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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Ernani“ von Giuseppe Verdi konzertant an der Oper Frankfurt

Rettung und Katastrophe – Ein Sängerfest

Von Renate Feyerbacher
Fotos: Wolfgang Runkel / Oper Frankfurt

Nur noch einmal, am heutigen Sonntag, 22. Januar 2017, wird Verdis Oper, die in Frankfurt vor zwei Tagen ihre konzertante Erstaufführung hatte, dargeboten: ein umjubelter Opernabend dank der ausgezeichneten Sängerriege, einem hervorragenden Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter Leitung von Simone Young und einem stimmgewaltigen Chor (Einstudierung Tilman Michael).

Eine konzertante Aufführung ist nicht jedermanns Sache, hat aber den Vorteil, dass man sich ganz auf das Musikalische und das Interpretatorische konzentrieren kann. Durch eine szenische Umsetzung hätte der komplexe Inhalt natürlich besser verstanden werden können, zumal die deutschen Übertitel der italienisch gesungenen Partien nicht von allen Plätzen aus lesbar sind – so die Klage einer Dame in der Pause.

Ernani (Oper Frankfurt, 2017)

vorne v.l.n.r.: Tilman Michael (Chordirektor), Ingyu Hwang (Don Riccardo), Kihwan Sim (Don Ruy Gomez de Silva), Franco Vassallo (Don Carlos), Simone Young (Musikalische Leiterin), Alfred Kim (Ernani), Elza van den Heever (Elvira), Maria Pantiukhova (Giovanna) und Thomas Faulkner (Jago) sowie im Hintergrund das Frankfurter Opern- und Museumsorchester und den Chor der Oper Frankfurt; Foto © Wolfgang Runkel

Ernani“ ist Giusppe Verdis (1813-1901) fünfte Opernkomposition, „Nabucco“ und „Die Lombarden“ hatten ihm zuvor Erfolg beschert. Er wählte als Libretto-Vorlage das Theaterstück „Hernani ou L’honneur castillan“ des französischen Schriftstellers Victor Hugo (1802-1885), das in Paris einen Skandal ausgelöst hatte. Dabei standen sich die Anhänger des sozusagen klassischen Theaters den Romantik und Realismus verpflichteten gegenüber. Hugo hatte die alten klassischen Theaterregeln nicht befolgt; er erinnerte sich Jahrzehnte später an einen Mann, der 1830 gepfiffen und gerufen hatte: „Das soll nicht heißen, dass es schlecht ist, sondern: es ist neu.“ Einst Royalist, mutierte Hugo zum oppositionellen Liberalen. Er engagierte sich in der Politik und war ein Gegner der Todesstrafe. Sein historisch-fiktives Theaterstück „Hernani“ liess er im 16. Jahrhundert am spanischen Hof von König Don Carlos (Karl V.) spielen. Der junge Verdi engagierte den bis dato unerfahrenen Librettisten Francesco Maria Piave, um aus Hugos sprachlich ausgefeilten Text ein Libretto zu schreiben. Verdi selbst mischte dabei kräftig mit, wie er es zeitlebens tat. Die Figuren verloren dadurch an psychologischer Tiefe. Der Komponist hatte mit „Ernani“ einen neuen Stoff – weg vom Biblischen – und neue musikalische Formen – weniger Chorformation – gefunden. „Es soll viel Feuer darin sein, sehr viel Handlung und bündige Kürze“ (so Verdi 1843). 1844 war die Uraufführung im Teatro La Fenice in Venedig, nicht wie bis dahin in der Mailänder Scala.

Dennoch: Wie so oft geht es um Rache, Liebe, Eifersucht und Ehre. Also nichts Neues. Drei Männer buhlen um eine Frau, um Elvira, die Ernani liebt und von ihm geliebt wird. Die drei: es sind der alte herzogliche Onkel Don Ruy Gomez de Silva, den sie heiraten soll, Ernani, herzoglichen Geblüts, aber als Anführer einer Bande unterwegs; sein Vater wurde durch Don Carlos‘ Vater enthauptet. Rache ist gefordert. Der dritte Verehrer schliesslich ist der König. Die drei prallen aufeinander. Der König aber erweist sich im Laufe der Handlung als der Verständige, der Verzeihende, als der Verzichtende, Herzog Silva dagegen als der Unversöhnliche. Er fordert Ernanis Tod. Dieser hatte ihm in einer prekären Situation sein Leben verpfändet. Elvira, die soeben Ernani geheiratet hat und nicht den Onkel Herzog Silva, fleht vergebens um Ernanis Leben. Vor den Augen seiner Braut erdolcht er sich. Männerehre!

Ernani (Oper Frankfurt, 2017)

vorne v.l.n.r.: Maria Pantiukhova (Giovanna), Elza van den Heever (Elvira), Simone Young (Musikalische Leiterin), Kihwan Sim (Don Ruy Gomez de Silva), Franco Vassallo (Don Carlos) und Ingyu Hwang (Don Riccardo) sowie im Hintergrund das Frankfurter Opern- und Museumsorchester; Foto © Wolfgang Runkel

Simone Young, ihre Heimatstadt ist Sydney, gehört zu den bedeutendsten Dirigentinnen derzeit. Nach zehn Jahren Intendantin an der Staatsoper Hamburg und Generalmusikdirektorin gastiert sie nun weltweit frei. Kraftvoll sind ihre Bewegungen, präzise ihre Einsätze. Manchmal ist ihr Taktstock wie ein Schwert, das sie am Ende einer Passage dem Orchester entgegen stösst. Verdis Ernani-Musik, bei dem die Bläser – Hörner, Oboen, Klarinetten, Flöten, Fagotte, Trompeten und ein Cimbasso – eine ganz gewichtige Rolle übernehmen, enthält keine Ohrwürmer, aber wunderschöne dramatische, lyrische, erzählende Momente. Vier Hauptpersonen stehen im Mittelpunkt: die drei konkurrierenden Männer – Tenor, Bariton, Bass – und der Sopran der Dame ihres Herzens. Zwei der ehemaligen Ensemblemitglieder sind für diesen Abend wieder an die Oper Frankfurt zurückgekehrt: Elza van den Heever (Maria Stuarda, Il trittico u.a.) und der gebürtige Koreaner Alfred Kim als Ernani. Beide haben Weltkarriere gemacht. Van den Heevers Sopran ist höhenkonstant, durchdringend und klar. Kim entlockt seinem Tenor italienisches Timbre. Kihwan Kim, der jüngste im Bunde, interpretiert den alten Don Ruy Gomez de Silva eindrucksvoll mit seinem wuchtigen Bass. Er, der im Opernstudio begann, gehört seit Jahren zum Ensemble der Oper Frankfurt. Franco Vassallo singt an der Metropolitan Opera, an der Scala in Mailand, am Teatro La Fenice in Venedig, in Wien, in Zürich, Berlin, Hamburg, München, Dresden und nun in Frankfurt. Er ist einer der bedeutenden italienischen Baritone und sprang in Frankfurt für den erkrankten Kollegen Quinn Kelsey ein – ein überzeugendes, wohltönendes Debüt als König Don Carlos. Sichtbar freute er sich über den stürmischen Applaus, der auch den anderen Interpreten zuteil wurde. Maria Pantiukhova und Thomas Faulkner, beide Teilnehmer des Opernstudios, ab dieser Saison Ensemblemitglied, und Ingyu Hwang aus dem Opernstudio komplettierten in kleineren Rollen das vorzügliche Sängerteam.

Wieder etwas Besonderes in der Oper Frankfurt! Man sollte sich den heutigen Abend nicht entgehen lassen.

„Ernani“ von Giuseppe Verdi, Konzertante Aufführung in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln, nur noch am 22. Januar 2017, 19 Uhr im Opernhaus

 

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