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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Blickachsen 10“ in Bad Homburg und Rhein-Main (9)

Peter Rogiers: „Wild Boys & Girls“

Von Erhard Metz

Es war bereits beim Aufbau leicht erkennbar: es wird ein Sockelwerk!

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Aber steht der Sockel nicht ein wenig schief? Nein, eine Täuschung, durch die besondere Position der eigentlichen Skulptur auf dem Sockel, wenn man vor der Arbeit steht.

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Wild Boys & Girls, 2013, Aluminiumguss, Betonsockel, 178 x 65 x 84 cm

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Was sehen wir? Einen Torso, soweit ist das klar. Von wilden Jungen und Mädchen ist allerdings weit und breit nichts zu sehen. Peter Rogiers gehört zu den Künstlern, bei denen Werktitel keinen unmittelbaren – oder oft auch nur mittelbaren – Rückschluss auf das Werk ermöglichen.

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Betrachten wir den „Kopf“ der Skulptur, so stellt sich, wie diese erste Assoziation an einen menschlichen Kopf bereits entlarvt, der Eindruck von Figuration ein. Zugleich mag es bestürzen, in diesem Teil der Plastik ein menschliches Angesicht – deformiert, zerquält, zerstört, zerfetzt, zerschossen – erkennen zu wollen. Und: Keinesfalls will Peter Rogiers etwas „abbilden“. Vielmehr interessiert ihn als Bildhauer das „Skulpturale“: Form also, Proportion, Kontrast, Ausgewogenheit; das Spannungsverhältnis zwischen – Assoziationen an Bekanntes ermöglichender – Figuration und Abstraktion. Weitergehende Deutungen bleiben dem Betrachter überlassen.

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Gleiches gilt für den „Körper“ des Torsos. „Beine“ sind kaum mehr zu erkennen, etwaige „Arme“ fehlen. Statt dessen blicken wir durch einen an ein Maschinenbauteil erinnernden Ring – der nach Körperlichkeit Suchende könnte in ihm den Ansatz eines Armgelenks an der Schulter entdecken – in das vermeintlich Innere der Skulptur sowie zugleich durch sie hindurch – was natürlich nicht korrekt beschrieben ist, denn das ebenfalls zerstört, zerfetzt, zerschossen anmutende Innere ist auch ein „Aussen“. Denn in die Materialität des Aluminiumgusses selbst können wir natürlich nicht hineinsehen.

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Eine bemerkenswerte Arbeit, die durch ihre Positionierung unter freiem Himmel im an Baumbestand reichen Bad Homburger „Kur“-Park, umgeben von Seniorenheimen, einem Krankenhaus und Rehabilitationskliniken, eine zusätzliche, Interpretationen auch im ironisch-komischen Bereich Spielraum gebende Qualität gewinnt.

Peter Rogiers, 1967 in Antwerpen geboren, befasst sich ausser mit Skulpturen auch mit Papierarbeiten und Comicstrips. Der Künstler studierte an der höheren Kunstschule Sint-Lukasinstituut in Brüssel sowie an der Jan van Eyck-Akademie in Maastricht. Rogiers lebt und arbeitet im belgischen Oud-Heverlee.

Abbildungen: Courtesy Stiftung Blickachsen gGmbH, Bad Homburg; Fotos: Erhard Metz

“Blickachsen 10″ in Bad Homburg und Rhein-Main, bis 4. Oktober 2015

→ „Blickachsen 10″ in Bad Homburg und Rhein-Main (11)
→ “Blickachsen 10″ in Bad Homburg und Rhein-Main (1)

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