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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Archiv für September, 2017

August Wilhelm Schlegel – der europäischste aller Romantiker Das Frankfurter Goethe-Museum zeigt „Aufbruch ins romantische Universum“

2017, September 9.

Die kulturellen Räume literarisch neu vermessen

Von Hans-Bernd Heier

Am 5. September 2017 jährte sich der Geburtstag von August Wilhelm Schlegel (1767–1845), einer der Hauptvertreter der deutschen und europäischen Romantik, zum 250. Mal. Der Schriftsteller, Übersetzer, Philologe und Begründer der Indologie in Deutschland war nicht nur äußerst vielseitig und sein Leben lang außerordentlich produktiv, er war auch der europäischste von allen Romantikern sowie National- und Universalpoet in einem. Als Übersetzer – seine Shakespeare-Übersetzungen gelten bis heute als mustergültig – genoss er höchste Anerkennung. Darüber hinaus war er ein ebenso begnadeter wie gefürchteter Kritiker, Satiriker und Essayist.

August Wilhelm Schlegel um 1800 / 1802, unbekannter Maler; © Freies Deutsches Hochstift / Frankfurter Goethe-Museum, Foto: Ursula Edelmann

Nicht zuletzt war er es, der die Gedanken der Romantik einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machte und den interkulturellen Dialog weit über die deutschen Grenzen hinaus immer wieder aufs Neue suchte. Seinem Wirken ist es zu verdanken, dass sich das romantische Gedankengut in ganz Europa verbreitete und auch in Frankreich, Italien, England, Russland und Skandinavien entfaltete.

„August Wilhelm Schlegels Weg als Romantiker richtete sich – anders als bei seinem Bruder Friedrich oder bei Novalis – weniger nach innen als vielmehr nach außen, sah er doch seine Aufgabe darin, die kulturellen Räume Europas im Zeichen des „Romantischen“ literarisch neu zu vermessen und bis nach Indien auszuweiten“, sagen die Kurtorinnen Dr. Claudia Bamberg, Philipps-Universität Marburg, und Dr. Cornelia Ilbrig vom Freien Deutschen Hochstift, Frankfurt am Main. Weiterlesen

Kultur und Kunst – Religion und Kunst?

2017, September 5.

Essay über die Kunst als zweitmächtigste Ausprägung der Kultur

Von Gunnar Schanno

→  Kultur und Kunst: das Museum als Ersatz für den Kirchgang?

 

Wir sprachen davon, dass wir den Kulturbegriff ein wenig aus seiner Begriffslosigkeit befreien können, wenn wir seine Unbestimmtheit eingrenzen, sein Alles-und-Nichts, seine Gestaltlosigkeit, seine Verführung zur Bequemlichkeit in lockerer definitorischer Ungenauigkeit, seine Kalkülhaftigkeit beim Gebrauch als Missbrauchsbegriff im Berufen auf ihn, wenn im schlimmsten Falle in Schützenhilfe mit dem Unterbegriff dessen, was Tradition genannt wird, auch Verletzendes an Mensch, Tier oder Natur gerechtfertigt werden kann. Wir können des Begriffs ein wenig habhaft werden, wenn wir ihn besagterweise in seinen beiden mächtigsten Ausprägungen bestimmen und unterscheiden: der Religion und der Kunst.

Freilich überwölbt der Begriff der Kultur wie ein Gewebeteppich synthesebildend eine ganze Gemeinschaft, eine Ethnie, eine Region, eine Nation, einen Staat, ein Volk im Sinne der Gesamtkultur. Es sind also nicht allein ihre beiden mächtigsten Ausprägungen, es sind auch interagierend die Formen von Sitten und Brauchtum, von Zeitgeist und Mode. Es sind auch ihre Ausprägungen im Sinne emotional gestimmter Verarbeitung des rein Sachlichen, Wirklichen, Realen, des Nützlich-Utilitären, ganz allgemein des Zivilisatorischen. Kultur ist all das, was für Individuum und Gemeinschaft subjektiv-individualisierend, geradezu epigenetisch, über das Funktionale des Lebenserhaltenden hinausführt und all den kulturellen Einzelphänomen in eben jener Synthese den Charakter einer „Kultur“ genannten Einheit verleiht. Weiterlesen

Orte der Reflexion und das Europa der Klöster

2017, September 2.

Klösterlich raffinierte Einfachheit

Eine Installation in situ von Prisca Cosnier in der Chapelle de Saint-Esprit

Text und Fotos: Petra Kammann
→ Die Land Art-Künstlerin Prisca Cosnier griff geometrische Elemente der mittelalterlichen Architektur auf

Im Herzen der Stadt Auray im Morbihan befindet sich auf einem großen Platz eine 40 Meter lange, 10 Meter breite und 15 bis 20 Meter hohe einschiffige Kirche. Das älteste Gebäude der bretonischen Stadt, die „Chapelle de Saint-Esprit“ aus dem 13. Jahrhundert, eine ursprünglich als herzogliche Kapelle gestaltete Kirche, wurde im 14. Jahrhundert vom Orden des Heiligen Geistes (Ordre du Saint-Esprit), dem bedeutendsten Ritterorden Frankreichs, zu einem Stift und Spital umgebaut und erweitert.

Die religiöse Anlage wurde wie so vieles in Frankreich in der Zeit der Französischen Revolution ab 1794 zur Militärkaserne umfunktioniert, was sie bis ins 20. Jahrhundert hinein auch blieb, bis sie Eigentum der Stadt Auray wurde. Im Zweiten Weltkrieg fanden die Bewohner der Stadt hier Schutz. Zeitweise beherbergte sie auch die Feuerwehrleute und war ein Gymnasium. Die umliegenden Klostergebäude sind jedoch inzwischen zerstört. Übrig blieb nur noch ein Skelett der einschiffigen Kirche mit allerlei Wasserschäden, die, nachdem sie 1982 zum historischen Denkmal erhoben wurde, nach und nach behoben wurden.

Das Gebäude war schon völlig dem Zerfall preisgegeben, als eine Initiative es „rettete“, teilweise jedenfalls. Da die Sanierungskosten hoch sind und die Kirche nach wie vor unbeheizt ist, hat man sich ab 2007 nach einer alternativen Nutzung für diesen besonderen Ort umgesehen, um ihn mit neuem Leben zu füllen. 2011 war es dann soweit. Das architektonisch und historisch besondere Gebäude sollte für künstlerische und wissenschaftliche Begegnungen genutzt werden. Weiterlesen