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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Hello I love you“ in der Schirn. Yes, we do, Daniel Richter.

„Hello I love you“: Yes, we do!

Daniel Richter gilt in Deutschland als einer der prägenden Maler seiner Generation und wird oft in einem Atemzug mit Neo Rauch und Jonathan Meese genannt. Seine neuen farbintensiven Gemälde verscheuchen in dem lichten Raum der Frankfurter Schirn jegliche Form von Winterdepression. Der 1962 in Eutin geborene Daniel Richter, ausgebildet bei Werner Büttner an der Hochschule für bildende Künste Hamburg und einst Assistent von Albert Oehlen, lebt heute in Hamburg und Berlin und nimmt eine Professur in Wien wahr.

Petra Kammann hat sich seine neuen Gemälde in der Schirn angesehen

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Max Hollein, Chef der Schirn, auf dem Weg in die Daniel Richter-Ausstellung

Die neue Ausstellung des norddeutschen Künstlers Daniel Richter ist im wahrsten Wortsinne eine Wucht. Wenn man den Ausstellungsraum der Schirn mit dem halbrunden Atelierfenster betritt, durch welches das natürliche Tageslicht auf die kräftig grellen Farben der neuen suggestiven Malerei Daniel Richters fällt, dann kann man sich einfach nicht entziehen und wegschauen. Ein neues Tor ist aufgestoßen worden, und es entsteht ein Gefühl von Freiheit und Offenheit, das an das amerikanische Lebensgefühl der Sixties und der damit verbundenen PopArt erinnert, der einfach nichts mehr heilig war.

Konzentriert in dem Saal der Schirn hat jedes der 25 großformatigen Gemälde den Raum, den es braucht. Auf den überlebensgroßen Farbtafeln treffen fröhlich Farb- und Bedeutungsschichten aufeinander: Linien, kopulierende wie auseinanderfallende Figuren, wirbelnde an Bacon erinnernden Köpfe, denen das Gehirn auseinanderzufliegen droht. Die dargestellten Bewegungen und Strukturen überlagern einander, verschwimmen, driften auseinander, machen sich selbständig und bilden jeweils eine in sich ausgewogene Komposition.

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Daniel Richter beim Presserundgang

Der Bildhintergrund – oft horizontal geschichtete, farblich nuancierte Streifen und große, mit dem Spachtel auf die Leinwand gedrückte Farbflecken – ist ausschließlich mit Ölkreide übermalt. Die schwarzgrundige Düsternis der konturierten Malerei, die Richters Stil ab der Jahrtausendwende charakterisierte und die der Künstler heute selbst als „psychodelische Männerkitschromantik“ bezeichnet, habe ihn, den Nervösen, zunehmend genervt. So habe er einfach alle Farben mit Weiß abgetönt und in den letzten beiden Jahren den Pinsel beiseite gelassen.

Schon lange gilt Richter als der Künstler, der sich immer wieder neu erfindet. Früher entwarf er Plattencover für das Hamburger Plattenlabel Buback, das er inzwischen selbst führt wie auch „Chicks on Speed Records“. Auf seine abstrakt-ornamentalen Gemälde der neunziger Jahre folgten – wie schon erwähnt – um das Jahr 2000 dann seine figurativen, gesellschaftspolitischen Arbeiten. Da wurde er mit dem hochgeschätzten Leipziger Malerkollegen Neo Rauch auf eine Ebene gestellt. Im Leipziger Museum der Bildenden Künstler sind beide Kultmaler gleichberechtigt nebeneinander vertreten. Auktionshäuser und Sammler rissen sich um seine Gemälde. Dann hörte man nichts mehr von ihm. Er hatte sich in sein Atelier zurückgezogen.

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↑ Schirn-Direktor Max Hollein, Daniel Richter und Kuratorin Katharina Dohm
↓ Daniel Richter mit Professor Albert Oehlen (mitte) und dessen Sohn

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„Malen heißt denken“, hat Richter einmal gesagt, und das hat der Künstler wohl auch gerade getan, nachdenken auf jeden Fall. Auf dem Höhepunkt seines Erfolgs hat der nämlich sonst so locker schwadronierende Künstler einfach innegehalten in seinem Atelier und gegen die Langeweile der eigenen Routine angearbeitet und -gedacht und ist dabei zu neuen malerischen Ergebnissen gekommen, wobei er seine Lehrer Oehlen und Büttner nicht verleugnet. Auch hat er sich dabei wohl von anderen Positionen der Kunstgeschichte und Malern des 20. Jahrhunderts inspirieren lassen. Sie scheinen wie ein flüchtiges Zitat in seiner Malerei durch, gleich ob surrealistische Elemente, der Matissesche „Reigen“ oder der „Schrei“ des Expressionisten Munch. Und doch entstand eine ganz eigenständige „freie“ Malerei.

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Liebt Daniel Richter die Sturmfrauen?

Die Titel der Bilder kommen immer erst später, wenn das „Gericht fertig gekocht ist“. Richter vergleicht den Prozess des Malens mit dem stundenlangen Kochen einer gelungenen Borschtsch. Der leicht aufgestreute Dill zum Schluss ergebe erst die Würze. So setzt er mit dem Titel der Frankfurter Ausstellung dem eindrücklichen Hippie-Emblem „Love“ eines Robert Indiana oder dem „All you need is love“ noch eins drauf, und zwar auf seine eigene schnoddrig-ironische Weise: „Hello, I love you.“

Die Ausstellung „Daniel Richter. Hello, I love you“ ist noch bis 17. Januar 2016 in der Frankfurter Schirn Kunsthalle zu sehen.

Fotos: Petra Kammann

 

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