home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Dialog der Meisterwerke“ im Städel (2)

Hochkarätiger Besuch zum Jubiläum
Städel-Lieblinge treffen „Stars“ aus der ganzen Welt (2)

Von Hans-Bernd Heier

Am 15. März 1815 unterzeichnete der Frankfurter Bankier und Kaufmann Johann Friedrich Städel die letzte Version seines Testaments, in dem er sein Vermögen und seine Kunstsammlung der nach ihm zu benennenden Stiftung vermachte. 200 Jahre später gilt das Städel Museum als älteste und renommierteste Museumsstiftung Deutschlands. Die Ausstellung „Dialog der Meisterwerke. Hoher Besuch zum Jubiläum“ ist ein weiterer Höhepunkt des umfassenden Jubiläumsprogramms. Zum 200. Geburtstag hat die Galerie hochkarätigen Besuch aus führenden Museen der Welt: 65 Meisterwerke aus den renommiertesten Museen sind nach Frankfurt gereist, um mit erlesenen Spitzenwerke des Städel in einen anregenden Diskurs zu treten.

M10

Mit einem Riesen-Plakat an der Außenfassade wirbt das Museum für das „Star-Treffen“; Foto: Hans-Bernd Heier

Anlässlich des 500. Todestages von Sandro Botticelli (um 1444/45-1510) ehrte das Städel den großen Meister der italienischen Frührenaissance mit einer eindrucksvollen, überaus erfolgreichen Sonderausstellung, in der alle Schaffensphasen des Florentiners zu sehen waren. Die Besucher konnten das „Weibliche Idealbildnis (Bildnis der Simonetta Vespucci als Nymphe)“, eines der Glanzstücke der Städel-Sammlung, im Umfeld von 40 anderen hochkarätigen Werken Botticellis und seiner Werkstatt bewundern. Weil Kurator Bastian Eclercy eine erneute Paarung des Bildnisses der Simonetta Vespucci mit einem anderen Werk des genialen Künstlers vermeiden wollte, wählte er als Pendant zu dem um 1480/85 entstandenen „Weiblichen Idealbildnis“ das Porträt „Fazio’s Mistress (Aurelia)“ von Dante Gabriel Rossetti (1828-1882) aus der Londoner Tate Gallery.

Weibliches Idealbildnis, angeblich der Simonetta Vespucci. Um 1480

Sandro Botticelli „Weibliches Idealbildnis (Bildnis der Simonetta Vespucci als Nymphe)“, um 1480/85, Mischtechnik auf Pappelholz, 81,8 x 54 cm; Städel Museum, Frankfurt am Main; Foto: Städel Museum – U. Edelmann – ARTOTHEK

Der berühmte Florentiner Meister war nach dem Niedergang des mächtigen Herrschergeschlechts der Medici zwischenzeitlich nahezu in Vergessenheit geraten und wurde erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts glanzvoll wiederentdeckt. Besonders die Präraffeliten begeisterten sich für Botticellis Werk, so auch Dante Gabriel Rossetti. Sein Porträt der Aurelia weist verblüffende Parallelen zu Simonetta Vespuccis Bildnis auf. „Ob und auf welchem Weg Rossetti auch die seit 1849 im Städel ausgestellte Simonetta bekannt geworden sein könnte, bleibt allerdings ungewiss“, schreibt Kurator Eclercy in dem profunden Begleitband zur Ausstellung. Es ist auf jeden Fall eine spektakuläre Zusammenkunft, liegen doch zwischen den zwei Frauenporträts annähernd vier Jahrhunderte.

Purchased with assistance from Sir Arthur Du Cros Bt and Sir Otto Beit KCMG through the Art Fund 1916

Dante Gabriel Rossetti „Fazio’s Mistress“ (Aurelia, 1863 [1873 überarbeitet]), Öl auf Mahagoniholz, 43,2 x 36,8 cm; Tate, London; Foto: Tate, London 2015

Rossettis Aurelia wetteifert um die Schönheit mit Botticellis Simonetta. Damit treffen erstmals zwei der berühmtesten Werke ihrer jeweiligen Sammlungen aufeinander. Der unmittelbare Vergleich der beiden ebenso selbstbewussten wie schönen Frauen veranschaulicht erstaunliche „bislang nicht gewürdigte Parallelen zwischen der Frankfurter Tafel und einem Hauptwerk Rossettis“, so Eclercy. In der direkten Gegenüberstellung werden diese deutlich: Auffällig sind die leicht gesenkten Lider, die sinnlich geschwungenen Lippen, der lange Hals, das üppig gewellte Haar, das prononcierte Kinn, das helle Gewand sowie die kompositorische Darstellung der beiden Schönen im Profil vor dunklem Hintergrund.

!cid_4F224A20-205E-4C8A-9ADE-39301317CC3B@Speedport_W_921V_1_39_000-A-650

Ausstellungsansicht; Foto: Petra Kammann

Goethe in der römischen Campagna. 1787

Johann Heinrich Wilhelm Tischbein „Goethe in der römischen Campagna“, 1787, Öl auf Leinwand, 164 x 206 cm; Städel Museum, Frankfurt am Main; Foto: Städel Museum – U. Edelmann – ARTOTHEK

Von den Dialog-Bildern der „Alten Meister“ führt mich der Weg in die Sammlung “Kunst der Moderne“ im ersten Obergeschoss. Kaum ein anderes Gemälde des Städel Museums ist in der Öffentlichkeit so bekannt und beliebt wie Johann Heinrich Wilhelm Tischbeins (1751–1829) Porträt von „Goethe in der römischen Campagna“ von 1787. Von Zeugnissen der Antike umgeben lagert der in einen Reisemantel gehüllte überlebensgroße Dichterfürst mit breitkrempigen Hut weitblickend in einer arkadischen Ideallandschaft. Der bei Porträts und Büsten von ihm selbst äußerst kritische und anspruchsvolle Goethe äußerte sich begeistert über das imposante Bildnis, das während seines Italienaufenthalts entstand: „Mein Porträt wird glücklich, es gleicht sehr, und der Gedanke gefällt jedermann.“ Kunstkritiker sind sich darin jedoch keineswegs einig: „Während viele Rezensenten in dem Gemälde die ideale Verkörperung Goethes erkennen, sehen andere darin vor allem ein schlecht gemaltes, unvollendetes Gemälde, das seine Bedeutung aus der hemmungslosen Überhöhung seines Darstellungsgegenstands bezieht“, so Kurator Felix Krämer. Auch bemängeln sie, dass der Poet von Weltgeltung mit zwei linken Füßen dargestellt sei. Das Geheimnis dieses Kuriosums, das in keiner der vielen Vorzeichnungen erscheint, ist bisher nicht gelüftet. Vorstellbar wäre laut Krämer, dass dieses Malheur nicht Tischbein anzulasten, sondern auf eine spätere Übermalung von fremder Hand zurückzuführen ist.

Johann Wolfgang von Goethe. 1982

Andy Warhol „Johann Wolfgang von Goethe“, 1982, Siebdruck und Acryl auf Leinwand, 200 × 210 cm; Städel Museum, Frankfurt, seit 2010 Dauerleihgabe der Commerzbank AG; © 2015 The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc. / Artists Rights Society (ARS), New York; Foto: Städel Museum – ARTOTHEK

In dem „Star-Treffen“ wird dieses Herzstück der Frankfurter Sammlung, das mittlerweile Ikonen-Status erlangt hat, mehreren Vorstudien gegenübergestellt. Von nachfolgenden Künstlern wurde das Gemälde immer wieder zitiert, wie beispielsweise auch von Andy Warhol (1928-1987) auf dem 1982 entstandenen Siebdruck. Der Popart-Künstler hat nach seinem Städel-Besuch gleich mehrere Siebdruck-Varianten gefertigt.

Musiciens à l'Orchestre. 1872

Edgar Degas „Die Orchestermusiker“, 1872 (1874-76 überarbeitet); Öl auf Leinwand, 69 x 49 cm; Städel Museum, Frankfurt; Foto: Städel Museum – U. Edelmann – ARTOTHEK

Arbeiten von Edgar Degas sind bei dem Gipfeltreffen der Meisterwerke sowohl in der Graphischen Sammlung als auch in der Abteilung Kunst der Moderne zu sehen. Themen aus der Welt des Pferdesports und des Balletts gehörten zum festen Bestandteil von Degas‘ Œuvre. Nicht zuletzt deswegen bezeichnete Édouard Manet seinen Künstlerkollegen Edgar Degas (1834–1917) als „Maler des High Life“.

CAI.19 Oil painting The Ballet Scene from Meyerbeer's Opera Robert Le Diable; Oil painting, 'The Ballet Scene from Meyerbeer's Opera "Robert Le Diable"', Edgar Degas, 1876 Hilaire-Germain Edgar Degas (1834-1917) Paris 1876 Oil on canvas

Edgar Degas „Das Ballett ‚Robert der Teufel‘“, 1876, Öl auf Leinwand, 76,6 x 81,3 cm; Victoria and Albert Museum, London; Foto: Victoria and Albert Museum, London

In der Schau sind drei Hauptwerke aus den 1870er-Jahren zu sehen, als Degas sich intensiv mit der schillernden Welt der Pariser Oper auseinandersetzte. Die hier abgebildeten Ölgemälde zeichnen sich kompositorisch durch eine raffinierte Raumgestaltung aus: vorne der Orchestergraben und hinten die Bühne. Der von Männern dominierte Vordergrund ist in dunklen Tönen und altmeisterlichem Pinselduktus gehalten. Hingegen ist die „weibliche“ Sphäre der Bühne in freierer, eher impressionistischer Technik sowie helleren Farbtönen ausgeführt. Verknüpft werden die beiden Bildebenen durch die Instrumente der Musiker, die gewissermaßen als visuelle Bindeglieder fungieren.

Auch Werke des Ausnahmekünstlers Pablo Picasso (1881-1973) können Besucher sowohl in der Graphischen Sammlung als auch in der Abteilung Kunst der Moderne bewundern. Reizvoll sind Picassos unterschiedliche mediale Darstellungen seiner Muse Fernande Olivier – als Ölgemälde und als Bronzeplastik in kubistischem Stil.

Zur Ausstellung ist im Wienand Verlag ein opulenter Katalog in deutscher und englischer Sprache erschienen.

„Dialog der Meisterwerke. Hoher Besuch zum Jubiläum“, Städel Museum, bis 24. Januar 2016

Bildnachweis (soweit nicht anders bezeichnet): Städel Museum

→ „Dialog der Meisterwerke“ im Städel (3)
→ „Dialog der Meisterwerke“ im Städel (1)
→ „Dialog der Meisterwerke“ im Städel: Eröffnungsansprache von Daniel Kehlmann

→ 200 Jahre Städel-Stiftung – Städel Museum Frankfurt am Main
→ Jubiläumsausstellung im Städel Museum Frankfurt „Monet und die Geburt des Impressionismus“
→ 200 Jahre Städel (1)

 

Comments are closed.