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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Buchmesse – Nach-Lese: Der Hessische Film- und Kinopreis

Glanzvolle Film-Gala in der Alten Oper

Text und Fotos: Renate Feyerbacher

Zur 28. Preisverleihung des Hessischen Film- und Kinopreises waren der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier, Kunst- und Kulturminister Boris Rhein und viele Filmschaffende in die Alte Oper gekommen. Unter den Prominenten: die Schauspieler Ulrich Turkur, Jasna Fritzi Bauer, Corinna Harfouch, Caroline Peters, Tijan Marei, Jens Harzer, Ernst Stötzner, Manfred Zapatka, als Nominierte der Kategorien Beste Schauspielerin und Bester Schauspieler sowie Jörg Schüttauf, Josefine Preuß, August Zirner, Margareta Broich, ehemalige Ehrenpreisträgerin und Florian Bartholmäi, der in Berlin lebende Frankfurter als Jurymitglied. Umrahmt war die Show von Auftritten der Frankfurter Stage Musical School und der Pop-Sängerin Cassandra Steen. Moderiert wurde sie professionell von Schauspieler Jochen Schropp, weniger gekonnt und unsicher von den jungen Nachwuchshoffnungen. Insgesamt war es ein kurzweiliges, festlich-glanzvolles Ereignis.

Ulrich Tukur, Corinna Harfouch, Jens Harzer und Jasna Fritzi Bauer

 

Die Schauspieler

Ulrich Tukur brachte den Abend schnell auf hessische Linie. Der Ministerpräsident hatte den Felix-Murot-Darsteller im „Tatort“ einen besonderen Mitarbeiter des Landeskriminalamtes in Wiesbaden genannt. Der 60-Jährige, in Viernheim (Vernem) geboren, zählte in seiner Dankesrede seine jugendlichen Aktivitäten in Großkrotzenburg (Großkotzenbursch) auf und lud am Ende alle Anwesenden in Anspielung auf den undotierten Ehrenpreis zur „Fünf-Liter-Bembel“-Party nach Sachsenhausen ein.

Jasna Fritzi Bauer

Auch die Newcomerin Jasna Fritzi Bauer hat einen hessischen Geburtsschein, ausgestellt 1989 in Wiesbaden. Sie war im Jugendclub und im Ensemble des Hessischen Staatstheaters und besuchte dann die Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin. Noch sehr jung wurde sie ans Wiener Burgtheater berufen, wo sie drei Jahre engagiert war. Mit Recht bezeichnete Minister Boris Rhein sie als eine der ausdrucksstärksten Schauspielerinnen der jungen Generation. In dem Filmdrama „Axokotl Roadkill“ (2017) nach dem Roman „Axokotl Roadkill“ von Helene Hegemann, welche  das Drehbuch schrieb und auch Regie führte, verkörpert Jasna Fritzi Bauer die 16jährige Mifti. Man mag den Film mögen oder nicht, aber sie überzeugt als schuleschwänzender, drogenkonsumierender Teenager, der schließlich in der Erwachsenenwelt untergeht. Einfach großartig! Der erstmals verliehene Newcomerpreis wurde mit 7.500 Euro belohnt.

Ulrich Tukur

Corinna Harfouch wurde in der Kategorie Beste Schauspielerin für ihre Leistung im Fernsehfilm „Viel zu nah“ (Hessischer Rundfunk) ausgezeichnet.

Caro ist Mutter, sie ist Polizistin und sie verdächtigt ihren Sohn eines Gewaltverbrechens. Obwohl sie sich gut mit Kollegen versteht, teilt sie niemandem ihre Vermutung mit und recherchiert inoffiziell. Kein Thriller, sondern ein Mutter-Sohn Konflikt. Regisseurin und Drehbuchautorin Petra K. Wagner hat der bühnenerfahrenen, großartigen Schauspielerin Corinna Harfouch, die oft auf der Bühne im Deutschen Schauspielhaus Berlin steht, in dieser Rolle schweigende, innehaltende, glaubwürdige Momente gegönnt, die faszinieren und den Preis für Corinna Harfouch rechtfertigen.

Bei der Entgegennahme der Trophäe war die Schauspielerin jedoch enttäuscht, hätte sie doch nur allzu gerne die goldfarbene Preistrophäe des Bildhauers Ottmar Hörl in Empfang genommen, die alle anderen Filmschaffenden erhielten. Schon einmal war das bei einer Preisverleihung bedauert worden.

Corinna Harfouch

Jens Harzer, auch ein gebürtiger Wiesbadener, wurde als Bester Schauspieler für den „Tatort – Amour fou“ (Regie Vanessa Jopp) geehrt. Auch er durch und durch Bühnenschauspieler, 2008 Schauspieler des Jahres, festes Ensemblemitglied am Thalia Theater Hamburg, lobte in seinen Dankesworten das Theater, auf dessen grossen Bühnen Berlin, Hamburg und Salzburg er immer wieder steht.

Ein schwules Paar im Berliner Stadtteil Neukölln, einer von ihnen Lehrer, kümmert sich im „Tatort –Amour fou“ um einen Halbwüchsigen aus schwierigen Verhältnissen, der auf die selbe Schule geht. An der Schule hält sich das Gerücht, der Lehrer habe in der Sportumkleidekabine mit dem Schüler sexuell verkehrt. Die Frage – Gerücht oder Tatsache?– bleibt. Der Lehrer wird suspendiert. Ist es seine Leiche, die später aufgefunden wird? Der überlebende schwule Ehemann, gespielt von Jens Harzer, beteuert: „Wir waren eine Familie“!“ Wer glaubt ihm? Der Tatort erfuhr Begeisterung als auch Ablehnung , aber einig war man sich über Jens Harzers Darstellung, die „eine ziemliche Sensation“ genannt wurde. Im SPIEGEl hieß es: „Einsamer als Jens Harzer kann man einen Menschen nicht spielen“. Er war die Triebfeder des Krimis, nahm sich aber Zeit, um die Figur des schwulen Partners zu entwickeln – zu einem Lehrstück. „Harzer erhebt es zu einer universellen Liebesgeschichte, zu etwas, was über den Zeitgeist hinausragt.“ Die Jury lobte seine berührende Darstellung.

Die Preisträger mit Ministerpräsident Volker Bouffier (l)

Die Filme

Spielfilm: „Nur Gott kann uns richten“ – Gewinner

Drei Spielfilme waren nominiert worden: „Vorwärts immer!“ von Franziska Meletzky, „Ostwind – Aufbruch nach Ora“ von Katja von Garnier und „Nur Gott kann uns richten“ von Özgür Yildrim, der das Preisgeld von 25.000 Euro gewann.

Im Streifen des deutsch-türkischen, in Hamburg geborenen Regisseurs, der auch das Drehbuch verfasste, spielt Frankfurt eine Hauptrolle. Die Gangstergeschichte, die erzählt wird, ist in dem Schmelztiegel der verschiedenen Kulturen, im Rotlicht-Milieu, bestens angesiedelt, das überragt wird von den Bankentürmen, bevölkert von eleganten Bankern, die an Obdachlosen und Drogensüchtigen vorbeihetzen. Alle Drei wollen Gutes tun und verstricken sich in Schuld.

Özgür Yildrim, von Fatih Akin früh gefördert, zählt zu den talentiertesten Jungfilmern hierzulande. Özgür ist mittlerweile auch beim „Tatort“ engagiert. Diejenigen, die den Film bereits sahen – er kommt erst im Januar in die Kinos –, waren vollauf begeistert, nicht zuletzt von den spannenden Frankfurt-Bildern. Alle drei Charaktere der Milieustudie, Moritz Bleibtreu als Ricky, Edin Hasonovic als Rafael und Birgit Minichmayr als Diana skind exzellent besetzt.

Özgür Yildrim, Regisseur und neuer Shootingstar

Spielfilm: „Vorwärts immer!“ – Nominierung

Diese turbulente Komödie über die DDR in ihren letzten Tagen könnte das Publikum begeistern. Regisseurin Franziska Meletzky gelingen humorvolle realistische Momente. Gegen Ende hätte mir jedoch weniger Klamauk gefallen. Großartig allerdings das Schauspielerteam allen voran Jörg Schüttauf, der in einer Doppelrolle als falscher und echter Erich Honecker brilliert.

Spielfilm „Ostwind – Aufbruch nach Ora“ – Nominierung

Im dritten Teil der Pferde-Saga „Ostwind“ sucht Mika nach den Wurzeln ihres Pferdes. Sie verlässt nach einem Streit mit der Großmutter das Gestüt und zieht mit Ostwind nach Andalusien, wo sie die Heimat des Tieres vermutet und landet auf einer Hacienda. Dort arbeitet sie als Stallgehilfin und fühlt sich nicht wohl. Sie vermutet, dass die Herde der Wildpferde, der sie beim Ausritt an der Quelle Ora begegnet, die ‚Familie‘ von Ostwind sind. Regisseurin Katja von Garnier, in Wiesbaden geboren und in Frankfurt studiert, mischt ihren Abenteuerfilm mit ökologischer Thematik. Sie zeigt, welche Macht Traditionen und persönliches Engagement haben können. Mika – dargestellt von Hanna Binke – gelingt es, andere zu mobilisieren, damit Natur nicht der Investmentgier anheimfällt. Das Pferderennen von Ora, an dem die schnellsten und wildesten Pferde einst teilnahmen, wird wieder belebt. Das soll das Naturgebiet um die Quelle von Ora retten. Gedreht wurde auf einem Gestüt in Nordhessen und in Andalusien. Das junge Publikum ist begeistert von den Ostwind-Filmen.

Dokumentarfilm: „Wunder der Wirklichkeit“ – Gewinner

Abermals waren drei Dokumentarfilme nominiert: Isabel Gathof für „Moritz Oppenheim“, ein Malerportrait,, Peter Rippl für „A Gravame“ und Thomas Frickel für „Ein Wunder der Wirklichkeit“. Kein Zweifel, dass dieser Beitrag zu Recht den 15.000 Euro-Preis erhielt. Der deutsche Film-Regisseur und Produzent schildert die Arbeit der Rüsselsheimer Künstler-Gruppe „Cinema Concetta“ um Martin Kirchberger. Er und sein Team stürzten am 22.Dezember 1991– es war der letzte Drehtag zum Satirefilm „Bunkerlow“ – in einem historischen Flugzeug in der Nähe von Heidelberg ab. Karin Malwitz, die Schwester des Kameramanns Ralf Malwitz, fand später die Kraft, den Film zusammen mit einer Cutterin fertig zu stellen. Das meiste Filmmaterial lagerte bereits im Elternhaus, Rest fand sie an der Absturzstelle. Aus den 15 geplanten Minuten wurde ein Opus von 19 Minuten. Thomas Frickel, der Martin Kirchberger persönlich kannte, schuf eine bewegende Hommage an einen Freund und Künstler, der mit 27 weiteren Filmschaffenden tödlich verunglückte.

Dokumentarfilm:A Gravame – das Stahlwerk, der Tod, Maria und die Mütter von Tamburi“ – Nominierung

Der Tatsachenbericht von Peter Rippl wäre auch ein würdiger Preisträger gewesen. Er lief bereits beim Lichter Filmfest Frankfurt International im Frühjahr 2017. Er schildert die dramatische Umweltktatastrophe durch das größte Stahlwerk Europas im süditalienischen Tarent. (Apulien).

Kurzfilm: „Familienzuwachs“

Die Studentin der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film Teresa Hoerl nimmt sich des Themas Flüchtlinge an. Sie selbst ist wie ihre Familie im Landkreis Gießen, in Kesselbach, in der Flüchtlingshilfe engagiert. Ihr Drehbuch in Bayern zu realisieren, fand sie nicht passend und kam auf die Idee, wegen ihrer Erfahrungen in Hessen, in Kesselbach, zu drehen. Die Geschichte: Renate, mit Manni verheiratet, lässt ohne Rücksprache mit ihm eine syrische Flüchtlingsfamilie einziehen. Klar, dass es zunächst Spannungen gibt, aber die werden weniger, als Manni sich den fremden Menschen öffnet. Humor, Situationskomik, Lokalkolorit und ein gelungenes Drehbuch bescheren dem 33-minütigen Kurzfilm ein Preisgeld von 5.000 Euro.

Hochschulfilm: „Ink of Yam“

Tom Fröhlich von der Media Hochschule Darmstadt hat zwei Männer aufgesucht, die in Jerusalem ein Tattoo-Studio eröffnet haben. Er hat den Menschen, die dorthin kommen, zugehört. Er erfährt vielfältige und persönliche Gründe, warum man sich ein Tattoo stechen lässt. Das sind intime Momente, die auch von Angst begleitet werden. „Dicht erzählt und gut strukturiert wird die Komplexität dieser Stadt für Außenstehende nachvollziehbar und gewährt einen tiefen Einblick in die junge Gesellschaft Israels“, begründet die Jury ihre Entscheidung. Glücklich war der junge Filmschaffende über die 7.500 Euro, die mit der Auszeichnung verbunden war.

Drehbuch: „Schneegestöber“

David Ungureit, ein Frankfurter Drehbuch-Urgestein, wird für sein Drehbuch „Schneegestöber“gefeiert. Darin geht es um die Geschichte eines todkranken Mannes, der zum Sterben in ein Hospiz geht. Der Ort Hospiz entpuppt sich dabei als überraschend lebendig. Das bedrückende Thema erzählt der Autor zusammen mit seinem langjährigen Schreibpartner Kollege Rolf Silber humorvoll und stark. Das Drehbuch „punktet mit einem gelungenen Spannungsbogen, hoher Emotionalität und guten Figuren [..] wie man es kaum erwarten konnte.“

Der Kinokultur-Preis ging schließlich an zehn gewerbliche und zehn nicht gewerbliche Kinos in ganz Hessen. Mit den Kinokulturpreisen werden außerordentliche Leistungen und herausragendes kulturelles Engagement von gewerblichen und kommunalen Kinos honoriert. Die preisverwöhnte Wiesbadener Caligari Filmbühne wurde mit dem Hessischen Kinokulturpreis 2017 für nichtgewerbliche Filmtheater ausgezeichnet.

Die Notwendigkeit, Hessen als Filmstandort auszubauen, wurde von der Landesregierung erkannt und die Filmförderung nun auf etwa 10 Millionen Euro aufgestockt. „Wir haben uns gemausert“, sagte Minister Boris Rhein bei der Pressekonferenz, dennoch werde Hessen niemals an die große Filmförderung in Bayern und NRW herankommen. Immerhin hat sich hierzulande in puncto Filmförderungeiniges getan.

 

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