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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Hilmar Hoffmann zum 90. Geburtstag

Umtriebig, ideenreich, tatkräftig auch heute noch

Von Renate Feyerbacher

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Heute, am Dienstag, 25. August 2015, feiert der Filmhistoriker, Museums- und Theatergründer, Schriftsteller, Hochschullehrer, Stadtentwickler Hilmar Hoffmann in Frankfurt am Main seinen 90. Geburtstag. Zwanzig Jahre lang, von 1970 bis 1990, war er Kulturdezernent in Frankfurt. Er hatte die Idee für das Museumsufer, begründete das Kommunale Kino und schuf den Begriff „Kultur für alle“.

Wenige Tage zuvor waren an seinem Lieblingsort, dem Deutschen Filminstitut/Filmmuseum, Freunde zusammengekommen, unter ihnen Ferry Ahrlé, Claudia Dillmann, Barbara Klemm, Tom Königs, Petra Roth, Felix Semmelroth und Wilhelm Zimmermann, um ihn zu ehren. Der Anlass war das von Claus-Jürgen Göpfert, langjähriger Autor und Journalist der Frankfurter Rundschau, geschriebene Buch über den Kulturpolitiker, den er 35 Jahre journalistisch begleitet hatte.

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Hilmar Hoffmann und sein Freund Wilhelm Zimmermann (derzeit läuft im Institut für Stadtgeschichte – Karmeliterkloster – die Ausstellung „Wilhelm Zimmermann – Politische Plakatkunst“)

Hilmar Hoffmann, der Bremer Kaufmannssohn, hat nur die ersten acht Lebensjahre in seiner Geburtsstadt gelebt. Die Eltern waren politisch uneins: die Mutter eine begeisterte Nationalsozialistin, der Vater Sozialist. Hilmar Hoffmann erinnert sich an einen Vorfall 1931: Ein verwundeter SA-Mann lag niedergestochen vor ihrer Haustür. Die Mutter zog ihn ins Haus und versorgte ihn. Der Vater war dagegen. Zwei Jahre später verliess der Vater die Familie: Frau und drei Söhne, Hilmar der jüngste unter ihnen. Da war er acht Jahre alt. „Er hatte uns im Stich gelassen.“ Nie, auch nicht nach dem Krieg, hat er seinen Vater wiedergesehen. Er hat ihn auch nicht gesucht. Eine Kindheit und Jugend ohne Vater.

Zunächst war die alleinerziehende Mutter geschäftlich erfolgreich. Sie und ihre drei Kinder zogen nach Lünen, dann nach Oberhausen. Doch die Mutter scheiterte als Geschäftsfrau. Die Wohnungen wurden immer kleiner. Die Familie war auf Sozialhilfe angewiesen. Früh musste der junge Hilmar anpacken, bei anderen Familien aushelfen. Das Horst-Wessel-Gymnasium (später Novalis-Gymnasium) in Oberhausen besuchte er jedoch und machte mit 17 Jahren dort kriegsbedingt das Notabitur.

Hilmar Hoffman hat nie verschwiegen, dass er ein begeisterter Hitlerjunge war. Mit zehn Jahren war er bereits „Pimpf“ im Deutschen Jungvolk. Er legte besonderen Eifer an den Tag, um sich der nationalsozialistischen Gesellschaft anzupassen.

Schon früh entwickelt er seine Liebe zum Kino. Leni Riefenstahls Film „Triumpf des Willens“ vom Reichsparteitag in Nürnberg 1934 sieht er bereits mit neun Jahren. Zu Leni Riefenstahl hatte er ein Leben lang eine „gespaltene“ Beziehung.

1943 muss er zum Reichsarbeitsdienst nach Südfrankreich. Dann folgt der Einsatz des Fallschirmjäger-Ausbildungsregiments I mit dem 18-jährigen Hilmar Hoffmann in der Normandie. Es hat den wahnwitzigen Befehl, die Amerikaner aufzuhalten.

Er gerät in amerikanische Kriegsgefangenschaft, die er von 1944 bis 1946 in den USA verbringt. Rückführung der Gefangenen nach Europa, wo Hoffmann zunächst in Belgien, dann in Schottland – er erwirbt dort sein Englisch-Diplom – landet. Im Herbst 1947 kehrt er nach Oberhausen zurück, wo er für die Britische Rheinarmee als Dolmetscher arbeitet.

Dann ernennen die Engländer den jungen Mann zum Leiter ihres neu geschaffenen Kulturzentrums „Die Brücke“ in Oberhausen. Zuvor hatten sie ihn für sechs Wochen nach Wilton Park in Südengland geschickt, eine Art Kaderschmiede für junge Deutsche, denen die Briten einen demokratischen Wiederaufbau Deutschlands zutrauten. Sie haben auf den richtigen gesetzt.

Mit dem Ziel, ein Regie-Diplom zu erwerben, begann er parallel ein Studium an der Essener Folkwangschule. Das war die Voraussetzung, dass ihn die Stadt Oberhausen zum Geschäftsführenden Direktor ihrer neuen Volkshochschule ernannte. Er war der jüngste Leiter einer deutschen Volkshochschule. Das war im April 1952. Es beginnt ein neues Kapitel seines Lebens.

Diese Geschichte, den Wenigsten bekannt, ist so wichtig, weil sie der Schlüssel zu seinem weiteren Berufsleben ist.

Danach ging es für den Kulturvermittler Schlag für Schlag beruflich aufwärts: Hoffmann gründet das Oberhausener Internationale Kurzfilmfestival, das er bis 1970 leitet, er gründet und leitet das „Zeitgenössische Schauspiel“, wird zum Leiter der Volkshochschule München berufen. Dieses Amt tritt er jedoch nicht an, weil er 1965 zum Kultur- und Sozialdezernenten in Oberhausen gewählt wird.

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Hilmar Hoffmann und Buchautor Claus-Jürgen Göpfert im Deutschen Filmmuseum

Im Oktober 1970 beruft ihn Oberbürgermeister Walter Möller als Dezernenten nach Frankfurt, wo er fünf Oberbürgermeister begleitet. Vorzeitig – wegen Differenzen mit Volker Hauff – quittiert er seinen Dienst. Hilmar Hoffmann hat auch seiner Partei, der SPD, immer widersprochen, wenn er es für richtig hielt. Parteiübergreifend hat er die Jahre in Frankfurt gewirkt. Er hat sich nie gescheut, Tacheles zu reden. So manches Foto zeigt ihn, die Arme verschränkt, entschiedener Blick, machtbewusst.

Nur einige seiner vielen Tätigkeiten und Aktivitäten sollen noch genannt werden: 1993 bis 2002 Präsident des Goethe-Instituts mit 20 Neugründungen, Mitbegründer und Vorsitzender der „Stiftung Lesen“ in Mainz und viele Jahre Vorsitzender des Verwaltungsrats des Deutschen Filminstituts/Filmmuseums.

In seinem Haus am Waldesrand im Stadtteil Oberrad sitzt er heute unermüdlich am Schreibtisch, umgeben von etwa 15.000 Büchern. Er schreibt mit der Feder. Er ist zum Chronisten Frankfurts geworden. Zwei Kinder mit insgesamt sechs Enkeln sind heute angereist.

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Sein Wunsch zum Geburtstag: das neue Domizil fürs das Museum der Weltkulturen möge gebaut werden. „Ansonsten freue ich mich einfach jeden Tag darüber, dass ich noch da bin.“

Fotos: Renate Feyerbacher

→ “Portrait Hilmar Hoffmann” von Gerhard Richter künftig im MMK 1
→ Kultur für alle! – “Kultur für ALLE e.V.”

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