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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

AtelierFrankfurt: Open Studios 2017 – Rundgang und Nachlese (I)

Von Erhard Metz

Die diesjährigen zweieinhalbtägigen „Open Studios“ des im November 2014 eröffneten Künstlerhauses AtelierFrankfurt liegen eine Woche und mehr zurück, sollen jedoch nicht ohne einen gebührenden und etwas umfangreicheren Nachhall verklingen. Unter den rund 130 Ateliers bzw. Studios für Kreative lassen sich etwa 100 im Bereich der „bildenden Künste“ im engeren Sinne verorten. Erstaunlich viele neu eingezogene Künstlerinnen und Künstler haben sich seither in der Frankfurter Schwedlerstrasse niedergelassen, andere sind hingegen bereits wieder ausgezogen, nicht zuletzt aus finanziellen Gründen, denn die heutigen Mieten entsprechen nicht den seinerzeitigen Erwartungen und sind für viele auch nicht tragbar. Aber auch aus einem anderen Grund ist die derzeitige Stimmung innerhalb der Künstlergemeinde eher verhalten:

Logo des Künstlerhauses AtelierFrankfurt

Der Fünfjahresvertrag mit dem Eigentümer der Liegenschaft, Michael Loulakis, steht mit dem erforderlichen zeitlichen Vorlauf zur – hoffentlich erfolgreichen – Verlängerung oder einer für viele der Kunstschaffenden verhängnisvollen Nichtverlängerung an, die Gespräche und Verhandlungen darüber haben begonnen. Man darf sich fragen, wie tragfähig die seinerzeit hochgelobte, zwischen dem gemeinnützigen Trägerverein, der Stadt Frankfurt am Main und dem Eigentümer ausgehandelte Konstruktion für das Künstlerhaus denn nun sein mag. In den Verhandlungen ist nicht zuletzt und vor allem die Stadt und deren Kulturdezernat gefordert, aber auch die seinerzeit vielversprechend begrüßte Beiratsvorsitzende, die ehemalige Oberbürgermeisterin Petra Roth. Es gilt nun, „Farbe zu bekennen“ für den Erhalt der Arbeitsmöglichkeiten für einen gewichtigen Teil der großartigen Kunstszene dieser Stadt.

Eingang zum AtelierFrankfurt, Foto: Erhard Metz

Leider nur einige der vielen im AtelierFrankfurt hochqualifiziert Tätigen können sich zum Kreis der Arrivierten und angemessen Honorierten am (inzwischen zu einem Irrenhaus entarteten) sogenannten Kunstmarkt zählen – warum dies so ist, bleibt immer wieder rätselhaft. Qualität reicht heutzutage offenkundig längst nicht mehr aus. Und wer bestimmt schon, was „Qualität“ denn eigentlich ausmacht in einem von allerlei Geschäftsinteressen, Ränken und Seilschaften bestimmten „Kunstbetrieb“, in welchem Händler, Auktionshäuser und viele Galeristen, aber auch vom Zeitgeist „gehypte“ Künstler selbst, nicht selten übrigens im Verbund mit Museen und Ausstellungshallen, ein kaum durchschaubares Geflecht bilden? Marketing und Selbstinszenierung aller Art spielen offensichtlich eine Rolle, der größere Teil der befähigten wie fleißigen Künstlerschaft im oft nur wenige Quadratmeter großen Atelier als „stillem Kämmerlein“ hat das Nachsehen. Dazu kommt eine kunstrezipierende Gesellschaft, die sich einen Künstler immer noch gerne als ein armes, in einer Bruchbude hausendes Wesen (à la Spitzwegs „armen Poeten“ mit Regenschirm unter dem durchnässenden Dach) vorzustellen vermag.

Wie dem auch sei – eine allein vom Umfang her notwendige Auswahl unter den rund 100 Künstlerinnen und Künstlern zu treffen, und sei es nur für eine mehrteilige Kurzreportage, ist uns wahrlich kein angenehmer „Job“ – lieber versuchten wir uns an der „Quadratur des Kreises“ oder an dem Unterfangen, Sisyphos beim sinnlosen Hinaufwuchten des stets wieder herabstürzenden Felsblocks zu helfen – denn wie immer bleibt festzuhalten: alle hätten eine Berücksichtigung, jeweils auf ihre Weise, verdient.

Die Mehrzahl der im AtelierFrankfurt schaffenden Künstlerinnen und Künstler widmet sich der Malerei und verwandten Techniken – kein Wunder, in der sechsgeschossigen Anlage läßt sich, trotz Lastenaufzug, hunderte Kilogramm schweres Bildhauerisches nicht gut bewältigen, großformatig Malerisches indessen durchaus.

Großes Format

Doppel Kim, Promiscuity of image: images are always light years away, 2017, Pencil and acrylic painting on canvas, 440 x 150 cm, Foto: Erhard Metz

Fasziniert und überwältigt steht der Betrachter vor der visuell ohne Blickwandern kaum erfaßbaren, viereinhalb Meter messenden (freilich aus mehren Teilen zusammengesetzten und an komplexen Wandhalterungen befestigten) Riesenleinwand von Doppel Kim. Der südkoreanische Künstler studiert an der Goldsmiths University of London mit dem Abschluß Master of Fine Arts (MFA). Doppel Kims Werk umfaßt neben der Malerei ein breites Spektrum: Digitale Medien, Video, Installation und Skulptur. Seine in manchem der Pop-Art verpflichtete Arbeit bewegt sich zwischen nostalgisch-einfallsreicher Sensibilität und zeitgenössischer Bildkultur.

Jue Löffelholz, Liquid Skies Nr. 1, Öl auf Leinwand, 180 x 360 cm, Foto: Erhard Metz

Mit 3,60 Meter Breite ebenfalls zu den Großformaten zählt eine wunderbare Arbeit des 1962 in Göttingen geborenen, multimedial arbeitenden Künstlers und Poeten Jue Löffelholz, bekannt vor allem durch seine Künstlerbücher. Sie erscheint wie geschaffen für eine Hängung in einem repräsentativen Foyer. Zu dem monumentalen Werk inspirierte Löffelholz die „Vernebelung“ mancher Häuser in Google Street View, deren Eigentümer ihre Immobilie vor neugierigen Blicken verbergen wollen.

Großformatig auch die überlebensgroße Gestalt einer prächtig gekleideten Dame, eine Malerei in Öl mit dem Untertitel „Die Gräfin“ von Martin Holzschuh. Blick und Gestus wie vor allem die spinnengliedrig übersteigerten Finger faszinieren den Betrachter. Der für seine dunklen, gedeckt-stumpfen Farben in seinen zwischen Ruhe und Dynamik changierenden Bildern bekannte, 1972 in Frankfurt am Main geborene Maler studierte an der Städelschule als Meisterschüler von Professor Michael Krebber.

Martin Holzschuh, o.T. (Die Gräfin), Öl auf Leinwand, 120 x 250 cm, Foto: Erhard Metz

Norbert Frensch, 1960 in Mainz geboren, studierte an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg. Der Meister einer Malerei unter anderem in einer schier unendlichen Palette von Grautönen und -schattierungen fertigt mit größter handwerklicher Akribie Bilderserien im mittleren und großen Format, in die sich der Betrachter sowohl im Blick aus der unmittelbaren Nähe wie im langsamen Zurückweichen versenken kann. Die Arbeiten, denen viel Meditatives eignet, gewinnen im Prozeß des Annäherns bzw. Entfernens eine raumgreifende Dynamik.

Norbert Frensch, VG2-17, 2017, Öl auf Leinwand, 170 x 210 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn, Foto: der Künstler

Es gibt sie noch, die Wandmalerei und die Wandzeichnung! Katrin Trost – ebenso wie die in dieser Folge vorgestellten Künstler in Frankfurt eine wahre Entdeckung, sie zeichnet übrigens im kleinen Format mit Kugelschreiber (!) – führt sie mit Bleistift aus. Was mag die Künstlerin an der Fragilität und Vergänglichkeit eines solchen Kunstwerks reizen? Nicht nur der Werktitel, sondern auch die Sujets ihrer an anatomische Darstellungen erinnernden Arbeiten lassen auf eine autobiografische Innenschau samt dem Universum an Gefühlen und Emotionen schließen. Ihre feinsten Zeichnungen im kleinsten Format, gerahmt und geglast fotografisch kaum mehr sinnvoll wiedergebbar, faszinieren ebenso wie die große Wandarbeit.

Katrin Trost, That’s me (Wo auch immer das ist), 2017, Wandzeichnung, Bleistift, Foto: Erhard Metz

Katrin Trost, 1977 in Groß-Gerau geboren, studierte an der Hochschule für Gestaltung Offenbach HfG im (früher so bezeichneten) Bereich Visuelle Kommunikation Freie Gestaltung mit Schwerpunkt Malerei und Bildhauerei.

Abgebildete Werke © jeweilige Künstlerinnen und Künstler bzw. VG Bild-Kunst, Bonn

KUNSTWERKE KANN MAN ERWERBEN!
Die Künstlerinnen und Künstler sind auf der Website des AtelierFrankfurt
verzeichnet und zu erreichen

→ AtelierFrankfurt: Open Studios 2017 – Rundgang und Nachlese (II)
mit Links auf Folgen III bis V

→ Katrin Trost: „That’s me“

→ WHAT’S THE F***? – ATELIERFRANKFURT feiert die Eröffnung der neuen Räume
→ ATELIERFRANKFURT rüstet sich für die Wiedereröffnung
→ Atelierfrankfurt – Familie Montez – Kulturbunker: Das neue Kunst- und Kulturdreieck im Frankfurter Ostend
→ Letzte Ausstellung im ATELIERFRANKFURT: Viaggio in Italia – Italienische Reise

– weitere Berichte unter dem Suchwort (s.o.) atelierfrankfurt –

 

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