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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

10 Jahre Galerie „KunstRaum Bernusstrasse“

Zum Saisonstart der Frankfurter Galerien Werke von Claude Wall, Heinz Jahn und Uwe Jahn

Von Erhard Metz

„Die Kunst ist zwar nicht das Brot, aber der Wein des Lebens.“ Den Aphorismus, den wir auf der Einladung zur Feier „10 Jahre KunstRaum Bernusstrasse“ lesen, findet man bei Jean Paul. Wir sind geneigt, diese Weisheit – bei allem Respekt vor dem grossen deutschen Dichter – zu erweitern: Kunst kann auch Brot des Lebens sein. Womit wir bei Lyonel Feininger angelangt wären: „Kunst ist nicht Luxus, sondern Notwendigkeit.“

Wer also dieses Notwendige in Frankfurt am Main sucht, wird nicht umhin kommen, über die bekannten innerstädtischen „Galeriemeilen“ hinaus die Bernusstrasse im Stadtteil Bockenheim – dort wiederum im feinen „Diplomatenviertel“ – aufzusuchen. Die Galerie zu verfehlen dürfte kaum möglich sein, weisen doch Stefan Pietrygas „Blaue Pappel“ im Vorgarten und das „Wegkreuz“ von Hubertus von der Goltz auf dem Dach jedem Kunstsuchenden den Weg.

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Stefan Pietryga, Pappel-blau, Eiche/pigmentiert, 210 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn; Hubertus von der Goltz: Wegkreuz, 2006, Aluminium schwarz, 240 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn

Was dort die Freundinnen und Freunde der schönen Künste nach der sozusagen galeristischen Sommerpause erwartet, vermag ihnen fast den Atem zu verschlagen, denn Galeristin Marina Grützmacher und ihr Ehemann haben diese sogenannte Sommerpause nicht zu einem Traumurlaub, sondern zur Verwirklichung eines Lebenstraums in Sachen Kunst genutzt: Im Souterrain der Galerie installierten sie eine lichtdurchflutete Vitrinenwand, drei andere Wände versahen sie mit zahlreichen, effektvoll indirekt beleuchteten Nischen. In Vitrinen und Nischen sowie im Ensemble der Räume weiter verteilt finden über 100 Exponate Platz, die fast schon in professionell-musealer Präsentation in Szene gesetzt werden. Zu einem kleinen Museum also hat sich die Galerie verwandelt – mit dem wichtigen, begrüssenswerten Unterschied, dass all diese mit grosser Kunstsinnigkeit und hohem Qualitätsbewusstsein, mit Herz und Sinn für das Schöne und Gute und dem zu allem Gelingen nun einmal notwendigen untrügerischen Bauchgefühl zusammengetragenen Köstlichkeiten zu fairen, ja moderat erscheinenden Preisen erworben werden können.

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Oben die Vitrinenwand, unten eine der drei mit beleuchteten Nischen versehenen Skulpturenwände im Souterrain

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Die Namen der mit ihrem skulpturalen Werk im „KunstRaum Bernusstrasse“ vertretenen Künstlerinnen und Künstler – Klaus-Joachim Albert, Martine Andernach, Volker Brüggemann, Johannes Brus, Emil Cimiotti, Dietz Eilbacher, Rigo Engler, Helga Föhl, Hubertus von der Goltz, Ingrid Hartlieb, Rainer Henze, Günter Huniat, Heinz Jahn, Heinrich Janke, Michael Jastram, Uschi Lüdemann, Stefan Pietryga, Wanda Pratschke, Thomas Ranft, Ann Reder, Hans Scheib, Michael Schuster, Hans Steinbrenner, Claus Tittmann, Peter Vaughan und Gisela Weber – lesen sich wie ein Who is who einer jüngeren beziehungsweise inzwischen älteren, aber jung gebliebenen Generation von Kunstschaffenden der bereits klassischen wie auch zeitgenössischen Moderne.

Zehn Jahre erfolgreicher Galeriearbeit gilt es also zu feiern – Galeristin Marina Grützmacher bekennt sich auch heute noch zu ihrem damaligen, einigen Skeptikern entgegengehaltenen Motto: „Ich bin alt genug, um erfahren zu sein, und jung genug, um dynamisch zu bleiben.“ An die 70 Ausstellungen hat sie in diesem Dezennium realisiert. „Aber es ist nicht die Zahl der Ausstellungen, die für mich zählt“, sagt sie, „sondern das persönliche herzliche Verhältnis zu meinen Künstlern und die Begegnungen und Gespräche mit den Besuchern, aus denen sich viele Freundschaften entwickelten“. Das sagt viel aus über die in der Galerie waltende Philosophie und den Genius loci von Vorgarten und Galerieetagen samt der mit Kunstwerken bestückten Terrasse hier in der Bernusstrasse: Wer den „KunstRaum“ betritt, wird nicht sogleich als potentieller Käufer oder Nichtkäufer taxiert, sondern als Besucher und eben Kunstliebhaber und damit Gleichgesinnter empfangen. Und nicht zu vergessen der stets mit frischem Wasser gefüllte Trinknapf für Hunde am Eingang zur Galerie: ein eines Tages mit Kreide auf das Pflaster geschriebenes „Danke“ ersetzt die sprichwörtlichen „tausend Worte“.

Dem Saisonauftakt der Galerien wie zugleich dem Jubiläum entsprechend gerät die aktuelle Ausstellung mit Werken der Künstler Claude Wall, Heinz Jahn und Uwe Jahn zu einem Ereignis „mit Farbenfreude, Humor und tieferer Bedeutung“, wie es die Galeristin trefflich formuliert.

Claude Wall, 1951 in Eschweiler geboren, Studium an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, überzeugt mit seinen hintersinnigen, suffisant-intelligenten „Meta“- beziehungsweise „Kompositbildern“ (Wolfgang Becker): Er kombiniert alte, mitunter auf Flohmärkten erworbene Gemälde mit eigenen Arbeiten (wie im Fall „Madame“, wobei er obendrein noch das „Yves Klein-Blau“ zitiert oder besser gesagt persifliert) oder er übermalt gleich gänzlich alte Leinwände, die er dabei mit Zitaten auflädt (wie in „Fontana über 2 Akten“).

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↑ Claude Wall: Madame, 2010 mit engl. Gemälde, 17 Jhd., Vinyl auf Nessel,  100 x 60 cm
↓ Claude Wall: Fontana über 2 Akten, 2012, Vinyl auf fremden, anonymen Bild, 90 x 70 cm

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Auch Heinz Jahn, 1953 im sachsen-anhaltinischen Wolmirstedt geboren, Studium an der Kunstkademie Münster, zeigt in seinen dem ersten Anschein nach so spielerisch-leichtfüssig hingeworfen erscheinenden, bei Näherem jedoch mit Formstrenge und Disziplin durchkomponierten Arbeiten, die zwischen Malerei und Objekten changieren, ein farbenfrohes Spektakel mit beileibe nicht nur einem Quäntchen Humor. Aber es könnten auch ernstere Gedanken aufziehen: an eine Landkarte von Staaten und Gemeinwesen voll gegenseitiger Diskrepanz und Abgrenzung. Herrlich wiederum sein „Cat Walk“: die hier so eigentümlich streng dreinblickende Maneki-neko, die japanische Glückskatze, millionenfach zur „Winkekatze“ verkitscht. Im offenen Plexiglaswürfel ein fröhlich-bunt bemaltes Geflecht. Aber auch hier Begrenzung, Abgrenzung, Gefangensein.

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↑ Heinz Jahn: Magellan I, 2016, Holz bemalt, 32 x 15 cm (äusserste Masse)
↓ Heinz Jahn: Cat Walk, 2015, Plexiglas, Foto, Holz bemalt, 30 x 30 x 30 cm

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Gänzlich anders die wunder- und fantasievollen Landschaften von Heinz Jahns Bruder Uwe Jahn: ein Jahr später als Heinz, 1954 ebenfalls in Wolmirstedt geboren, studierte Uwe zunächst Sozialpädagogik an der Fachhochschule Düsseldorf und anschliessend Kunst an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Seine im Wortsinn stillen Landschaftsbilder lassen die Gedanken des Betrachters weit hinaus- wie auch zurückschweifen in Erträumtes wie Erinnertes. Das kleine und kleinste Format seiner Arbeiten zwingt zu konzentrierter und kontemplativer Auseinandersetzung mit ihnen. Das vermeintlich Kleine gerät zum Grossen.

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↑ Uwe Jahn: ohne Titel, Acryl/Gouache auf Holz, 2015, 21 x 17 x 0,9 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn
↓ Uwe Jahn: ohne Titel, Acryl/Gouache auf Pappier, 11,8 x 26 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn, Bildnachweis: KunstRaum Bernusstrasse

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Gleich zweifach ein gelungener Start in die neue Saison: mit einem schier einzigartig vielseitigen, so in Frankfurt am Main noch nicht präsentierten Angebot an Skulpturen und einer Schau erfrischend-heiterer wie zugleich besinnlicher Werke dreier sehr unterschiedlichen Künstler. Bedarf es noch der weiteren Worte? Hingehen und schauen!

„Keine Wunder – keine Lügen: Uwe Jahn, Heinz Jahn, Claude Wall. Malerei, Skulptur, Objekt“, KunstRaum Bernusstrasse, bis 2. Oktober 2016

Fotos (soweit nicht anders angegeben): Erhard Metz

 

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