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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Das Trio Wanderer – schon 30 Jahre unterwegs

Allein in diesem Sommer gab es verschiedene besondere Auftritte des bekannten französischen „Trio Wanderer“. Gerade noch spielte das Ensemble auf dem Klavierfestival La Roque d’Anthéron, wo die Musiker seit Jahren auch Masterclasses leiten. Angekündigt waren sie auch kürzlich auf dem Internationalen Baalbeck-Festival im Libanon, das sie wegen Passschwierigkeiten jedoch nicht wahrnehmen konnten. Dafür spielten sie zur Freude der Besucher kurz zuvor auf den „Musicales du golfe“ in Vannes. Locker und völlig unprätentiös fanden sich die drei Weltstars dort im Théâtre de Bretagne in Vannes ein, bevor sie auf die Bühne traten.

Von Petra Kammann

Das Trio Wanderer bei den „Musicales du Golfe“, Jean-Marc Phillips-Varjabédian erläutert die Dumka-Suite; Alle Fotos: Petra Kammann

Für die Konzertbesucher am Golfe du Morbihan wurde es ein musikalischer Hoch-Genuss: Das Trio Wanderer spielte mit traumwandlerischer Sicherheit und in technischer Perfektion Haydns Klaviertrio in C-Dur, op. 71/1, Hob. XV/2, Dvořáks Klaviertrio, die Dumky-Suite mit den sechs verschiedenen Dumkies, sowie Franz Schuberts eindrucksvolles Trio in Es-Dur für Klavier, Violine und Violoncello Nr. 2, D 929 (op. 100), eine von Schuberts letzten Kompositionen, aus dem Jahr 1827, dem Jahr der „Winterreise“. Ihr variationsreiches Spiel löste stehende Ovationen aus.

Nun ist das Trio Wanderer, bestehend aus Vincent Coq, Klavier, Jean-Marc Phillips-Varjabédian, Violine, und Raphaël Pidoux, Violoncello, seit Jahren weltweit eine feste Größe in der Kammermusikszene und in Deutschland alles andere als unbekannt. Auch in diesem Herbst und im kommenden Frühjahr wird es an verschiedenen deutschen Orten anzutreffen sein wie am 15. 10. 2017 in Aachen im Krönungssaal des Rathauses, am 26. Oktober 2017 in Nienburg an der Albert Schweitzer Schule, am 9.11.2017 in Burghausen, am 10.11.2017 in der Konzerthalle in Bamberg, am 11.1.2017 in der Stadthalle in Kehl, am 22.3.2018 in Heidenheim im Festsaal der Freien Waldorfschule und am 27.3.2018 in der Kölner Philharmonie, im Frankfurter Holzhausenschlösschen leider erst im März 2019. Wie schade!

Der Auftritt in Vannes war Kammermusik auf höchstem Niveau. Raffiniert beleuchtete das Trio Haydns volkstümlich-singende Melodie des A-Dur-Andante mal in auseinanderstrebenden Streicherlinien, mal in aparten Mischklängen aus Streichern und Klavier. Das Finale aus Humor, Tanzrhythmus und genauer Geläufigkeit wurde bestens ausbalanciert.

Besonders viel Beifall fand auch Antonín Dvoráks Dumka-Suite. „Dumka“, so erläuterte der brillante Violinist Jean-Marc Phillips-Varjabédian, sei ein russisch-ukrainischer Tanz und bedeute so viel wie Gedanke. Flüchtig könnten sie sein, die Gedanken, heiter oder melancholisch. Dvořák verarbeitete gleich sechs dieser volkstümliche Melodien in seiner slawischen Ballade, die fast im Volkston daherkommt.

Nur erfahrenen Kammermusikern wie dem Trio Wanderer, die nicht allein auf instrumentale Virtuosität und ungezügeltes Temperament setzen, gelingt es, die Vielschichtigkeit und Tiefe der Komposition ins rechte musikalische Licht zu rücken, dabei Dvořáks dunkle Kammermusik-Welten mit Gespür und mit Hingabe für Klänge zu durchdringen und dabei doch das Publikum mitzunehmen.

Hier zeigte sich, dass das fein abgestimmte Ensemblespiel der drei Musiker die Tradition deutsch-romantischer Musik von Schubert durchlaufen hat. Anders als Schubert geht es Dvořák aber nicht um die individuelle Schicksalserfahrung, sondern um ein anderes romantisches Ideal, das Ideal einer Musik, die dem Volk und seinen Traditionen abgelauscht ist, vergleichbar ist mit Bartók und seinen Rumänischen Tänzen. Die Einspielung lässt sich in einer kürzlich erschienenen CD (Harmonia Mundi France)  nachhören.

Franz Schuberts spätes und reifes Klaviertrio No 2, Es-Dur op. 100 D 929 aus dem Jahr 1827, dessen zweiter kantabler Andante-Satz auch in einigen Filmen wie Michael Haneckes „Die Klavierspielerin“ oder in Stanley Kubricks „Barry Lindon“ verarbeitet wurde, war dabei von besonderer Eindringlichkeit in seiner von Melancholie und Einsamkeit getragenen Ruhe. Und es erklärt auch, warum sich das Trio „Wanderer“ nennt.

Als sich 1987, also vor genau 30 Jahren, das Trio, das gerade blendend sein Studium im Pariser Konservatorium abgeschlossen hatte, den Namen „Wanderer“ gegeben hat, löste das in Frankreich Verwunderung aus. Dieses deutsche Wort rief zunächst vor allem Assoziationen an einen jungen Mann hervor, der gerade das elterliche Nest verlassen hat und von nun an auf Wanderschaft geht. Doch für die Musiker war es vor allem eine Hommage an den mit 31 Jahren verstorbenen, armen Franz Schubert, ein Name, der sie stets an dessen Umherirren und Suche nach dem unbestimmten Abenteuer, dem Ausbruch aus der Einsamkeit erinnert.

Die Musiker beim anschließenden Signieren der CDs: v.l.n.t.: Vincent Coq, Raphaël Pidoux und Jean-Marc Phillips-Varjabédian

Der Wanderer sei immer in Bewegung und kenne nicht das Ziel, so der Pianist Vincent Coq. „Es ist auch eine Erforschung seiner selbst, der unbekannten Welt seines Bewusstseins.“ Heute versteht das Ensemble den Namen eher als „Hommage an das deutsche romantische Repertoire“ insgesamt, vorzugsweise an Brahms, Schumann, Beethoven und Schubert.

Die Besonderheit des Trios

Anders als in der Besetzung eines Streichquartetts, ist man bei der Besetzung eines Trios viel intensiver auf ein fast wortloses Verstehen der Beteiligten angewiesen. Drei gute Solisten können durchaus nach einiger Zeit schon ein gutes Trio formen. Und doch muss es dabei nicht zwangsläufig zu einem guten Zusammenspiel und einem inneren Zusammenhalt kommen. Denn Kammermusik ist gleichzeitig etwas sehr Intimes und Intensives, das starke Persönlichkeiten braucht, die es gut miteinander können und gleichzeitig hervorragende Solisten sind und für sich stehen. So ist die Intensität, mit der man im Trio spielen muss, eine andere als die in einem Streichquartett.

Umso dramatischer, wenn einer der drei Teamplayer das Trio verlässt. So gab es nach den ersten Jahren durchaus durch den Weggang des ursprünglichen Violinisten Guillaume Sutre eine Veränderung, die erst einmal eine Krise auslöste. Nachzulesen ist das Auf und Ab des weltberühmten Trios in der Geschichte, die Radio Classique-Musikmoderator Olivier Bellamy mit etlichen Anekdoten erzählt, darunter auch so Begegnungen wie der mit Yehudi Menuhin oder Menahem Pressler. Komplettiert wird das Ganze in dem Buch „Olivier Bellamy, Trio Wanderer. 30 ans. Le bel âge“ (Art 3 Plessis édition) mit einer ausführlichen Diskographie.

Im Nachzeichnen ihrer Entwicklung treten tatsächlich ganz unterschiedliche Persönlichkeiten und Musiker zutage: Der abenteuerlustige „Zorro“ der Bande, der Geiger Jean-Marc Phillips-Varjabédian, der hervorragende und in sich ruhende Cellist Raphaël Pidoux als Familienmensch, der nachts nach einem Konzert noch quer durch Frankreich nach Hause fährt, und nicht zuletzt der gutgelaunte und optimistische Organisator Vincent Coq, der Pianist, der mit großer Leichtigkeit und präzisem Anschlag spielt und gleichzeitig als leidenschaftlicher Koch die Bande, die wiederum nicht auf einen Leader konzentriert ist, zusammenhält. Eine äußerst amüsante und lehrreiche Lektüre mit einer CD im Anhang, auf der sich das große Können der drei Musiker des Ensembles in Konzertausschnitten befindet. Das buch ist lesen- und das Trio einfach hörenswert.

 

Auszeichnungen, Wettbewerbe und Auftritte des Trio Wanderer

1987 Gründung Trio Wanderer

1988 -1990 Fischer Chamber Music Competition und ARD-Preis in München

1997 und 2000 als bestes Kammermusik-Ensemble von der Fondacion Accenture in 48 Ländern gefördert

2003 Dokumentarfilm bei ARTE über das Ensemble

 

Internationale Auftritte:

im Musikverein in Wien, in der Berliner Philharmonie, im Théâtre des Champs-Élysées, in der Wigmore Hall, in der Oper de Peking, im Teatro Municipal von Rio de Janeiro, im Palau de la Musica in Barcelona, in der Mailänder Scala, im Tschaikowsky-Saal in Moskau, im Place des Arts in Montreal, im Münchner Herkulessaal, in der Library of Congress von Washington, im Concertgebouw von Amsterdam, in der Kioi Hall inTokyo, in der Tonhalle in Zürich sowie auf großen internationalen Festivals in Edinburghin , Montreux, in Feldkirch, in Schleswig Holstein, in la Roque d’Anthéron, bei den Settimane musicale di Stresa, in Granada, in Osaka, bei den Folles Journées in Nantes, im Rheingau Musikfestival, bei den Schwetzinger Festspielen, in Salzburg ….

 

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