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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Binding Kulturpreis 2016 an den Frankfurter Schöffling Verlag

Es wird nicht nur viel gebabbelt, sondern auch viel gemacht!“
Ein kleiner Verlag von großer Literatur

Von Renate Feyerbacher

Zur 21. Verleihung des Binding Kulturpreises, mit 50.000 Euro dotiert, am 2. Juli 2016 an den Frankfurter Verlag Schöffling & Co. im Rathaus Römer sprachen Oberbürgermeister Peter Feldmann, Birgit Gräfin Douglas, Vorsitzende des Vorstands der Binding Kulturstiftung, Hannes Hintermeier (FAZ), Laudator, und natürlich der Verlagsgründer Klaus Schöffling.

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(v.l.) Birgit Gräfin Douglas, Ida Schöffling, Klaus Schöffling und Oberbürgermeister Peter Feldmann im Kaisersaal des Frankfurter Römer

Klaus Schöffling, 1954 geboren, ist ein „Frankfurter Bub“, Sohn eines Chefarztes der Frankfurter Universitätskliniken. Auch er sollte Arzt werden. Während der Hochzeit der linken Schülerbewegung war er aktiv und „riss das Maul“ auf. Er musste daraufhin das Frankfurter Gagern-Gymnasium verlassen und machte sein Abitur auf dem Georg-Büchner Gymnasium in Bad Vilbel. Heute ist dieses Gymnasium keineswegs mehr ein „Auffangbecken“, wie es Schöffling einmal nannte. Er lernte zunächst sein Handwerk bei Suhrkamp und blieb dann vier Jahre im Verlag, wurde Lektor bei Suhrkamp/Insel und gründete schliesslich 1987 zusammen mit seiner Frau Ida, Lektorin, Verlegerin („Partnerschaft auf Augenhöhe“), seinen ersten eigenen Verlag, dann, 1993, den Verlag Schöffling & Co. Finanzielle Hilfe, die er längst zurückgezahlt hat, erhielt er von der Frankfurter Schriftstellerin Eva Demski.

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Schöffling Verlagsprospekte

Etwa 30 Bücher werden jährlich verlegt. Bücher machen ist ein Dauerspagat. In diesem Jahr ist dieser aber besonders gelungen. Schöffling-Autor Guntram Vesper (*1941) erhielt für „Frohberg“ den Preis der Leipziger Buchmesse in der Sparte Belletristik. Das tausend Seiten dicke Buch ist „ein Füllhorn an Geschichten, zumeist aus eigenem Erleben grundiert, eine große autobiographische Erzählung, ein Welt-Buch im Überschaubaren, ein Geschichts- und Geschichtenpanorama, wie wir schon lange keines hatten“ (Verlagsmitteilung). Die Kritik war voll des Lobes für das Buch und die Entscheidung der Jury. Es wurde ein SPIEGEL-Bestseller.

Ausgezeichnet wurde in Leipzig auch Brigitte Döbert für die Übersetzung des Romans „Die Tutoren“ von Bora Cosic, der 1979 in Serbien erschienen war, aber als unübersetzbar galt. Der Autor lobte die Übersetzung, an der Brigitte Döbert zwei Jahre gearbeitet hatte. Von derber, vulgärer, sarkastischer, gewitzter, rasanter und weitschweifiger Sprachorgie wurde in der Neuen Zürcher Zeitung gesprochen.

Die Lyrikerin und Erzählerin Silke Scheuermann, bereits mit vielen Preisen ausgezeichnet, erhielt für „Und ich fragte den Vogel“ den Bertolt-Brecht-Preis und nun für das Lyrikprojekt „Zweites Buch der Unruhe“ den Robert-Gernhardt-Preis, den Förderpreis des Landes Hessen und der Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen, der mit diesem Bundesland verbundenen Autoren die Realisierung eines größeren literarischen Vorhabens ermöglichen soll. Renommierte Preise also im Jahr 2016 für Schöffling-Autorinnen und -Autoren!

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Klaus Schöffling

„Frankfurt liest ein Buch e.V.“ ist eine „Badewannen“-Idee des Verlagsgründers Schöffling. Diese Aktion fördert ein literarisches Gemeinschaftserlebnis von Bürgern, Prominenten und Institutionen. Erstmals fand sie 2010 statt und war dem Buch „Kaiserhofstraße 12“ von Valentin Senger (1918-1997) gewidmet, der lange Jahre als Redakteur im Hessischen Rundfunk gearbeitet hatte. Die Erstausgabe von 1978 war vergriffen, aber Schöffling & Co. verlegte das Werk neu. Valentin Senger war ein „Davongekommener“: Mit seiner jüdischen Familie überlebte er in der Frankfurter Kaiserhofstraße 12 – es war wie ein Wunder. „Frankfurt liest ein Buch“: ein Lesefest, das Jahr für Jahr die Frankfurter begeistert.

Die Werkausgaben des 1932 geborenen Schriftstellers Ror Wolf, der in Mainz lebt und 2015 den Günter-Eich-Preis erhielt, und der Schriftstellerin Helga M. Nowak (1935-2013), einst Stadtschreiberin in Bergen-Enkheim, gehören zum Verlagsbestand.

Ein Renner ist der literarische Katzenkalender des Verlags, der seit 20 Jahren erscheint.

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Schöffling Verlagsteam

Nach den Ansprachen bittet Klaus Schöffling die Mitarbeiter des Verlags mit Namensnennung nach vorne. Das Publikum klatscht begeistert und es wird klar, dass nur ein kleines Team, ein Dutzend, fast alle Frauen, den Verlag steuert.

Dann bittet er den Autor Burkhard Spinnen zum lockeren Dialog: „Was machen die eigentlich den ganzen Tag“? Burkhard Spinnen, seit 25 Jahren mit dem Schöffling Verlag verbunden, vierzehn Jahre lang Mitglied der Jury des Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Preises, davon sieben Jahre als Vorsitzender, spricht vom einsamen Autor, der täglich telefonisch Bestätigung bei seinem Verleger suche, der eines Tages sein Freund wurde. Sechzehn Bücher sind von Spinnen, der in diesem Jahr 60 Jahre alt wird, bei Schöffling & Co. erschienen.

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Klaus Schöffling mit der Preisurkunde

Mut, umfassende Kenntnis der Literatur, Verlässlichkeit, Respekt vor der Arbeit der Autoren und Glauben an die Autoren – das ist die Devise der Mitarbeiter. Man müsse es nicht nur wollen, sondern auch machen. „Wir freuen uns unbändig über diesen Preis. Besser hätte die Entscheidung nicht sein können“, frotzelt Klaus Schöffling. Er hat Recht.

Fotos: Renate Feyerbacher

→ Binding-Kulturpreis 2015 für Max Hollein
→ Binding-Kulturpreis 2014 für den Frankfurter Verlag der Autoren
→ Verleihung des Binding Kulturpreises 2013 an die Jazz-Künstler
Heinz Sauer und Michael Wollny

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