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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Breslau / Wrocław: Europäische Kulturhauptstadt 2016 (4)

Ein Rundgang durch das Breslauer Zentrum: Kirchen

Von Erhard Metz

Knapp 90 Prozent der Bevölkerung Polens ist römisch-katholischen Bekenntnisses, gut ein Prozent gehören der Polnisch-Orthodoxen Kirche an, daneben gibt es die Griechisch-Katholische und die eigenständige Polnisch-Katholische Kirche sowie die Altkatholische Kirche in Polen. Zur Evangelischen Kirche bekennen sich 0,2 Prozent der Bevölkerung.

Dieses Verhältnis spiegelt sich auch in Breslau wider: Neben dem Breslauer Dom als Erzbischofskirche stehen den knapp 90 römisch-katholischen, polnisch-orthodoxen und polnisch-katholischen Kirchen im Stadtgebiet heute drei evangelische Kirchengebäude gegenüber. Unser Rundgang konzentriert sich auf einige Bauten auf der Dominsel und in der Altstadt. Es sind altehrwürdige Baukörper, zumeist im Stil der Backsteingotik, fast alle wurden im Zweiten Weltkrieg stark oder sehr stark beschädigt und wurden danach wieder aufgebaut, oft nach den mittelalterlichen Bauplänen.

Kreuzkirche (Stiftskirche zum Heiligen Kreuz und St. Bartholomäus / Kolegiata św. Krzyża i św. Bartłomieja)

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Die hochgotische, doppelgeschossige Kreuzkirche ist nach dem Dom die zweitgrösste Kirche, 1288 gestiftet von Herzog Heinrich IV (dem Gerechten, um 1256-1290), Herzog von Breslau und Krakau und Princeps von Polen. Der Ende des 13. Jahrhunderts begonnene Bau wurde über die folgenden Zentennien fortgeführt (wobei die Krypta zu einer grundrissgleichen Unterkirche erweitert wurde) und im 17. und 18. Jahrhundert mit barocken Elementen ausgestattet. Die durch den Zweiten Weltkrieg zugefügten Schäden blieben begrenzt, so dass das Bauwerk wenig später wieder vollständig in seiner ursprünglichen Form wiederhergestellt werden konnte.

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Den Vorplatz dominiert das Johannes-Nepomuk-Denkmal von 1732. Ein Relief zeigt, wie der Heilige und Märtyrer (um 1350-1393) von der Prager Karlsbrücke in die Moldau gestürzt und ertränkt wird.

Elisabethkirche / Bazylika św. Elżbiety Wegierskiej

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Die knapp 70 Meter lange, 35 Meter breite und 30 Meter hohe, Anfang des 14. Jahrhunderts als dreischiffige Basilika erbaute, im Zuge der Reformation ehemals evangelische Hauptkirche der Stadt gründet auf den Fundamenten einer romanischen Vorgängerkirche. Nach Einsturz des 130 Meter hohen Turms wurde 1535 ein neuer, mit 90 Metern niedrigerer errichtet.

Vor dem wuchtigen Gebäude am Grossen Ring stehen die mit einem Torbogen verbundenen Häuser „Hänsel und Gretel“. Das im Zweiten Weltkrieg nur leicht beschädigte Gebäude diente bis 1946 der polnischen evangelischen Kirche, bis es als Garnisonkirche der Römisch-Katholischen Kirche übergeben wurde.

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Sandkirche (St. Maria auf dem Sande / Kościół Najświetszej Marii Panny na Piasku)

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Anstelle einer Ende des 12. Jahrhunderts erbauten romanischen Basilika wurde nach deren Abbruch von 1334 bis 1430 eine dreischiffige gotische Kirche errichtet mit den beachtlichen Innenmassen 78 Meter Länge und 24 Meter Höhe. Im Siebenjährigen Krieg diente sie der preussischen Seite als Munitionslager. Noch schlimmer kam es im Zweiten Weltkrieg: Kirche nebst Kostergebäuden wurden von deutschen Truppen als Hauptquartier missbraucht. 1946 wurde mit der Wiedererrichtung des ausgebrannten Bauwerks nach alten Plänen aus der Gotik begonnen.

St. Adalbert / Kościół św. Wojciecha (frühere Dominikanerkirche)

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Das Bauwerk gründet auf einer dem heiligen Adalbert gewidmeten Kapelle aus dem 11. Jahrhundert und wurde nach Errichtung im 13./14. im 15. Jahrhundert erweitert. Von 1715 bis 1730 wurde die barocke Kapelle angebaut. Nach der Säkularisierung des Dominikanerklosters und dessen Abbruch blieb die Kirche mit ihrem charakteristischen Staffelgiebel als Pfarrkirche erhalten. Im Zweiten Weltkrieg stark zerstört, wurde sie in den 1950er Jahren wieder aufgebaut.

Magdalenenkirche (St. Maria Magdalena / Katedra św. Marii Magdalenye)

Zwei Vorgängerkirchen aus der ersten und aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts hatte das heutige imposante Bauwerk, als dreischiffige Basilika in den Jahren 1342 bis 1362 errichtet. Die erst später gebauten Türme sind in fast 50 Meter Höhe durch eine Brücke verbunden.

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Zum Ende des Zweiten Weltkriegs und durch einen Brand im Mai 1945 wurde die Kirche schwer beschädigt. Neben der Elisabethkirche am Grossen Ring zählte das im gleichen Jahr in den Besitz der Altkatholischen Kirche gelangte Bauwerk zu den wichtigsten protestantischen Gotteshäusern Breslaus. Erst im Jahr 1972 wurde die Renovierung des Bauwerks als Kathedralkirche der altkatholischen Diözese Breslau abgeschlossen.

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Ursulinenkirche (St. Klara und St. Hedwig / Kościół św. Klary i św. Jadwigi)

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Johann Georg Knoll (um 1644-1704), einer der Baumeister des schlesischen Barocks, entwarf die Kirche in Nachbarschaft eines Klarissinnen- und späteren Ursulinenklosters.

Christophorikirche / Kościół św. Krzysztofa

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Die Christophorikirche ist heute mit der Hofkirche und der Gustav-Adolf-Kirche das dritte evangelische (Evangelisch-Augsburgische Kirche) Gotteshaus der Stadt und das einzige mit deutschsprachigen Gottesdiensten. Die in ihren Ausmassen bescheidene, einschiffige Kirche wurde um 1410 als Umbau einer früheren Kapelle errichtet. Der Turm datiert aus dem Jahr 1461 und wurde 1575 umgestaltet. Das im Zweiten Weltkrieg ausgebrannte Bauwerk wurde Ende der 1940er und in den 1950er Jahren rekonstruiert und 1966 renoviert.

Eine Filialkirche der 1993 gegründeten deutschsprachigen Christophorigemeinde in Breslau und Niederschlesien mit Sitz in dieser Kirche ist übrigens die berühmte Friedenskirche in Schweidnitz / Swidnica – einem UNESCO-Weltkulturerbe.

Die St. Ägidiuskirche sowie die Kirche St. Peter-und-Paul hatten wir bereits in früheren Beiträgen vorgestellt.

Fotos: Erhard Metz

→ Breslau / Wrocław: Europäische Kulturhauptstadt 2016 (1)
→ Breslau / Wrocław: Europäische Kulturhauptstadt 2016 (2 – Dom, Ägidiuskirche, Rathaus)
→ Breslau / Wrocław: Europäische Kulturhauptstadt 2016 (3 – Universität und Barockes Breslau)
→ Breslau / Wrocław: Europäische Kulturhauptstadt 2016 (5 – Breslauer Zwerge)

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