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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Die MET Opera in New York eröffnet die Spielzeit mit Bellini „Norma“

Die Opernfreunde in New York haben einen scheinbar endlos langen Sommer ohne MET Aufführungen verbracht. Jetzt eröffnete die MET ihre Spielzeit mit Bellinis „Norma“.

von Simone Hamm, New York

Norma, die gallische Priesterin der Druiden, hat sich in einen Feind verliebt, den römischen Feldherrn Pollione. Nicht zuletzt deshalb mahnt sie die aufbegehrenden Gallier zur Ruhe. Noch sei die Zeit für einen Aufstand gegen die römische Besatzungsmacht nicht gekommen. Wofür oder wogegen Norma sich schlußendlich auch entscheiden wird –sie ist die Herrin über Krieg und Frieden  – die MET Opera in New York eröffnet die Spielzeit mit Bellini „Norma“, es wird sie unglücklich machen.

Sondra Radvanovsky in in der Titelrolle von Bellinis Oper „Norma“. Photo von Paola Kudacki/Metropolitan Opera

Niemand darf von der Verbindung der Priesterin mit dem Römer wissen, niemand von den zwei gemeinsamen Kindern. Doch Pollione wendet sich von ihr ab. Er hat sich in die Novizin Adalgisa verliebt.

Diese Oper hätte man brandaktuell inszenieren können. Krieg im Namen einer Religion, das Aufeinanderprallen von Kulturen, die Liebe zu einem Fremden, einem Feind.

Szene aus dem 1. Akt aus Bellinis „Norma.“ Photo: Ken Howard/Metropolitan Opera

David Mc Vicar hat sich für eine sehr werkimmanente Interpretation entschieden. Die Bühne ist ein düsterer Wald. Astlose Bäume bewegen sich langsam hin und her. Norma lebt in einem unterirdischen Iglu, vor sich einen Webstuhl und einen Tisch mit Kerzen. Das ist alles andere als originell. Die Sänger und der Chor agieren extrem statisch. Die Bühnenaktion beschränkt sich auf eine Schar Muskelmänner in Lederharnisch, die ihre Schwerter schwenken – Druiden, die den Kampf mit den Römern fordern.

Sondra Radvanovsky ist eine nachlässig in eine weite Robe gekleidete Norma mit zerzaustem Haar. Sie ist großartig, wenn sie von ihrer Qual, ihrer Wut singt. Wenn sie in der berühmten Arie „Casa diva“ die Mondgöttin anbetet, singt sie ergreifend schön und berührend und legt die ganze Verzweiflung der Priesterin in ihre Stimme. Vor allem in den Mittellagen ist sie überzeugend, in den Höhen klingt sie bisweilen ein wenig zu rau und ist nicht immer ganz sicher.

Sondra Radvanovsky in der Titelrolle und Joyce DiDonato als Adalgisa in Bellinis „Norma.“ Photo: Ken Howard/Metropolitan Opera

Joyce DiDonato ist Adalgisa. Sie ist die einzige, die eine 2017er Frisur  hat, nämlich einen frechen, blonden Kurzhaarschnitt. Ihr Kleid ist lässig geschnitten, so dass es ihr von der Schulter rutscht. Ihre Bühnenpräsenz zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Warum aber die beiden Frauen so gekleidet sind, als stammten sie aus verschiedenen Zeiten, erschließt sich dem Zuschauer nicht.

Adalgisa, die nichts von Normas geheimer Liebschaft weiß, beichtet ihrer Priesterin, dass sie das Keuschheitsgelübde gebrochen und sich in einen Römer verliebt habe. Zunächst ist Norma verständnisvoll. Sie hat ja dasselbe Problem. Als sie herausfindet, dass beide Frauen denselben Mann lieben, wird sie wütend, glaubt, die Novizin habe sie hintergangen. Dann erkennen die beiden Frauen, dass sie vom selben Mann betrogen werden und umarmen sich. Wie die Stimmen Sondra Radvanovskys und Joyce DiDonatos von Verzweiflung in Wut und schließlich in Vertrautheit wechseln und dabei doch in jedem Augenblick vollkommen synchron bleiben, ja ineinander aufgehen – das ist der Höhepunkt des Abends.

Joseph Calleja als Polliane ist selbstbewusst – darstellerisch wie stimmlich. Und doch glaubt man, da manchmal ein leichtes Zögern wahrzunehmen. So ganz wohl scheint er sich nicht in seiner Haut zu fühlen.

Carlo Rizzo dirigiert – passend zum Bühnenbild – grimmig düster und sehr energisch.

Michelle Bradley als Clotilde, Sondra Radvanovsky in der Titelrolle, und Joyce DiDonato als Adalgisa in Bellinis „Norma.“ Photo: Ken Howard/Metropolitan Opera

Auf der Bühne hätte man sich mehr Licht gewünscht und mehr Bewegung. Dass es dennoch ein großartiger Opernabend war, liegt an den herausragenden Sängern. Wer „Norma“ sehen möchte, kann das auch außerhalb New Yorks tun. Am Samstag, den 7. Oktober,  wird Norma weltweit in 2000 Kinos in 73 Ländern zu sehen sein. Live. Auch in Deutschland, natürlich auch in Frankfurt. Und vielleicht ist im Kino dann ja auch mehr als in dem schummrigen Licht, in das die Bühne der MET getaucht war, zu erkennen.

Eine Woche später, am 14. Oktober wird dann die „Zauberflöte“ live aus der MET in die Kinos übertragen. Da ist es bisweilen ebenfalls dunkel, aber wenn Sarastro (Tobias Kehrer) der Königin der Nacht (Kathryn Lewek) verzeiht und Pamina (Golda Schultz) und Tamina (Charles Castronovo) zusammenbringt, gleißt die Bühne in glänzendem Gold. James Levine dirigiert. Julie Taylor zeigt die Zauberflöte als rasant komisches Märchen mit einer fliegenden Schlange, die einem chinesischen Drachen ähnelt, tanzenden Eisbären aus Papier und einem fledermausartigen Mohren. Markus Werba ist auch auf der Bühne der MET – wie immer und überall – ein hinreissender Papageno. Eine Oper (oder eben ein Kinoabend) für die ganze Familie.

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