home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Die Kapelle Ste. Avoye zwischen Auray und Le Bono

Eine kleine bretonische Besonderheit

Von Petra Kammann

Inmitten einer malerischen Landschaft mit strohgedeckten alten bretonischen Häusern und üppig wild wuchernden Hortensienbüschen, ganz in der Nähe von Auray in Richtung Le Bono liegt die hübsche Renaissance-Kapelle Ste. Avoye, die wegen ihres Dachgebälks, das an einen Schiffsrumpf erinnert, vor allem aber wegen ihres doppelseitigen Lettners aus geschnitztem und bemaltem Eichenholz so sehenswert ist.

!cid_757E020B-9813-487B-93CA-26CADB21E4FB@home-600

↑ Eingang mit fürstlichem Wappen
Die Statue der Schutzpatronin, der hl. Avoye, stammt aus dem 16. Jahrhundert

!cid_DAC9B43A-3921-4B70-8506-A850E4FFFBB2@home-A-500

Am Tage des Kreuzes, dem 14. September 1554, wurde der Grundstein der Kapelle, die der Heiligen Avoye gewidmet ist, gelegt. Diese herrschaftliche Kapelle wurde vom Comte de Lestrelin erbaut, dessen Wappen noch heute über der südlichen Eingangstür prangt.

1727 wurde dann der große Glockenturm am Eingang durch Blitzschlag zerstört und daraufhin durch den heutigen kleinen Glockenturm aus Schiefer ersetzt, weswegen die Kirche von außen seltsam asymmetrisch anmutet.

!cid_D104E996-5C15-493F-A82E-23F924FCFE94@home-600

Lettner vom Chorraum aus gesehen

Das Innere der Kapelle wird durch den prächtig verzierten Lettner in zwei Teile geteilt, um den Chor vom Kirchenschiff abzutrennen – eine Eigenart der bretonischen Kirchenbauweise. Bis zu 110 Lettner entstanden in der Bretagne zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert. Diese Emporen (jubé) dienten dazu, das Evangelium zu verkünden, zu predigen und den Segen zu erbitten. Dort wurde auch die Messe gesungen. Da der Lektor mit der Formel „Jube, domine benedicere („Mein Herr, bitte segne mich“) sein Bittgebet begann, wurde in Anlehnung daran im Französischen der Name „jubé“ für den Lettner gewählt.

Diese Empore wird in Ste. Avoye von einer monumentalen Einfassung aus farbig bemaltem Eichenholz getragen. Sie ist deswegen so besonders, da geplant war, dass der Zugang über eine Steintreppe außerhalb des Gebäudes erfolgte. In anderen Kapellen aus dieser Zeit verlief er dagegen im Inneren über eine Holztreppe.

Glücklicherweise wurde diese Kapelle – ein wahres Kleinod – vor einigen Jahren durch Privatinitiative von engagierten Gläubigen und Sponsoren sehr sorgfältig restauriert.

!cid_EB19EED4-A33A-4D22-BBAA-E9427A05BA48@home-600

↑ Die klassisch bretonische Longère, im Anschluss an die Kapelle gebaut
Vorderseite des Lettners (jubé) mit der Kreuzigungsgruppe und den 12 Aposteln

cid_edb5c04f-5435-4ca3-a32d-ceff78593a73home-650

Die sich von einer Mauerseite zur anderen erstreckende Empore ist mit 24 in halbgewölbten Nischen stehenden Statuen geschmückt, von denen je zwölf dem Chor bzw. dem Kirchenschiff zugewandt sind. Sie zeigt die zwölf Apostel mit ihren einschlägigen Symbolen, während die der Chorseite zugewandten Figuren dem Schutzpatron der Gärtner, dem hl. Fiaker, dem hl. Laurentius, dem Schutzpatron der Armen mit seinen „Grillrost“, sowie den sieben Tugenden gewidmet sind, den göttlichen „Glaube, Liebe, Hoffnung“ und den vier Kardinaltugenden „Mäßigung, Gerechtigkeit, Klugheit und Stärke“, eingerahmt von dem Armen und dem Reichen.

Die sehr schöne und strebsame Heilige Avoye, die zu Beginn des 3. Jahrhunderts als Tochter eines sizilianischen Vaters und einer christlichen Mutter aus Großbritannien – Verwandte der Heiligen Ursula – geboren wurde, ist ebenfalls in Form einer besonderen Statue aus farbig bemaltem Holz zu sehen. Sie ist von der Rückseite ausgehöhlt.

Neben der Kreuzigungsgruppe mit Christus, der Jungfrau Maria und dem hl. Johannes stellt auch sie eine Besonderheit dar.

Die herausragende Kapelle Ste. Avoye kann heute, vor allem in den sommerlichen Monaten, auch über einen Fußweg am Ufer des Rivière du Bono querfeldein erreicht und nachmittags besichtigt werden.

Fotos: Petra Kammann

 

Comments are closed.