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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Archiv für Januar, 2016

Das Kunstwerk der Woche (2)

2016, Januar 13.

 

Die Arbeit einer Künstlerin oder eines Künstlers
aus den Atelierhäusern in Frankfurt am Main

Corinna Mayer, AtelierFrankfurt

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„Double Woman“, 2016, Öl auf Nessel, 100 x 80 cm; © Corinna Mayer; Foto: die Künstlerin

Von Erhard Metz

Sie ist eine Malerin, von der wir bei einem Blick auf ihre Werke alsbald sagen können: Das kann nur eine Arbeit von Corinna Mayer sein. Und doch überrascht uns die Künstlerin ein um das andere Mal aufs neue, jüngst mit dem Doppelporträt „Double Woman“, eine künstlerisch zitierende wie zugleich verfremdende Verarbeitung des Porträts der Lola Pless, einer temporären Muse und Geliebten des in seinem Hauptwerk der Neuen Sachlichkeit zugerechneten Malers Christian Schad (1894-1982).

Das Gemälde scheint uns eine Selbstbefragung der Künstlerin zu sein, in einer Maskerade, bei der sie in das verkleidende Gewand der Schadschen Muse schlüpft. Gegenüber dem „Vorbild“ ist das Antlitz der beiden Abgebildeten wesentlich weicher, der Blick verträumter, die wenn auch erotisch aufgeladene wie zugleich von Desillusion zeugende Härte in Gesicht und Haltung der „Original“-Lola ist einer gewissen Unbestimmtheit gewichen.

Die Verdoppelung scheint auf das alter ego der Künstlerin zu verweisen, auf eine Auseinandersetzung vielleicht zwischen einer künstlerischen und einer sogenannten bürgerlichen, einer spirituell-entrückten und einer erdverbunden-materiellen Existenz. Die beiden Physiognomien des Doppelporträts unterscheiden sich unserem Eindruck nach entsprechend, die Frau im Hintergrund wirkt eher aufgeschlossen-zugewandt, diejenige im Vordergrund eher besorgt-fragend und ernster. Beider Blicke richten sich auf etwas ausserhalb des Bildes Liegendes, dem Betrachter nicht Sichtbares und scheinen sich dort zu vereinigen. Eine grosse Spannung baut sich auf zwischen jener wissenden Doppelgestalt und dem nicht wissenden Betrachter. Es ist eine Arbeit, die letzteren ebenso zu seinem alter ego und einer Befragung seiner selbst führt.

Doch lassen wir Corinna Mayer selbst zu ihrer Arbeit sprechen: „Dieses Bild habe ich jetzt zuletzt gemalt, nach einer Vorlage von Christian Schad. Es bleibt unklar, ob die beiden Frauen zwei Personen sind oder eine Person mit zwei verschiedenen Wesensarten. Die Frauen schauen den Betrachter fragend an und schauen gleichzeitig auch in ihr Inneres. Die vordere Frau ist die Ältere. Sie schauen so, als hätten sie gerade etwas begriffen, als wüssten sie über etwas Bescheid, was sie persönlich betrifft.“

→ „Lionel Röhrscheid/Corinna Mayer: Kilroy was here“ im Kunstverein Familie Montez
→ Corinna Mayer und Lionel Röhrscheid in der Frankfurter Oberfinanzdirektion
→ Corinna Mayer – Wandmalereien oder: Die Frucht vom Baum der Erkenntnis
→ Corinna Mayer

→ Das Kunstwerk der Woche (3)
→ Das Kunstwerk der Woche (1)

 

Gefährliche Liebschaften. Die Kunst des französischen Rokoko im Frankfurter Liebieghaus

2016, Januar 10.

Faszination und Ablehnung, Bewunderung und Unverständnis: Bis heute polarisiert die Kunst des französischen Rokoko. Das Liebieghaus präsentiert zentrale Kunstwerke aus der Epoche Ludwigs XV. und legt dabei den Schwerpunkt auf das neu aufkommende Konzept der empfindsamen Liebe, auf den Zauber der Anmut und auf die Leichtigkeit und Verführungskraft dieser Stilrichtung.

Ein Bericht von Petra Kammann

„Gefährliche Liebschaften“. Der Titel dieser Rokoko-Ausstellung im Frankfurter Liebieghaus ist zweifellos dem Titel des berühmten Romans der Weltliteratur von Choderlos de Laclos entlehnt. Maliziös und raffiniert ist dessen Satire über die Dekadenz der Aristokraten am Vorabend der Französischen Revolution. Dieser Liebesroman in Briefform aus dem Jahre 1782 schildert ein gesellschaftskritisches Sittenbild der korrupten höfischen Gesellschaft Frankreichs gewissermaßen als Fallstudie und psychologische Analyse in einem. Durch den geschickten Wechsel der Perspektiven erhebt der Schriftsteller jedoch nicht den moralischen Zeigefinger. Mit der von ihm gewählten Briefform führt er den Leser durch das undurchdringliche Beziehungsgeflecht der Libertinage und des damit verbundenen psychologisch höchst raffinierten Spiels um Wahrheit und Täuschung. Dabei hält er dessen Aufmerksamkeit ständig in der Schwebe und lässt ihn an der Frage teilhaben, wer hier wem vertraut und von wem hinters Licht geführt wird.

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Ausstellungsansichten; Fotos: Petra Kammann

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Die Libertinage als Lebensform des Hochadels war im ausgehenden 18. Jahrhunderts, dem höfischen Zeitalter des Rokoko, durchaus gang und gäbe. Diesem widmet sich nun auch die Ausstellung im Liebieghaus. Weiterlesen

Kultur und Kulturrelikt in globalisierter Welt

2016, Januar 7.

Das Missverständnis vom Kampf der Kulturen

Ein Essay von Gunnar Schanno

Um es gelassen vorweg zu sagen: Es gibt keinen Kampf der Kulturen (begrifflich seit Samuel Huntington, 1996), es gibt nur Kampf der Erkenntnis gegen die Erkenntnisverweigerung! Die Frankfurter Metropolregion rühmt sich zu Recht, einen kleinen Kosmos der Internationalität gebildet zu haben und spricht denn auch zugleich von multikultureller Vielfalt. Erreicht aber Internationalität auch die Tiefe dessen, was dann Multikulturalität genannt werden kann?

Internationalität aus zivilisatorischer und Multikulturalität aus kultureller Richtung stehen im Sog der Globalisierung. Letztere ist zum Leitbegriff geworden für das beginnende 21. Jahrhundert. Es ist ein Begriff, der seine Stoßrichtung von der Zivilisation her nimmt. Globalisierung bestimmt in Strukturen schaffender Weise unser tägliches Leben, erfasst die soziale und politische Welt, ergreift die ökonomischen Verhältnisse mit besonderer Dynamik. Globalisierung hat sich aus Entwicklung und elektronisch basierter Dynamik dessen herauskristallisiert, was als Fortschritt bezeichnet wird.

In der Globalisierung spiegelt sich der Zustand der modernen, technologisch getriebenen, Grenzen sprengenden Massengesellschaften wider. Inzwischen ist Globalisierung der Megabegriff. Schließlich waren es die funktionalen, utilitären Prozesse, aus denen heraus Globalisierung als transnationales geradezu sich selbst generierendes Netzwerk entstand. Der Begriff hat Karriere gemacht im Gebrauchsarsenal unserer Sprache – erstmals als Begriff in Umlauf gesetzt 1983 seit Theodore Levitts Artikel über die Globalisierung der Märkte in der Harvard Business Review.

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Der Rückblick des 19. Jahrhunderts darauf, wie der Mensch in der Kopernikanischen Wende das Ende seines mittelalterlichen Weltbildes erfuhr: Camille Flammarion, Holzstich aus „L’Atmosphère: Météorologie Populaire“, Paris, 1888, S. 163; The Henry Clay Cochrane Collection (Coll/1) at the Marine Corps Archives and Special Collections; Bildnachweis: USMC Archives from Quantico, USA/wikimedia commons CC

Kann aber Kultur globalisiert werden? Verändert sie ihren Charakter in Zeiten globalisierter Dynamik? Wird Kultur in der Dynamik global-zivilisatorischer Prozesse nivelliert zum globalen Einerlei? Nein! Kultur bleibt Kultur, wenn sie Panphänomen des Empfindens, des Gestaltens, des Transzendierens und in andernorts besagter Weise emotional durchdrungene Lebenswelt darstellt. Weiterlesen

Das Kunstwerk der Woche (1)

2016, Januar 5.

 

Die Arbeit einer Künstlerin oder eines Künstlers
aus den Atelierhäusern in Frankfurt am Main

Wanda Pratschke, Städtische Ateliers Ostparkstrasse

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TRAUM, Kopf, 2015, Bronze, 78 x 78 x 60 cm; Foto: Martin Url; © VG Bild-Kunst, Bonn

Von Erhard Metz

Allein schon der Titel lässt aufmerken: nicht „Der Traum“, nicht „Ein Traum“, sondern: Traum.

Ein Wort, welches sich in einer allübergreifenden, schier hemmungslosen Konsum- und Konsumgütervermarktungsgesellschaft so viel hässliche Wortverbindungen gefallen lassen muss, wenn mit Traumangeboten, Traumhäusern, Traumautos, Traumurlauben oder Traumreisen Wünsche nach zumeist Teurem geweckt werden. Der Duden kennt noch manch andere Wortbedeutungen, von denen hier nicht die Rede zu sein braucht.

Was sehen wir? Den Kopf, den Torso also, einer auf der linken Wange Ruhenden, auf die rechte Hand gestützt, das Haar zu einem Knoten gebunden, das Haupt von einem Kranz von Blumen umwunden. Die Augen sind nicht geschlossen. Auf dem Antlitz weder ein Wachen noch ein Schlafen, sondern ein entspanntes Insichruhen. Ein ahnender, ja erkennender, vielleicht sogar wissender Blick in eine unbestimmte und doch wahrnehmbare Ferne. Endlichkeit und Unendlichkeit berühren und versammeln sich in diesem Ausdruck. Die Ruhende scheint etwas zu sehen und fast schon beglückend zu begreifen, ein Ziel vielleicht, auf das sich ein Leben richtet, das uns Betrachtendem noch nicht zu sehen gegeben ist. Aber das Kunstwerk, wenn wir uns darin vertiefen, vermittelt uns eine befriedende – vielleicht noch nicht Gewissheit – , aber verheissungsvolle Hoffnung. Und wir verstehen jetzt den Titel der Arbeit: einfach nur „Traum“.

Wanda Pratschke zu ihrem Werk: „Eine schöne rothaarige Frau hat mich zu dieser Arbeit inspiriert. Sie hatte etwas Melancholisches in ihrem Ausdruck, der Rosenkranz in ihrem Haar erhöht den Kopf ins Elegische. Nach einigen Zeichnungen entstand ein kleines Modell. Später entschloss ich mich zu einer monumentalen Skulptur. Mit zugeschnittenen Gipsplatten und flüssigem Gips aufgebaut und mit dem Beil und Spachtel in Form gebracht wurde sie abgeformt, in Bronze gegossen und mit Silbernitrat patiniert. Ihren Platz hat sie seit September 2015 im Garten vor dem KunstRaum Bernusstrasse in Frankfurt-Bockenheim.“

→ Wanda Pratschke: Jubiläumsausstellung im Frankfurter Karmeliterkloster
→ Wanda Pratschke: Herzdamen
→ WANDA PRATSCHKE – EIN KÜNSTLERISCHER PROZESS (Folgen 1 – 9)

→ Das Kunstwerk der Woche (2)

 

„Hello I love you“ in der Schirn. Yes, we do, Daniel Richter.

2016, Januar 4.

„Hello I love you“: Yes, we do!

Daniel Richter gilt in Deutschland als einer der prägenden Maler seiner Generation und wird oft in einem Atemzug mit Neo Rauch und Jonathan Meese genannt. Seine neuen farbintensiven Gemälde verscheuchen in dem lichten Raum der Frankfurter Schirn jegliche Form von Winterdepression. Der 1962 in Eutin geborene Daniel Richter, ausgebildet bei Werner Büttner an der Hochschule für bildende Künste Hamburg und einst Assistent von Albert Oehlen, lebt heute in Hamburg und Berlin und nimmt eine Professur in Wien wahr.

Petra Kammann hat sich seine neuen Gemälde in der Schirn angesehen

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Max Hollein, Chef der Schirn, auf dem Weg in die Daniel Richter-Ausstellung

Die neue Ausstellung des norddeutschen Künstlers Daniel Richter ist im wahrsten Wortsinne eine Wucht. Wenn man den Ausstellungsraum der Schirn mit dem halbrunden Atelierfenster betritt, durch welches das natürliche Tageslicht auf die kräftig grellen Farben der neuen suggestiven Malerei Daniel Richters fällt, dann kann man sich einfach nicht entziehen und wegschauen. Ein neues Tor ist aufgestoßen worden, und es entsteht ein Gefühl von Freiheit und Offenheit, das an das amerikanische Lebensgefühl der Sixties und der damit verbundenen PopArt erinnert, der einfach nichts mehr heilig war. Weiterlesen

14 Jahre Frankfurter Integrationspreis

2016, Januar 3.

Die Losung heisst Eigeninitiative

Von Renate Feyerbacher

Zum vierzehnten Mal wurde Ende November 2015 im Kaisersaal des Frankfurter Römer der Integrationspreis verliehen. Drei Einrichtungen teilen sich den Preis in Höhe von 15.000 Euro. Zusätzlich wurden zwei Ehrenurkunden überreicht. Die Dezernentin für Integration, Nargess Eskandari-Grünberg, sprach von einer starken Zivilgesellschaft, der Zusammenarbeit und Solidarität der Stadtgemeinschaft angesichts aktueller Ereignisse in Europa wichtiger denn je seien. Dabei sei es grossartig, wie Bürgerinnen und Bürger mit sogenanntem Migrationshintergrund selbst aktiv würden.

Die Preise

Ausgezeichnet wurde das Projekt „Moses e.V.“, 2006 von Zerai Kiros Abraham gegründet. Der heute 38jährige wurde 1990 von seiner Mutter aus seinem Heimatland Eritrea gebracht. Dies geschah gegen seinen Willen. Die Mutter jedoch wollte vor allem, dass die Kinder eine gute Schulausbildung erhalten. Er habe, sagte er, lange gebraucht, bis er sich mit Deutschland arrangiert hatte.

Zwischen Dezember 2014 und März 2015 hatte ein „HannusM“, ein anonymer Spender, 50-Euro-Scheine in der Stadt versteckt und gab auf Twitter Hinweise, wo sie denn zu finden wären. Hinter HannusM steckten Zerai Kiros Abraham und eritreische Freude. Eine Erbschaft soll sie zu dieser Aktion motiviert haben. Die Frankfurt Allgemeine Sonntagszeitung kam schliesslich dahinter. Abraham begründete die Aktion: „Wenn die Menschen im reichen Deutschland schon für 50 Euro stundenlang durch die Kälte laufen, dann müssen sie doch verstehen, dass wir uns auf den Weg nach Europa machen, wenn unser Leben und unsere Freiheit bedroht sind.“

Aus Eritrea, das knapp sieben Millionen Einwohner hat, sind über 360.000 Menschen geflohen – so die Daten von 2014. Dort herrscht zwar kein Krieg, aber seit 22 Jahren der Diktator Isayas Afewerki. Eritrea steht heute auf dem letzten Platz der Liste bezüglich Pressefreiheit. Amnesty international und Human Rights Watch sprechen von Folter und willkürlichen Verhaftungen in dem Land. Einige vergleichen die Situation mit Nordkorea.

„Moses e.V.“ mit den Aktiven, Zerai Kiros Abraham, Letebrhan Haile und Kathrin Rietmann als Kernteam, fördert in Frankfurt die Selbsthilfe im Bereich der gesellschaftlichen und beruflichen Integration. Der Verein gibt Beratung bei Beziehungs- und Familienproblemen oder Behördengängen und alle Hilfestellungen, die Migranten beziehungsweise Asylanten brauchen.

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„Teachers on the road“ mit Ulrich Tomaschowski (mitte) Weiterlesen

Abschied von der Europäischen Kulturhauptstadt 2015 Pilsen / Plzeň (Teil 2)

2016, Januar 1.

Liebeserklärung an eine liebenswerte Stadt (Teil 2)

Von Erhard Metz

Pilsen / Plzeň – welch überraschende Anblicke bietet diese Stadt, wie hier zum Beispiel die Grosse Synagoge:

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Nach der Synagoge in Budapest ist sie die zweitgrösste in Europa und – wie wir lesen – die drittgrösste weltweit. Entworfen hat sie der Architekt Emanuel Klotz, im maurisch-romanischen Stil mit Elementer der Neorenaissance errichtet wurde sie in den Jahren 1888 bis 1893. Ursprünglich sollten ihre Türme um 20 Meter höher sein, was der damalige Stadtrat allerdings mit Rücksicht auf die St. Bartholomäus-Kathedrale auf dem Hauptmarkt ablehnte. Aber auch so ist sie ein überaus imposantes Bauwerk.

Eine grüne Oase um die Altstadt herum bildet der dem Verlauf der früheren Stadtmauern folgende Parkanlagenring mit reichem Baumbestand, üppigen Blumenbeeten, Brunnen und Denkmälern und manchen Cafés zum Verweilen und Entspannen. Weiterlesen

NEUJAHR 2016

2016, Januar 1.




FEUILLETONFRANKFURT
WÜNSCHT ALLEN LESERINNEN UND LESERN
EIN FROHES, GLÜCKLICHES UND ERFOLGREICHES
NEUES JAHR!




Ralph Joachim, Georg Friedrich Händel: Feuerwerksmusik, Youtube