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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Das Limousin: Ein schönes Stück Frankreich entdecken

Fest der „Petits ventres“ im Oktober

Von Elke Backert

In der Rue de la Boucherie in Limoges wohnen längst keine Schlachter mehr. Während der Französischen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts hatten sich 58 von ihnen in der engen Gasse gemütlich eingerichtet mit Laden, Stall, Schlachthaus, Küche, Wohnräumen, Speicher, alles unter einem Dach. Nur noch eines der Häuser, im 13. Jahrhundert in Holz auf Stein errichtet, jetzt Museum, erinnert liebevoll an sie. Und die Kapelle Saint-Aurélien. Die hatten die Metzger 1827 für ihre Zunft gekauft. Besuchern steht sie offen, und nach Einwurf von 50 Cent strahlt sie hell. Dann erkennt man vielleicht, dass das Jesuskind – sehr speziell – an einer Niere knabbert: zu jener Zeit in diesen Kreisen ein übliches Geschenk für Kinder.

Limoges Fachwerk

Fachwerk und Fassaden in Limoges. Das Gros der Häuser im Limousin ist aus Feldsteinen gebaut, ebenso wie die Steine von Mauern ohne Zement aufgeschichtet wurden

Limoges Fassaden

Limoges Kathedrale-600

Kathedrale in Limoges

Das Restaurant „Les petits ventres“ am Platz Saint-Aurélien lädt ein, alles was die Schlachter heute in der Markthalle verkaufen, fein zubereitet zu verkosten. Die Spezialität des Hauses sind, wie der Name sagt, Innereien. Alljährlich im Oktober schlemmen sich Gourmets und Gourmands der „Bruderschaft der kleinen Bäuche“ beim Fest der „Petits ventres“ den Bauch voll. Lamm, das schwarzgefleckte Schwein „Cul Noir“, das Fleisch der Limousinen, jener rotbraunen, besonders herzhaft schmeckenden Kühe, „Confits“ und „Rillettes“, Delikatessen von Ente und Gans, Desserts wie „Flaugnarde“ und „Clafoutis“, Apfel- und Kirschkuchen, sind zu verführerisch. Schon eines der Schilder an der Autobahn Paris-Toulouse, deren Aufgabe es ist, die Sehenswürdigkeiten der Region Limousin anzuzeigen, weist auf „La race Limousine“ hin. Rechts und links sieht man sie auf der Weide, diese Kühe. Essen und Trinken, wie allgemein in Frankreich, stehen also auch im Limousin vornan.

Die Region im hügeligen Mittelwesten des Landes, eingeteilt in die drei Departements Haute-Vienne, Creuse und Corrèze, ist gesegnet mit exquisiten Produkten. Da sind zum einen die Äpfel, vorrangig Golden Delicious, von ungeahnter Süße und Saftigkeit, die viele Menüs begleiten. Zum andern wachsen zahlreiche Edelkastanien. Sie liefern nicht nur die nussige Frucht als sättigende Beilage. Aus ihr stellen die Destillateure feine Liköre und Geiste her. So kommt es nicht von ungefähr, dass ein Kir aus Wein mit Kastanienlikör statt Cassis besteht.

Aus dem Holz der Echten Kastanie fertigen selten gewordene „feuillardiers“ – Frauen haben dabei das Sagen – Mobiliar für innen und außen, auch originelle Papier-, Obst- und Blumenkörbe auf Bestellung.

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Gab es in früheren Zeiten 3500 „Feuillardiers“ im Limousin – Spuren wurden bereits im 1. Jahrhundert n. Chr. gefunden -, sind die Meister über das holzwurmresistente, harte Kastanienholz heute rar geworden. Sie fertigen Möbel für außen und innen, Gartenmöbel wie Hochsitze, aber auch Papier-, Obst- und Blumenkörbe. In Cognac und im Bordeaux bestehen die Fassringe statt aus Metall noch aus dem Holz der Echten Kastanie

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Aber das Limousin, allen voran die Departements Haute-Vienne und Corrèze, hat noch mehr zu bieten. In der Hauptstadt Limoges entsteht das berühmte Porzellan, das der Entdeckung des Kaolins bei Saint Yrieix-la Perche im Jahre 1768 zu verdanken ist und dessen Produktion der Besucher bei den ältesten Manufakturen Haviland aus dem Jahre 1842 und Bernardaud, 1863 gegründet, verfolgen kann. Man brennt heute auch Schmuck. Zahlreiche Bauten wie Markthalle und Brunnen vor dem Rathaus, aber auch Grabsteine sind mit Porzellan dekoriert.

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Bernardaud-Ausstellung von Limoges-Porzellan mit Künstlerporträts und Restaurants, die es weltweit verwenden, etwa „Taillevent“ in Paris. Auch im Elysée-Palast wird Limoges-Porzellan benutzt

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Limousin, Le Chalard: Ein Blickfang! Auf den Friedhöfen des Limousin sieht man die Grabsteine mit Porzellaninschriften

Noch älter ist die heute noch ausgeübte Kunst des Emaillierens und der bleigefassten Fenster, die mit dem Jugendstil und dem Art déco eine neue Blütezeit erlebten. Wertvolle Emailarbeiten zeigt das Museum im Bischofspalast, schöne Glasfenster z. B. die Kathedrale und der Bahnhof von Limoges.

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Der Bahnhof von Limoges, im Stil des Art déco um 1920 vom Architekten Roger Gonthier erbaut, soll einer der schönsten Frankreichs sein

Limousin Le Chalard Wehrkirche

Die Wehrkirche von Le Chalard aus dem 12. Jahrhundert

Auf romantische Städte – Brive ist so eine Stadt, ganz im Renaissancestil erbaut -, und Dörfer mit romanischen Kirchen und herrschaftlichen Schlössern trifft man allenthalben. Unweit Limoges im Château de la Chabroulie offerieren Monsieur et Madame de la Selle „Chambres d`hôtes“, „Gästezimmer“. Kein Zimmer gleicht dem anderen. Bäder sind zum Teil in das Rund des Turms eingebaut. Das Frühstück bereitet der auch fließend Englisch sprechende Monsieur persönlich zu.

Limousin Schloss Coussac Bonneval

Durch das Limousin führt eine Route auf den Spuren von Richard Löwenherz, „La route Richard Cœur de Lion“. Auf dieser Strecke liegt auch das Schloss von Coussac-Bonneval. Reich an wertvollen Möbeln, Teppichen und Kunstgegenständen, kann es besichtigt werden. Manchmal lässt sich auch die Schlossherrin blicken

Limousin Schloss Coussac Bonneval (1)

Limousin Chalus-Chabrol

Auch das Schloss Châlus-Chabrol mit schönen mittelalterlichen Gärten liegt an der Löwenherz-Route und kann inklusive Kerker besichtigt werden. Hier wurde 1199 Richard Löwenherz tödlich verwundet

Aus purem rotem Sandstein besteht Collonges-la-Rouge, ein verschlafenes mittelalterliches Nest mit Türmen und Türmchen – wenn da nicht die Touristen wären. Die wiederum braucht das Maison d`hôtes Jeanne. Pascal und Brigitte Monteil nämlich öffnen ihr feudales Anwesen für Gäste. Die fühlen sich in den bis ins Detail stimmig eingerichteten Zimmern pudelwohl. Wenn das Ehepaar am Abend zur „Table d`hôte“ bittet und vom Aperitif bis zum Digestif mit den Gästen am Kamin und am großen Eichentisch plaudert, dann weiß man, warum Gott in Frankreich gegessen hätte.

Limousin Mogein-Freres

Tulle in der Corrèze ist die Hauptstadt des Akkordeons. In Handarbeit werden hier seit 1919 von den Baumeistern Maugein-Frères die wohlklingenden Instrumente hergestellt und auf ihre Ton-Echtheit geprüft

Fotos: Elke Backert

 

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