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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Malverwandtschaften: Sarah Schoderer und Xue Liu in der Weißfrauen Diakoniekirche

Von Erhard Metz

Orgelspiel empfängt uns beim Betreten der Weißfrauen Diakoniekirche in der Gutleutstrasse. Es ist gewiss kein Orgelschüler, der dort oben auf der Empore am Spieltisch Manuale und Pedal bedient, sondern jemand, der sein erlerntes Können trainieren und vervollkommnen möchte. Wir sind angenehm überrascht und lauschen. Diese Musik ist uns sehr willkommen.

An diesem Tag an diesen Ort geführt haben uns aber „Malverwandschaften“. So der Titel einer gemeinsamen Gemälde- und Skulpturenausstellung in der Diakoniekirche. Malverwandschaften? „Gleich zu gleich gesellt sich gern“ oder „Gegensätze ziehen sich an“: alte deutsche Spruchweisheiten, vielen der heutigen Gesellschaft leider längst abhanden gekommen. Aber abgesehen davon: Was von beiden stimmt denn nun?

Vielleicht stimmt ja beides. Jedenfalls, wenn wir die Malerei von Sarah Schoderer und Xue Liu nebeneinander sehen, wie dies bereits im Sommer 2012 in der Galerie Perpétuel der Fall war – damals ergänzte Sabine Rak das Duo zu einem Trio. Beide sind Städelschüler, beide hatten eine Ausbildung auch bei einer weiteren Kunsthochschule: Schoderer an der Akademie für Bildende Künste in Mainz, Liu an der HfG Offenbach (und zuvor bereits an der Sichuan Kunstakademie in China). Und doch: Die Arbeiten beider sind bereits auf den ersten Blick voneinander verschieden, ja so grundverschieden, dass eine Verwechselung ausgeschlossen ist!

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↑ Xue Liu, Graue Serie, 2010, Acryl auf Leinwand, 100 x 140 cm
↓ Sarah Schoderer, Grosser Tisch, 2016, Öl auf Leinwand, 130 x 120 cm

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Malverwandschaften? Sarah Schoderer schwelgt fast in – wenn auch gedämpften, niemals grellen – Farben, Xue Liu hingegen beschränkt sich auf ein enges Farbspektrum auf dem Grund verschiedenster, fein abgestimmter Grautöne, in das er einige wenige matte Farbtupfer setzt. Kontraste zwischen, aber auch Begegnungen, ja Verbindungen unter den beiden Frankfurter Künstlerpersönlichkeiten, die wir seit langen Jahren schätzen.

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↑ Xue Liu, Pop Serie, 2011, Acryl auf Leinwand, 100 x 140 cm
↓ Xue Liu, Skulptur, 2016, Keilrahmen, Fahrradreifen, 50 x 70 cm

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Ein Schelm, wer Böses dabei denkt: Rokokorahmen samt Rocaille humorvoll verfremdet, weil aus einem nackten Keilrahmen und Teilen eines zerschnittenen Fahrradreifens gebildet. Im Rahmen: nichts; das heisst natürlich nichts gibt es nicht, also ist doch etwas darin: die rauverputzte Wand nämlich, Trägerin aller an ihr zur Schau aufgehängten Bilder, sie zeigt just dort ihre schöne Oberfläche und Struktur, wo sie sonst mit einem gerahmten Bild verdeckt wäre …

Das haben wir so noch nicht gesehen: ein Diptychon, das vertikal versetzt werden muss, damit das zentrale Motiv einer „Decke“ als solches verstanden werden kann. Eine sehr schöne Arbeit, ganz in den Grundfarben Rot, Blau und Gelb, letztere sich in der linken rotdominierten Bildtafel bereits zu einem leichten Grün vermischend; ein Doppelwerk in kontrastierender Harmonie, sicherlich nicht umsonst in die Nähe einer evangelisch-schlicht gehaltenen Predigtkanzel positioniert.

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Sarah Schoderer, Diptychon „Decke“, 2016, Öl auf Leinwand, je 160 x 100 cm

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Sarah Schoderer rückt alltägliche Gegenstände in das Licht ihrer Gemälde, die sie mit ihrer ebenso farbenfrohen wie zugleich verhalten-pastosen Malerei umgibt, in unseren Beispielen hier einen Tisch, eine Decke, eine Lampe. Reizvoll das Spiel zwischen der Gegenständlichkeit der gewählten Objekte und der Abstraktheit ihrer Umgebung. Xue Lius Arbeiten hingegen, auf einem allerdings durchaus breiteren Grat changierend zwischen chinesischer Tradition und europäisch-abendländischer Überlieferung, stellt zierliche Figuren in den Fokus seiner Malerei, aber auch verrätselte allegorische Darstellungen.

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↑ Xue Liu, Erde Serie, 2016, Acryl auf Leinwand, 75 x 10 cm
↓ Sarah Schoderer, Grosse Papierlampe, 2016, Öl auf Leinwand, 145 x 120 cm

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„Malverwandschaften“: Ja und nein oder im Sinne einer symbiotischen Ergänzung von sozusagen „harmonischen Gegensätzlichkeiten“. Warum denn, um des Himmels willen, nicht? Noch dazu, wenn, gleich ob an einem durchsonnten oder regnerischen Vormittag, Orgelklänge die Diakoniekirche durchhallen und die beglückende Schau zu einem mit allen Sinnen erlebbaren optisch-akustischen Gesamtkunstwerk verwandeln.

Die Ausstellung „Malverwandschaften“ in der Weißfrauen Diakoniekirche endet am 2. September 2016 mit einem „Musikalischen Ausklang“ (16 bis 19 Uhr)

Abgebildete Werke © Künstler und Künstlerin; Fotos: Erhard Metz

Ein PS und obiter dictum vielleicht noch, wenn wir von der Weissfrauen Diakoniekirche handeln: Hoch über dem grossstädtischen Verkehrsgeschehen der Gutleutstrasse zwischen Hauptbahnhof und „Theaterplatz“ kann man im Campanile der Kirche einige Stunden verbringen oder besser noch übernachten: in einer von der Mainzer Kunstprofessorin Andrea Büttner geschaffenen, auf das Feinste eingerichteten Klause. Man kommt dort morgens garantiert als ein anderer heraus, als man abends zuvor hineingegengen ist. Diakonie-Kunstkurator Thomas Kober erteilt auf Anfrage nähere Auskunft.

 

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