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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Martine Andernach im KunstRaum Bernusstrasse

Von Hanneke Heinemann

Martine Andernachs meist nur auf den ersten Blick statisch wirkende Skulpturen, die von geometrischen Flächen und von Körpern bestimmt werden, lehnen sich an menschliche Proportionen an. Ihnen ist eine Strenge eigen, die jedoch Freiräume für vielfältige plastische Lösungen zwischen Natur und Geometrie zulässt. Es sind mit großem Gespür für Material, Volumen und Form geschaffene Werke von zeitloser Ausstrahlung. Die intensive Beschäftigung mit Maßverhältnissen, Dynamik in geometrischen Körpern und einem ständigen Abgleich mit der Natur spürt man auch in ihren Reliefs und den Papierarbeiten.

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Clara, 2015, Corten-Stahl

Das Thema der Stehenden beschäftigt sie schon seit mehreren Jahren. Auch wenn man als Besucherin oder Besucher der Ausstellung vielleicht schon schnell eine bevorzugte Ansicht hat, sollte man die stelenartige Figur der Clara unbedingt mehrmals umrunden, denn erst so lassen sich die vielen plastischen Bezüge in der Figur erkennen. Die elegante Form mit der leicht rauen Oberfläche beeindruckt, auch ohne dass man sie auf die namensgebende Clara Wieck-Schumann bezieht, über die Martine Andernach zur Zeit der Arbeit an dem Werk eine Biografie las.

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Aurea, 2014, Corten-Stahl/Blattgold

Ähnliches gilt für Aurea („Die Goldene“). Sie nimmt die in einem eleganten Knick nach oben weisende Bewegung einer mittelalterlichen Schönen Madonna auf. Das traditionell für den Himmel und für das Heilige vorbehaltene Gold verwendet die Künstlerin hier jedoch im Fußbereich. Dadurch wird die Figur in die Höhe gehoben und verliert ihre Erdenschwere. Wie diese Idee entwickelt wird, kann man sehr schön in einer Zeichnung nachvollziehen.

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Consolation, 2014, Corten-Stahl

Noch strenger und ohne Richtungsänderungen in den Grundformen gestaltet die Künstlerin in Consolation zwei Figuren wie Pfeiler, die sich tröstend zueinander wenden. Durch einen übergelegten „Arm“ wird die Distanz zwischen den beiden Körpern überwunden und der Akt des Tröstens versinnbildlicht.

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Concours, 2014, lackierter Stahl

Auch in Concours („Wettbewerb“) kann man mühelos Figuren erkennen, die sich zu einer Dreiergruppe vereinen, vielleicht zu einer Familie. Ungewöhnlicherweise ist die Figur mit einem strahlenden Blau bemalt, das die Gruppe noch mehr zusammenfasst. Die senkrechte Höhlung in Gelb betont die Geschlossenheit der sie umgebenen Figuren.

Der Rundgang durch die Ausstellung zeigt, dass die Werke aus mehreren Traditionen und Kulturen schöpfen. „Mein Gefühl und Liebe zur Skulptur bekam ich durch die Ägypter”, betont die Künstlerin immer wieder. Deren auf Block und Kern ausgerichtete Werke hatten sie schon als Kind auf Besuchen mit dem Vater im Louvre tief beeindruckt. Diese frühe Seherfahrung hat noch heute Einfluss auf ihre Skulpturen. Gleich am Eingang fällt ein kleiner schwarzer Kopf mit den Proportionen der berühmten Nofretete-Büste auf. Andere Skulpturen wie die Penelope (2009, Corten-Stahl) haben ebenfalls eine Verwandtschaft zu ägyptischen Skulpturen: Besonders in der Seitenansicht erinnert die Figur, in der Gliedmaßen, Körper und Sitz zu einem Block zusammengefasst sind, an thronende Pharaonen oder Hohepriester. Die schmale, nach vorne zulaufende Sitzende mit eingedrückten und leicht ausschwingenden Bögen und einem angedeuteten Kopf besticht andererseits durch ihren modernen Ausdruck. Die fast kargen Umriss- und Linienverläufe reichen aus, um das Thema des ruhigen Wartens auszudrücken. Denn die Figur ist Penelope, die dem Schicksal trotzend zehn Jahre geduldig auf ihren heimkehrenden Ehemann Odysseus gewartet hat.

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Lega (Hommage à Gonzales), 2014, Bronze

Noch viele weitere skulpturgeschichtliche Zusammenhänge sind in Martine Andernachs Kunst zu entdecken. Häufig erhellen die Titel direkt die Bezüge, wie beispielsweise der der kleinen Bronzemaske Lega (Hommage à Gonzales) von 2014. Sie entstand, als die Künstlerin sich intensiv mit dem Werk von Julio Gonzales beschäftigte. Der wegweisende Metallbildhauer des 20. Jahrhunderts bog und schweißte Figuren und Masken aus Eisen. Wie Gonzales bildet Martine Andernach mit wenigen Verkantungen und einer nur angedeuteten Augenpartie ein Gesicht heraus. Es erinnert an Masken von Gonzales aus den 1930er Jahren. Der eigentliche Titel verweist allerdings auch auf eine andere starke Anregung: Auf Masken des Lega-Volkes aus dem Kongo. Auf französischen Flohmärkten zieht es die Künstlerin immer wieder zum afrikanischen Kunsthandwerk hin, mit dem sie sich auch in ihrem Hause umgibt. Dort finden sich auch asiatische Kunstwerke wie ein Buddhakopf, der in ihrem Flur neben einem in der Ausstellung zu findenden Bronzekopf stand, der dessen Grundform aufnimmt.

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Douce, 2015, Bronze

Das genaue Schauen auf andere Werke schärft Martine Andernachs Gespür und lässt sie auch in Werken wie Horus (2015, Serpentin), die neben der klaren Geometrie auch informelle Elemente aufnehmen, zu Lösungen kommen, die das Auge bewegen und ihm gleichzeitig Halt geben.

In vielen der gezeigten Papierarbeiten kommen durch die teils sehr kräftigen Texturen der unterschiedlichen Papierarten aus handwerklicher und industrieller Produktion lebhafte Zonen in das Bild. Zusätzlich arbeitet sie mit verschiedenen Farbigkeiten. Sie bindet diese unterschiedlichen Materialien in Perspektiven ein, die Architekturen und Räume entstehen lassen. Titel wie La maison du bougnat („Das Haus des Kohlehändlers“) spiegeln diesen Bezug wider. Die Papierarbeiten sind nicht wie Collagen miteinander verklebt, sondern an wenigen Stellen angenäht. Dadurch kommt die Plastizität der Papierarbeiten zur Geltung und die kleinen Papierreliefs können zurecht als kleine dreidimensionale Werke im Rahmen betrachtet werden.

Martine Andernach, Skulpturen und Papierarbeiten, KunstRaum Bernusstrasse; die Ausstellung endet mit einer Finissage in Anwesenheit der Künstlerin am Sonntag, 3. April 2016 (11.30 Uhr)

Ausstellungsansichten, Werke © VG Bild-Kunst, Bonn, Fotos: Hanneke Heinemann

 

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