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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Sorry superhero“: Alisa Margolis in der Galerie Wilma Tolksdorf

Von Erhard Metz

Con brio – con fuoco – vivace – furioso: Folgte man solchen musikalischen Vortragsbezeichnungen bis in die Galerie Wilma Tolksdorf hinein, so würde man an Ort und Stelle in der Malerei von Alisa Margolis alsbald fündig. Und wir fügen noch ein gewagtes „esplosivo“ hinzu. Die Sprengkraft, die wir dort antreffen, ist allerdings und zum Glück von überaus friedfertiger Natur: Was hier explodiert, ist Malerei in ihrer schönsten, reinsten und unschuldigsten Art. Und es geht bei allem sogar nicht ohne einen Schuss Ironie zu: Alisa Margolis setzt gleich zu Beginn des Galerieparcours ein Ausrufezeichen, indem sie ein „wunderschönes“, wenngleich „explosives“ Blumenstilleben mit einem fast schon garstigen Türkisgrün durchkreuzt! Als wolle sie den Betrachter all ihres künstlerisches Werkes von vornherein desillusionieren, vom Ballast eines „Schönen“ befreien.

Und so lässt sich auch der Bogen schlagen zum Titel der Ausstellung „Sorry superhero“, mit dem die Künstlerin allem kulinarisch-genüsslichen Streben nach rauschendem Farben- und ästhetisch-befriedigendem Formenkonsum eine ironische Absage erteilt.

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↑ tell everyone, 2016, Öl und Harz auf Leinwand, 100 x 90 cm
super duper stoneage, 2016, Öl und Harz auf Leinwand, 150 x 110 cm

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Es ist kein Geheimnis, dass Alisa Margolis eine Quelle ihrer Inspiration im Blumenstillleben sieht. So dürfen wir denn auch aus dem Galerie-Text zitieren: „Die Werke von Alisa Margolis sind durch die Malerei holländischer Stillleben sowie die Lichtopulenz des Barock geprägt. Durch Gegenüberstellungen, Gegensätzlichkeiten und symbiotische Dialoge von Formen und Farben erzeugt die heute in Berlin lebende Künstlerin grosse Spannungswelten voller Formengewalt und transzendenter Lichtspektakel. Unweigerlich verbindet sich dabei der Begriff des ‚Erhabenen‘ als eine Dimension von Kunst mit ihrer Malerei – Licht manifestiert für die Künstlerin den eigentlichen Beginn eines Bildes und deutet sich in den Werken als die poetische Kraft des Ursprungs an.“ Es ist nicht uninteressant, in diesem Zusammenhang einmal mit dem Suchbegriff „Blumenstillleben“ bei Google-Bilder entsprechenden Werken der „alten Meister“ nachzuspüren.

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↑ Deep time, 2016, Öl und Harz auf Leinwand, 90 x 80 cm
Bottle sharer, 2016, Öl und Harz auf Leinwand, 110 x 120 cm

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Alisa Margolis verfolgt mit diesen neuesten Arbeiten konsequent weiter den Weg in die Abstraktion. Allerdings lassen sich bei genauerem Betrachten neben den floralen Motiven durchaus andere figurative Elemente entdecken, umso intensiver, je länger man sich auf einzelne Bilddetails konzentriert. So stösst man zum Beispiel wiederholt auf die Darstellung von Knochen oder eingeweideähnlichen Strukturen. Vielfach erscheinen die Leinwände wie von einer geheimnisvollen rückwärtigen Lichtquelle durchleuchtet, scheinen Bildmittelpunkte wie das Blau in „super duper stoneage“ eine Sogwirkung oder das Gelb in „Lucky“ ein eruptives Geschehen zu entfalten. Interessant auch die malerische „Rahmung“ mancher Arbeiten, immer wieder unterbrochen gibt sie dem Sujet Rahmen und Halt und ermöglicht doch stets auch ein Ausbrechen in freiheitlichen Wuchs.

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↑ ruminations, 2016, Öl, Harz und Papier auf Leinwand, 115 x 100 cm
(Lucky), 2016, Öl und Harz auf Leinwand, 120 x 90 cm

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Mit lediglich neun ausgestellten Arbeiten der Künstlerin – allesamt aus dem Jahr 2016 – gewährt Wilma Tolksdorf im grosszügig dimensionierten White cube ihrer Galerie diesen Werken den ihnen gebührenden Raum zum „Leben und Atmen“. Und mit ihnen „lebt und atmet“ der faszinierte Betrachter.

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the very living end, 2016, Öl und Harz auf Leinwand, 160 x 130 cm

Alisa Margolis, 1975 im ukrainischen Kiew geboren, studierte an der Columbia University New York. Die US-amerikanische Staatsbürgerin lebt und arbeitet derzeit in Berlin. Ihre Werke wurden weltweit ausgestellt, ihr Wirken wurde mit zahlreichen Preisen und Stipendien gewürdigt.

Alisa Margolis „Sorry superhero“, Galerie Wilma Tolksdorf, bis 29. Oktober 2016

Abgebildete Werke © Alisa Margolis; Fotos: Erhard Metz

 

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