moden und rechtfertigende Theorien mit unbestechlichem Blick seziert, hat sich schon 1960 in einem Aufsatz für die Zeitschrift „Das Kunstwerk“ sehr differenziert und kühl mit Wille und Vorstellung der Akteure und Denker des Brutalismus auseinandergesetzt.)

Gerne beruft sich der innere Kreis von Theoretikern und Liebhabern angesichts einer mehrheitlichen Ablehnung der von ihnen favorisierten realen Objekte auf das Argument, das auf der anderen Seite die Kennerschaft fehle, der Blick nicht geübt sei, das Rüstzeug der geschichtlichen Einordnung fehle – und gerade deshalb der Kampf ums Erhalten geführt werden müsse. So dass auch Bedauern durchscheint, wenn Monster der Epoche gefallen sind, wie – Frankfurter Lokalkolorit – das Technische Rathaus und das Historische Museum am Römerberg und der mit plastischem Brüstungsraster gestaltete Turm der Erziehungswissenschaften auf dem alten Universitätsgelände in Bockenheim. Natürlich wissen sie, dass die allerwenigsten Frankfurter diesen Bauten eine Träne nachweinen. So wie auch anderswo als Befreiung gefeiert wird, wenn die ungeschlachten Monster fallen.

Verwunderlich an dieser verlustgrundierten Widerstandshaltung ist nur eines: dass nicht offen und ehrlich gefragt wird, woher die Geringschätzung, woher die vehemente Abwehrhaltung in der Bevölkerung rührt. Dabei führen fast alle Großfotos der Ausstellung (natürlich bestärkt durch das vorherrschende Schwarzweiß) vielfältig und eindrücklich vor Augen, welche Eigenheiten und Eigenschaften des Brutalismus so abstoßend wirken. Und, sicher ganz bewusst, jeden konventionellen Schönheitsrahmen zerstören wollen, um, wie Pehnt es sieht, eine „exhibitionistisch zu nennende Ausdruckssteigerung“ zu erreichen.

Dazu gehört das oft Gefängnishafte, blockhaft Geschlossene der Gebäude, speziell auch im Bildungsbereich, bei Schulen, Universitäten, Instituten. Dazu gehört auch die innere Organisation mit geschichteten und verknoteten Ebenen und verschränkten Durchgängen, was zwangsläufig Unübersichtlichkeit nach sich zieht – und damit zu Orientierungslosigkeit, zu Bedrängnis und Angstgefühlen führt. Da ist das Material, das unter der Normalwitterung so schlecht altert, nach kurzer Zeit verwahrlost aussieht, dessen Eisenbewehrung rostet und die Oberflächen aufbrechen lässt, dessen Scharten und Kanten Verletzungen und Versehrungen fürchten lassen. Beton, der handschmeichlerisch sein kann und so gewollt wird – wie bei Tandao Andō –, ist ausgesprochen teuer, entsprechend selten zu finden – und wäre damals eher als unpassend fein eingestuft worden.

← Brutalismus im Osten

Da ist das Schwere, da ist das Düstere und Lastende, das eine Piranesi-Beklemmung hervorruft. Da ist allgemein allzu oft das Riesige, Ungeschlachte, das Massige, welches im kleinen Maßstab des akkuraten Modells und aus der nahen Vogelperspektive viele Jurys in Anordnung und Gestalt überzeugt hat, aber als gebaute Wirklichkeit den kleinen Menschen überragt, erdrückt und erschlägt.

So, wie die großen utopischen Gesellschaftsentwürfe – häufig von Intellektuellen bewundert und herbeigesehnt – auch ihre eigene Gewalt gegenüber dem Einzelnen ausspielten, der das andernorts ersonnene Ideal dann als tödlich erfuhr.

Kein Zufall ist sicherlich, dass eine französische Betonkirche fast bis ins Detail die Konturen und allgemeine Formensprache der Bunker des deutschen Atlantikwalls aufgenommen hat. Das Militärische übt anscheinend eine hohe Faszination aus, auch wenn es vermeintlich ein ironisches Spiel ist.

Wer wiederum die in der Formensprache reduzierten, in den Dimensionen jedoch gigantischen deutschen U-Boot-Basen als Betonburgen in Brest oder Lorient vor Augen hat, der wird unmittelbar geneigt sein, mit diesem Material und seiner Anwendung nichts als Kampf und Vernichtung zu verbinden.

Hier liegt übrigens eine (gewollte?) Schwäche/Manipulation der Ausstellung: Exemplarische Modelle, im Maßstab größer als gewöhnlich und bestechend ausgeführt, bestehen aus dünner, heller Wellpappe – damit wird die Grundqualität und –anmutung des Materials Beton in keiner Weise veranschaulicht. Stattdessen imponieren dann die Konstruktionsdetails.

Nicht menschenwürdig: so lautete das hier schon zitierte Urteil der Londoner Denkmalschutzbehörde angesichts eines brutalistischen Wohnkonglomerats – und damit fiel für die Entscheider auch das Prädikat denkmalwürdig weg. Darf, muss man dagegen die Theorie, den selbstformulierten Anspruch jener Architekten setzen, die sich durchaus als sozialutopische Idealisten sahen und zugleich sicher auch als Künstler, die mit hohem Selbstbewusstsein viele Bauten mit einer jeweils ganz eigenen Statur schufen, die sich um die Umgebung sichtbar nicht kümmerte, sondern stolz und selbstbewusst auf eigenen Maßstab und klare Dominanz setzte? Auch hierin stecken, sicherlich nicht immer ausgesprochen, gedankliche Figuren, wie sie homogene Jurys im Einklang gerne entwickeln und hochgemut verteidigen.

Als beispielsweise 1980 – angesagt waren bei vielen die neuen Kleider der Postmoderne – über das Einpflanzen des Schirn-Komplexes zwischen Römer und Dom entschieden wurde, lobte die Jury beim ersten Preisträger „das dialektisch zu nennende Prinzip“ als wesentlichen Beitrag zur städtebaulichen Lösung. Statt sich in die Umgebung einzupassen, stelle der Entwurf selbst „den Widerspruch und die Unterschiedlichkeit, die in der Randbebauung vorgegeben ist, dar“.

Pappmodell der Boston City Hall  (1968)

Das, was gerade auch bei vielen brutalistisch inspirierten und unerbittlich ausgeführten Bauten als verletzender Eingriff in vorhandene Strukturen erlebt wird, gilt hier als die eigentliche Tugend, welche das Bemühen um Korrespondenzen erspart und zudem das Ideal der Befreiung von Bestehendem und damit Freiheit schlechthin suggeriert. Das Problem ist: Mit dieser Denkfigur müssen die Menschen bei architektonischen Erscheinungen tagtäglich leben – sie lässt sich nicht im künstlerisch-wissenschaftlichem Denkspiel hin- und herwenden.

All diese Erfahrungen und Bedenken und daraus abgeleitete Kritik sprechen nicht gegen alle Artefakte im Namen oder unter der begrifflichen Verkleidung des Brutalismus. Natürlich gibt es herausragende, noch heute überzeugende Bauten, wobei sie vornehmlich im sakralen, im kultischen Bereich zu finden sind. Aus wahrscheinlich einfachen Gründen: weil dort die außergewöhnliche, die sprechende, die auf Symbolisches zielende und damit auch auf besondere Raumwirkungen und auch auf äußere Zeichenhaftigkeit setzende Form dem Sinn des Gebäudes eingeschrieben sind, zu den sich selbst begründenden Entsprechungen gehören.

Claude Parent / Paul Virilio: Sainte-Bernadette du Banlay, Nevers, Frankreich, 1963–1966 \\ © Bruno Bellec 2008

Der Verfasser dieser Zeilen hat in einer der Ikonen dieser Betonarchitektur geheiratet, der Wallfahrtskirche in Neviges, die Gottfried Böhm wie einen gefalteten Berg in die umgebende Hügellandschaft gesetzt hat. Ein geschwungener Prozessionsaufgang mit seitlicher Begrenzung durch kettenhaft aneinandergereihte, runde Klosterzellen führt zum scharfkantigen, an Kristallines erinnernden Betonberg, den der sehschwache Erzbischof Frings im Modell ertastete und als Zelt interpretierte, schützend über dem theologischen Modell eines offenen Marktplatzes aufgespannt. Die begreifbare Plastik als besonderer Reiz, die bergende Haut und der weit atmende Innenraum mit vielfältigen Balkonen und Licht-Nischen: die Wirkung ist überwältigend.

Gottfried Böhm: Wallfahrtskirche, Neviges, Deutschland 1963–1973 \\ © Foto: seier+seier 2008 (CC BY 2.0)

Aber auch hier stellte sich ein, woran viele der auf die Kombination von Flexibilität, Schwere und Oberflächenreiz setzenden Bauten fast unvermeidlich zu leiden haben: die geringe Altersresistenz, die Neigung zum schäbigen Verwittern, zum Ausbilden von Nasen, zur schlierenhaften Ausdunkelung. Das zeigen auch die Fotos der Ausstellung nur allzu deutlich, wobei auch klar zu sehen ist, dass diese Negativ-Effekte in extremer Form in all jenen Gegenden der Welt auftreten, die mit individueller und auch öffentlicher Armut geschlagen sind und folglich billiger bauen müssen. Aber das Auftrumpfende des Brutalismus, das hat sie zweifellos in den Bann geschlagen.

U-Bootbunker in Lorient: Beton am Atlantikwall

Das Fazit: Diese Ausstellung lohnt den zwei-, dreimaligen Besuch, weil sie ihren Gegenstand – und, dies sicherlich eher gegen die eigene Intention ­– und dessen Problematik in eindrucksvoller Weise präsentiert. Begleitet von einem Katalog und einem facettenreichen Begleitband – beide wie auch die Ausstellung in dankenswerter Kooperation mit der Wüstenrot-Stiftung entstanden –, ist dies ein Parcours des Entdeckens und Wieder-Sehens, des Lernens und des Widerstands, der Aneignung und der produktiven Auseinandersetzung. Und dies mit einem Bereich der Architektur, der weder allgemein anerkannt noch mit vollem Bejahen abgelegt ist. Hier ist noch viel zu beurteilen, zu diskutieren, auch und vor allem zu entscheiden.

Bedroht, bedrohlich, bedrohend: Das muss immer im Einzelfall, sicher hier auch immer im heftigen Streitfall erwogen, beurteilt und entschieden werden. Eine rettende Generalklausel, das vermittelt die Ausstellung, kann es nicht geben. Was sie zudem, noch viel stärker, aufzeigt, ist die Erkenntnis: Moden in der Architektur überkommen die Welt, ja, die Welt, wie ein Tsunami. Sie erscheinen dann in Abständen so unmittelbar, so unvermeidlich, so selbstverständlich wie auch so willkürlich, so herbeigesehnt und nach ersten flächendeckenden Ergebnissen und Erlebnissen so niederschmetternd wie eine schreckliche Heimsuchung.

War der Brutalismus eine Sackgasse der Architektur?, wurde Wolfgang Pehnt gefragt. Die salomonische Antwort: „Sackgassen? Sackgassen kennt die Architektur nicht“. Vielleicht muss man in der Mitte des neunten Lebensjahrzehnts stehen, um so gelassen zu werden.

Die Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum dauert bis zum 2. April 2018

Fotos: falls nicht anders angegeben: Uwe Kammann

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