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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Das White light Festival New York mit Monteverdis Opern und herausragendem Tanz

Das White Light Festval in New York war in diesem Jahr ganz Claudio Monteverdi gewidmet. Seine drei Opern L’Orfeo. L’incoronazione di Poppea, Il ritorno d’Ulisse in patria wurden konzertant aufgeführt. Dieses ambitionierte Projekt nennt das Whight Light Festival: Die Geburt der Oper. Nicht ganz zu Unrecht. Denn obwohl Monteverdi nicht der erste Opernkomponist war, ist Orfeo (1607) das erste Meisterwerk, das bis heute zu sehen ist.

Von Simone Hamm / New York

↑ John Eliot Gardiner dirigiert die English Baroque Soloists

↓ Hana Blazikova als Euridice

Monteverdis Opern, konzertant aufgeführt

Die „Krönung der Poppea“ ist weniger eine Geschichte von Liebe, als eine von Macht, Gier und Unterwerfung. John Eliot Gardiner dirigiert die English Baroque Soloists einfühlsam, der Monteverdi Choir ist mächtig und stark. Amor stimmt in den Chor mit ein. Das letzte Wort aber haben Nero und Poppea, herausragend gesungen von der Sopranistin Hana Blazikova und dem Countertenor Kangmin Justin Kim.

Man weiß nicht, ob sie sich wirklich so lieben, wie Amor sich das wünscht, oder ob beider Wunsch zu herrschen nicht doch größer ist als die Liebe. Doch ihr zartes „Pur ti miro / Dich nur sehen“ klingt noch lange nach.

Beim White Lights Festival gab es auch große Tanzabende, ungewöhnliche Tanzabende. Zwei herausragende Choreografien wurden gezeigt. Jessica Lang und Mark Morris ist gemein, dass sie der Musik in ihren Choreografien großen Raum lassen, dass sie nicht nur Untermalung für den Tanz sind.

 

Pergolesi mit Jessica Lang

Als Giovanni Battista Pergolsei 1736 sein „Stabat Mater“ komponierte, wusste er, dass er nicht mehr lange zu leben hatte. Seine Tuberkulose war unheilbar. Leiden und der nahe Tod bestimmten sein Leben und seine Musik. „Stabat Mater“ erzählt von Marias Trauer am Fuße des Kreuzes und ist Pergolesis wohl berühmteste Komposition. Jean Jaques Rousseau nannte es das Bewegenste, was je ein Komponist geschrieben hat.

Jessica Lang©Karli Cadel and courtesy of Glimmerglass Festival

Jessica Lang hat sich also Großes vorgenommen, als sie eine Choreografie zu dieser Musik schrieb. Sie wollte nicht einfach Tanz zur Musik.

Deshalb holt Jessica Lang die Sopranistin Adriana Chuchman und den Countertenor Anthony Ross Constanzo mit auf die Bühne. (Speranza Scappucci dirigiert das Orchester of St. Lukes.) Die beiden treten zusammen mit neun Tänzern auf. Dabei stehen die Musik und der elegische Tanz gleichwertig nebeneinander. Die Bewegungen der Tänzer sind weich, graziös und fließend, was unterstrichen wird durch ein langes Tuch, in das sie sich manchmal hüllen – dieses Tuch wirkt wie das sanft gekräuselte Wasser eines Sees.

Zwischen den einzelnen Tanzbewegungen halten sie sehr lange inne, wirken wie ein lebendiges Gemälde. Bisweilen stehen sie still und reglos auf der großen Bühne, auf der nichts zu sehen ist als zwei große Baumstämme. Dann bewegen sich diese Stämme, werden zu einem abstrakten Kreuz.

 Jessica Langs Pergolesis Stabat Mater Production ©Karli Cadel and courtesy of Glimmerglass Festival

Die Sänger tragen Kostüme wie die Tänzer, anfangs sind sie in verschiedene Beige und Brauntöne gekleidet, was wohl an die verschiedenen Hautfarben der Menschen erinnern soll. Bei jedem neuen Auftritt, in jedem der 13 Bilder, die Pergolesi und Lang heraufbeschwören, haben die Tänzer Kleider und Shirts gewechselt. Immer mehr Blau ist zu sehen: blau, die ikononografische Farbe Mariens.

Jessica Lang hat einen berührenden Tanzabend geschaffen, der am Tag nach dem Attentat von New York zu sehen war. Schmerz und Leid erhielten so einen ganz aktuellen Bezug.

 

Layla und Majnun in der Choreographie von Mark Morris

„Layla und Majnun“ wird oft als „Romeo und Julia des Ostens“ bezeichnet. Auch hier verlieben sich zwei jungen Menschen ineinander, deren Familien gegen die Verbindung sind. Aber anders als das Paar aus Verona wird ihr Begehren niemals erfüllt. Viele Jahre lang sehnen sie sich nacheinander. Majnun wird Eremit, Layla muss einen andren heiraten. Erst nach ihrem Tode sind sie vereint.

Mark Morris gilt als der musikalischste aller zeitgenössischen Choreografen. Immer wieder läßt er sich auf neue Experimente ein. Er zeigt „Layla und Majnun“, eine Kammeroper von Uzejir Hgjibeyli aus dem Jahre 1908, die erste Oper des Mittleren Ostens. Musik zu einer alten vorislamischen Legende, die in der gesamten arabischen Welt, in der Türkei, im Iran, in Afghanistan, in Indien beliebt ist.

Zwei Singer sitzen mitten auf der Bühne. Ihr betörender Gesang ist Zentrum und Herz der Aufführung. Ali Qasimov ist zum menschlichen Weltkulturerbe ernannt worden, eine CD mit seinem Gesang wurde ins All geschossen. Er singt den Majnun, seine Tochter Fargana Qaimova ist Layla.

Begleitet werden sie von aserbajanischen Musikern und von Musikern vom Jo-Jo Mas Silkroad Project. Sie sitzen im Halbkreis um die beiden Sänger herum.

Layla und Majnun Photo: Susana Millman

Die Tänzer interpretieren den Gesang. Sie bewegen sich gewandt vor und hinter den Musikern, an den schmalen Seiten der Bühne. Mark Morris liebt das Ensemble. Pas de deux sind eher selten bei ihm. Die beiden Liebenden werden dann auch von verschiedenen Tänzern dargestellt. So wird das große Liebespaar entpersonalisiert. Mark Morris stellt die Liebe als solche dar: das Werben, das Leiden. Dabei sind die Tänzerinnenin orangefarbene lange Kleider gehüllt, die Tänzer tragen lange blaue Hemden. Die Kostüme sind von aserbajanischen Trachten inspiriert worden.

Bisweilen wirkt der Tanz sehr abstrakt: große ausholende Bewegungen. dann werden bestimmte Situationen heraufbeschworen: ein heimliches Treffen bei flackerndem Licht. Mark Morris hat auch Momente aus aserbajanischen Tänzen übernommen. Etwa das rhythmische Auftreten mit den Füßen oder die verschiedenen Handhaltungen von Männern und Frauen. Und manchmal wirbeln die Tänzer herum wie Derwische und erinnern an Sufitänzer.

Bei Mark Morris ist die Musik nie nur Beiwerk, sondern Folie. In „Layla und Majnun“ geht er noch einen Schritt weiter. Der Tanz ordnet sich der Musik unter, wird von ihr geleitet. Weil die Musik und der Gesang immer anders sind, ist kein Abend wie der andere. Das ist für die Tänzer eine große Herausforderung, der sie gewachsen sind. So ist ein einzigartiger Abend entstanden.

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