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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Das Kunstwerk der Woche (14)

 

Die Arbeit einer Künstlerin oder eines Künstlers
aus den Atelierhäusern in Frankfurt am Main

Lionel Röhrscheid, AtelierFrankfurt

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„Kilroy was here“, 2016, Wandbild (Teil einer zweiteiligen Arbeit), Acryl auf Wand / Sgraffito, Durchmesser ca. 4 m; Foto: Lionel Röhrscheid

Von Erhard Metz

Kilroy war bekanntlich überall zuvor schon da, bevor andere kamen. Ein vieltausendfach angetroffenes US-amerikanisches Phänomen, eine Legende aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, für die es letztlich bis heute keine nachweisbar gesicherte Erklärung gibt. Jedenfalls ist Kilroy nicht mit jenem Inspektor James J. Kilroy identisch, der Anfang der 1940er Jahre auf einer Werft in Quincy/Massachusetts die Nieten an Schiffsteilen auf ihre Qualität hin überprüfte und das Ergebnis seiner Arbeit mit einem „Kilroy was here“ gekennzeichnet haben soll – wie es wohl fälschlich überliefert wurde. Kilroy – mit Nase und Augen über eine Mauer lugend, an der er sich mit den Fingern seiner Hände festhält, ganz so, wie wir es auf der Wandarbeit von Lionel Röhrscheid sehen – dieser Kilroy scheint als ein poppiges Symbol für etwas zu stehen, das wir auch wissenschaftlich nicht erklären können: Es muss doch immer noch etwas vor dem Allerersten gegeben, der Urgrund muss einen Ur-Urgrund gehabt haben und so weiter. Zum Beispielt der sogenannte „Urknall“: Wo kam dieser her, wer oder was hat ihn ausgelöst?

Es ist eine fantasievolle, eben fantastische, aber auch eine wie wir meinen philosophische, warum nicht sogar in einem erweiterten Sinn religiöse Arbeit, Röhrscheid bezeichnet sie als einen „Sternenkreis“. Sie ist mehr: vielleicht der Versuch, einen sichtbaren Ausdruck zu finden für das Universum, für das Allumfassende und das Unendliche, für Tranzendenz in etwas dem irdischen menschlichen Verstand nicht Zugängliches.

Und noch etwas: Was geschieht eigentlich nach dem Ausstellungsende mit dem Werk auf der Wand, oder anders gefragt mit der Wand, auf der sich das Werk befindet? Ist das Werk „nur“ temporär wie jeder Blick in das sich ständig verändernde Universum, vergänglich wie die irdische menschliche Existenz?

Der Künstler zu seiner Wandarbeit: „Den ersten Sternenkreis habe ich anlässlich der Abschlussausstellung im alten Kunstverein Familie Montez gemacht. Damals hatte ich zuerst einen schwarzen Kreis gemalt und dann die Sterne mit dem Hammer ausgeschlagen. Um die Wände im neuen KVM nicht zu beschädigen, bin ich auf die Idee gekommen, zunächst die „Sterne“ aufzutragen, indem ich gemörserte Kreidestücke und runde Getreidekörner mit weißer Farbe gebunden habe. Dann habe ich das ganze schwarz übermalt und wieder abgekratzt. Ein echtes ‚Sgraffito‘ also.

Kilroy, der als eines der populärsten Graffiti gilt, über das Sternenrund schauen zu lassen, entspringt aber nicht nur dem Wunsch, Technik und Motiv zu vereinen, sondern mehr noch der Sehnsucht, es möge da Einer groß genug sein, das ‚Ganze‘ zu erblicken.“

Diese einzigartige Wandarbeit sollte man aufsuchen: in der bis zum 17. April 2016 laufenden Ausstellung Lionel Röhrscheid/Corinna Mayer, „Kilroy was here“ im Kunstverein Familie Montez!

→ „Lionel Röhrscheid/Corinna Mayer: Kilroy was here“ im Kunstverein Familie Montez
→ Corinna Mayer und Lionel Röhrscheid in der Frankfurter Oberfinanzdirektion
→ Kunstverein Familie Montez und das grosse Blah Blah Blah
→ Die Künstlerin als Kuratorin: Corinna Mayer und ihr „Gästezimmer“

→ Das Kunstwerk der Woche (15)
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